Projekt im Irak von Ex-Profispielerin Tuğba Tekkal - "Der Fußballplatz ist in diesen Momenten auch Therapie"
Der Fußball als Möglichmacher: Mit den "Scoring Girls" hat die ehemalige Profispielerin Tuğba Tekkal ein Programm für junge Mädchen geschaffen. Nach verschiedenen Standorten in Deutschland hat Tekkal das Projekt inzwischen bis in den Irak gebracht.
Auf dem Platz ist plötzlich alles egal. Die ehemalige Profispielerin Tuğba Tekkal hat es sich zur Aufgabe gemacht, Mädchen und junge Frauen mit Fußball zu empowern und in ein selbstbestimmtes Leben zu begleiten. Ihr Projekt "Scoring Girls" richtet sich vor allem, aber nicht nur an Mädchen und junge Frauen mit Zuwanderungsgeschichte.
"Es macht uns riesengroßen Spaß, dass wir ein Angebot für junge Mädchen geschaffen haben, die eigentlich das Gefühl haben, nicht dazuzugehören", sagt Tekkal, die für den 1. FC Köln und den HSV spielte. Um die Mädchen zu erreichen, geht ihr Team aktiv auf Schulen, Jugendzentren und Unterkünfte zu. Vier der insgesamt zehn Standorte sind in Berlin. Einmal pro Woche wird in Neukölln, Marzahn, Lichtenberg und Kreuzberg trainiert. Das Angebot auf den Berliner Bolzplätzen ist für die Teilnehmerinnen kostenlos.
Und abseits des Platzes geht es weiter: "Wir bieten Fußballtrainings an, aber eben auch pädagogische Hilfe", sagt Tekkal. Neben der Hausaufgabenbetreuung unterstützt das Team beispielsweise bei Behördengängen und macht mit den Mädchen Ausflüge an Wochenenden. Dann geht es oft zu Spielen von Berlins Frauenmannschaften.
Über Grenzen hinweg
Das Projekt beschränkt sich nicht nur auf Deutschland. Auch im Irak sind die "Scoring Girls" aktiv. Mitte April wurde ein weiterer Standort in Dohuk eröffnet. Tuğba Tekkal flog erst durch das Projekt in den Irak: "Die Reise war natürlich auch für mich etwas Besonderes, weil es eine Reise zu meinen Wurzeln war und eine Reise zu meinen Vorfahren." Tekkals Eltern waren einst aus der Türkei geflüchtet. Als Kurden jesidischen Glaubens hatte man sie dort verfolgt.
Gemeinsam mit ihren Schwestern gründete Tekkal 2015 die Menschenrechtsorganisation "Háwar.help e.V", um auf den Völkermord im Irak und Syrien aufmerksam zu machen. Die "Scoring Girls" entstanden wenig später. "Ich weiß ja, was der Sport macht und was für eine Kraft er gibt", so Tekkal, die selbst erst mit 16 Jahren anfing, im Verein zu spielen.
Selbstbewusstsein mitgeben
"Der Fußballplatz ist in diesen Momenten auch Therapie. Das ist etwas, was sie vergessen lässt, was sie erlebt haben", sagt Tuğba Tekkal. Für die Mädchen, denen sie im Irak begegnet ist, möchte die 38-Jährige der "Schallverstärker" sein. Es sei wichtig, ihre Geschichten zu erzählen: "Jedes dieser Mädchen hat eine krasse Geschichte, die von Verfolgung und von Krieg geprägt ist. Auch die Mädchen, die hier in Deutschland sind", so Tekkal. Die Familien der Mädchen im Irak würden in Camps in Zelten oder irgendwelchen Containern leben. Das sei aber weder Leben noch Zustand.
Ihr Ziel ist klar: "Wir wollen so viele junge Mädchen wie möglich glücklich machen", sagt Tuğba Tekkal. Das Selbstbewusstsein vom Fußballplatz sollen die Mädchen mit in den Alltag nehmen. Auch in Deutschland sollen deswegen noch mehr Standorte entstehen. Wenn die Mädchen besonderes Talent zeigen, werden sie auch an richtige Sportvereine mit Mädchen- und Frauenmannschaften vermittelt und finanziell unterstützt. "Es soll beim besten Willen nicht am Geld scheitern", so Tekkal, die davon träumt, dass "irgendwann mal ein Scoring Girl für die deutsche Nationalmannschaft spielt."
Sendung: rbb24, 11.05.2023, 18 Uhr