Proteste gegen Investoren - Wie Fußball-Fans die Geschicke ihrer Vereine mitbestimmen

Fr 16.02.24 | 06:57 Uhr | Von Ilja Behnisch
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Fanproteste bei Union Berlin (imago images/Michael Taeger)
Bild: imago images/Michael Taeger

Die Fan-Proteste gegen einen möglichen Einstieg eines Investors in die Deutsche Fußball Liga bestimmen derzeit die Spieltage in erster und zweiter Bundesliga. Doch wie sieht es eigentlich generell um die Teilhabe der Fans aus? Von Ilja Behnisch

Geht es nach der Deutschen Fußball Liga (DFL), ist die Sache eigentlich ganz einfach. Die 36 Profi-Vereine der ersten und zweiten Bundesliga kommen zu wichtigen Fragen zusammen und regeln in eindeutig geregelten Abstimmungsverfahren die Zukunft von Deutschlands liebstem Kind. Wie die Vereine sich zu den Vorschlägen der DFL-Geschäftsführung verhalten, ist dabei "Sache des Vereins selbst", wie die DFL auf Anfrage schreibt.

Abgestimmt wurde bei der DFL bekanntlich auch im Dezember 2023 und zwar über die Frage, ob ein strategischer Investor an Bord geholt werden soll. Doch die mit nur einer Stimme zu Stande gekommene absolute Mehrheit, die für den Beschluss, entsprechende Gespräche aufzunehmen, nötig war, kam nur zustande, weil sich Martin Kind, Geschäftsführer von Zweitligist Hannover 96, offenbar nicht an das Votum des Stammvereins hielt.

Wem gehört der Fußball?

Seither protestieren die deutschen Fan-Szenen gegen den Einstieg eines Investors. Mit Erfolg. Wohl auch aufgrund der Proteste ist nur noch ein einziger Bieter in der Verlosung. Doch neben der ganz aktuellen Frage über den sogenannten "Investoren-Deal" ist darüber längst eine grundsätzliche Debatte entbrannt. Eine Debatte, der die Frage zu Grunde liegt: Wem gehört der Fußball? Und wer hat eigentlich das Sagen bei den Vereinen?

Der Fan-Forscher Harald Lange von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg sagt: "Die Mehrheit der Vereine haben ganz offensichtlich darauf verzichtet, das Votum ihrer Fans und Mitglieder einzuholen." Es sei ein Kennzeichen des Fußballs, dass die Spitzen der Verbände, ob DFB oder DFL, aber auch die Spitzen vieler Klubs losgelöst von ihren Klubs Entscheidungen treffen. Natürlich, so Lange, solle nicht für alle Themen eine Art Volksentscheid abgehalten werden. Bei einem "so wichtigen Thema wie dem Einstieg eines Investors, wäre man allerdings gut beraten gewesen, wenn man diesen Prozess auf breitere Füße gestellt hätte."

Wer, wenn nicht Herthaner sollte vor Investoren warnen?

Dass so mancher Funktionär dieser Tage von einer schweigenden Mehrheit sprach und also meinte, das Gros der Fußball-Fans Deutschlands solidarisiere sich keinesfalls mit den Protesten der aktiven Fan-Szenen, kann Lange dabei entkräften. Einer Studie seines Instituts folgend, bewerten 62,1 Prozent aller befragen Fußball-Fans einen möglichen Investoren-Einstieg mit nur einem von fünf möglichen Punkten. 76,8 Prozent der Befragten unterstützen die Proteste ausdrücklich.

Der Fußball, so Lange, sei nur deshalb so wertvoll, weil ihn Menschen mit Bedeutung aufladen. Dass diese Menschen vermehrt Gehör verlangen, sei dabei ein Prozess, der in den letzten Jahren an Dynamik gewonnen habe. Dabei geht es nicht mehr nur, wie zuvor meistens, um Fragen von Fan-Rechten, sondern um den Kern des Spiels selbst. Der Fußball, sagt Lange, "ist eine Instanz, vor der alle gleich sind“, weshalb Proteste vorprogrammiert sind, "wenn der Verdacht aufkommt, es gehe nur noch um die monetären Interessen einiger weniger".

Hertha BSC und der 1. FC Union, die beiden Berliner Bundesliga-Klubs, haben im Dezember 2023 gegen den Einstieg eines Investors gestimmt. Herthas Fan-Szene hat sich anschließend besonders hervorgetan im Protest. Die mehr als 30-minütige Tennisball-Unterbrechung aus dem Zweitliga-Spiel gegen den Hamburger SV war so etwas wie eine bundesweite Initialzündung für die nächste Stufe des Protests.

Nun kann das durchaus merkwürdig anmuten angesichts der eigenen Historie, angesichts des Investments von ehemals Lars Windhorst und nun 777. Doch, so Lange, gerade diese Erfahrung mache den Protest der Hertha-Fans umso glaubwürdiger. Die Heilands-Versprechungen, die Windhorst einst mit nach Berlin brachte, wurden schließlich nicht erfüllt. Ganz im Gegenteil. Wer, wenn nicht Herthaner sollte also vor den Konsequenzen eines Investors warnen?

Aktive Teilhabe funktioniert

Dass Hertha gegen einen Investoren-Einstieg in die DFL stimmte, hatte also mit der eigenen Geschichte zu tun und mit einer Vereinsführung, die unter dem verstorbenen Präsidenten Kay Bernstein nicht nur nah dran war an der Basis, sondern aus ihr stammte. Der Klub selbst schreibt auf Anfrage: "Wir stehen regelmäßig, nicht nur im Rahmen des Investorenprozesses, im Austausch mit unserer aktiven Fanszene, zu der wir auch die Vertreterinnen und Vertreter unserer OFCs sowie weitere organisierte Fans zählen. Dieser fortwährende konstruktive Dialog ist ein wichtiges Gut für alle Seiten, auch im Sinne der Nachhaltigkeit und des Berliner Wegs. Darüber hinaus bieten unsere zweimal im Jahr stattfindenden Mitgliederversammlungen die Möglichkeit für Austausch und Diskussionen."

Wie diese Teilhabe funktioniert, zeigt dabei das Beispiel von Inis Heidekrüger. Heidekrüger gehört zum Fanclub "AKJ" und ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass Hertha seit dieser Saison mit gleich neun Frauen-Mannschaften vertreten ist. Der Antrag darüber wurde auf einer Mitglieder-Versammlung eingebracht, auch, weil "uns wichtig war, dass er von allen getragen wird."

"Du kannst Dich einbringen, Anträge einbringen, Stimmen sammeln und dann hast Du schon die Möglichkeit der Einflussnahme", so Heidekrüger, die sich genau deshalb ärgert, dass nicht mehr Mitglieder den Weg zu den Mitgliederversammlungen finden. Auch wenn aktuell nur elf der 36 Profi-Klubs noch als eingetragene Vereine agieren und ansonsten also ausgegliederte Kapitalgesellschaften oder GmbHs das Bild bestimmen, gilt laut der im deutschen Fußball maßgeblichen 50+1-Regel, dass der Stammverein immer Mehrheitsgesellschafter sein muss. Kurzum: Die Einflussnahme der Mitglieder ist immer gewährleistet, sie funktioniert nur nicht immer so direkt wie etwa bei Union Berlin, einem der elf eingetragenen Vereine.

Der Fußball als Kulturgut bekommt nur durch die aktive Teilhabe der Anhänger seine Wertigkeit.

Fan-Forscher Harald Lange

Union mit eigener Abteilung

Beim Champions-League-Teilnehmer aus Köpenick ist die Teilhabe dabei klar geregelt. Die sogenannte FUMA (Fan- und Mitgliederabteilung) ist laut Satzung eine Abteilung des Vereins, welche wiederum einzelne Arbeitsgemeinschaften (AG Marketing, AG Stadion usw.) unter sich vereint. Allerdings, so Helge Meves, aktiver Union-Fan und Autor, "sind es vielleicht 400 Vereinsmitglieder, die da mitmachen". Angesichts der inzwischen knapp 65.000 Union-Mitglieder insgesamt eine verschwindend geringe Zahl.

Auch zu Unions Mitgliederversammlungen kommen, ähnlich wie bei der Hertha, vielleicht maximal fünf Prozent aller Berechtigten. Viele seien eben vor allem deshalb Mitglied, weil sie so bessere Chancen auf Eintrittskarten haben, so Meves. Oder schlicht, weil sie "Union dufte finden". Auch um dieser Diskrepanz Rechnung zu tragen, hat sich im Umfeld des Vereins ein Fanclub-Beirat organisiert. "Da treffen sich von den etwa 60 Fanclubs Unions die Sprecher. Zwei Mal im Jahr. Und da kommt dann auch der Präsident (Union-Präsident Dirk Zingler, Anm. d. Red.) dazu." Nur in einem Bereich hielten sich die Fans komplett raus: dem Sport. Sein Fazit: "Fuma und Co. sind schon gut."

Fan-Forscher Harald Lange sagt: "Der Fußball als Kulturgut bekommt nur durch die aktive Teilhabe der Anhänger seine Wertigkeit." Eigentlich ganz einfach. Es bleibt abzuwarten, ob das auch bei der DFL ankommt.

Sendung: rbb24 Inforadio, 16.02.2024, 09:15 Uhr

Korrekturhinweis: In einer früheren Version des Textes war von einem "Pokalspiel" gegen den HSV die Rede. Richtig ist, dass es sich um das Zweitliga-Spiel gegen den HSV handelte. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

Beitrag von Ilja Behnisch

18 Kommentare

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  1. 18.

    Die Aktion der Kölner mit den ferngesteuerten Autos war absolut gelungen.
    Tolle Idee, die ausbaufähig ist.
    Alternativ könnte man Helene Fischer singen lassen.
    Da wäre der Spielabbruch allerdings gerechtfertigt.

  2. 17.

    Meine Güte. Ich hab gestern im Stadion fast einen Herzinfarkt bekommen. Die Jungs führen 2:1 kurz vor der Pause, sind in Überzahl. Und dann kommen da wieder Tennisbälle angeflogen. Ich bin zu alt dafür, Leute.

  3. 16.

    Mann, Du kannst doch Karte kaufen, aber einfach nicht hingehen. Oder keine Karte kaufen und stattdessen dem Verein das Geld spenden.

  4. 15.

    Kommerz ist kein Kulturgut. Und wenn er Kulturgut wäre, warum wird dann das tatsächliche Kulturgut hierzulande (Berlin/BB) gerne verächtlich mit Füßen getreten? Und ich rede nicht vom Ball auf dem Rasen.

    "wenn der Verdacht aufkommt, es gehe nur noch um die monetären Interessen einiger weniger" - Nie würde der Verdacht beim Profifußball in mir aufkeimen. BL/CL etc sind über diesen Verdacht erhaben. Ich glaube sogar, die machen das alle ehrenamtlich.

    "Fan"proteste gegen Investoren, ganz großes Geschrei. Da geht es um Ideale, und der Profifußball wird hochstilisiert. Realitäten wie offener Rassismus oder anderer unschöner Alltag sind keinen solchen Aufschrei wert. Schönes Kulturgut.

    Und jetzt auch noch Teil der Kulturwissenschaft: Fan-Forscher. Ehrlich, Ihr habt sie doch nicht mehr alle. Man kann es auch übertreiben mit der Akademisierung. Wer nimmt sich denn als Konsument und Zuschauer bitte so wichtig?

    So macht Fußball echt keinen Spaß.

  5. 13.

    Das ausgerechnet die Anhänger des "selbsternannten Hauptstadt Kult" hier als besonders glaubwürdig dargestellt werden ist wohl ein schlechter Scherz.
    Spätestens nach der ersten DFL-Abstimmung am 24.05. hätte man im Westend ein Zeichen setzen können und sich der dritten Heuschrecke entledigen können, in dem man den ehrlichen Weg in die Regio geht.
    So aber wurde alles über Bord geworfen was man noch im Juni 22 abgefeiert hat (Ablehnung Wettanbieter, dreckiges Geld aus Miami...)
    Doppelmoral olé

  6. 12.

    Ninja. Ein Meister oder Absteiger wegen erhaltener oder verweigerter Punkte nach Spielabbrüchen - das hätte schon ein Geschmäcklerisch und würde dem deutschen Fußball nachhaltig schaden.

  7. 11.

    Das hoffe ich auch.
    Aber wer weiß schon was sich die DFL dann einfallen lässt um an die Millionen zu kommen.
    Die Proteste sind richtig und wichtig, aber Spielabbrüche zu provozieren nicht. Das schadet den Verein in doppelter Weise, Finanziell wie Sportlich.

  8. 10.

    Mir nicht.Die möglichen 3.Punkte werden zum Schluss fehlen.Und dann möchte ich mal die schlauen Sprüche hören.

  9. 9.

    Da gebe ich ach Recht, man schadet dem Verein. Aber es ist ja auch so über kuriose Wege kommen dann die Gelegenheitsfans ins Stadion und schon ist es wieder voll. Dann fällt auch nicht auf (vielleicht bei der Lautstärke), dass die aktive Szene nicht da ist.
    Spielabbruch wäre auch nicht schön. Vielleicht gehen ja auch Flummis anstatt Tennisbällen :D.
    Dann wollen wir mal hoffen, dass es friedlich weitergeht und es zu einer Neuabstimmung kommt.

  10. 8.

    Na, ich hoffe, dass der andere verbliebene Investor auch bald noch abspringt und dass das Ganze dann erstmal begraben wird.

  11. 7.

    Genau diesen Plan „die Spiele im Fernsehen nicht schauen“ bzw. Kein Bezahlfernsehen kaufen gab es beim Einstieg von Primäre auch. Hat leider nicht funktioniert und viele haben sich doch ein Abo gekauft.

    Um es Kurz zu machen:
    Die Entscheidung trifft der Verein mit seinen Mitgliedern. Fans die keine Mitglieder sind haben hier kein Mitspracherecht. Sie dürfen lediglich ihre Meinung äußern.

  12. 6.

    Selbst wenn es zum Spielabbruch kommt:
    der Schaden wäre kurzfristig.
    Der Investor schadet langfristig.
    Außerdem: wenn niemand ins Stadion geht, wer soll denn dann die Tennisbälle auf den Rasen werfen ?
    Ähem, kleiner Scherz..
    Die Proteste sind wichtig und richtig.

  13. 5.

    Da stimme ich Ihnen zunächst zu. Mit einem Spielabbruch schadet man seinem Verein kurzfristig. Ich denke aber, auch ein Spielabbruch ist ein kalkuliertbares Risiko. Drei Punkte nicht zu bekommen, tut sicher erst mal weh, vor allem wenn man wie Union in dieser Saison gegen den Abstieg kämpft. Jedoch ist ein kalkulierter Spielabbruch in einem Spiel, in dem man eh deutlich hinten liegt, eher ein Zeichen als ein Verlust.

    Und dann bin ich mal gespannt, wie ein Spiel gewertet wird, wenn sich beide Fanlager, wie letztes Heimspiel gegen Wolfsburg, aktiv beteiligen. So oder so, mir ist der Protest drei Punkte wert.

  14. 4.

    "Warum sollten Herthaner und Unioner ihren Vereinen schaden wollen?"
    Also, die Hertha Ultras haben nach dem HSV Spiel klar gesagt, dass sie auch einen Spielabbruch (und damit Spielwertung gegen Hertha) in Kauf nehmen würden.
    Auch andere Fangruppen haben das schon so kommuniziert. So schadet man seinem Verein. Das will ich nicht erleben.

  15. 3.

    Wenn man nicht mehr ins Stadion geht, schadet man zunächst erstmal nur seinem Verein, der mit den Eintrittsgeldern wirtschaftet. Union und Hertha haben sich gegen den Deal und für eine offene Neuabstimmung eingesetzt. Warum sollten Herthaner und Unioner ihren Vereinen schaden wollen?

    Es braucht ganz klare Zeichen gegen die Machenschaften der DFL. und mit den derzeitigen Protesten erreicht man Öffentlichkeit und auch erste Wirkung. Richtig so und wenn ich demnächst auch mal einen Tennisball in die Hände bekomme, bin ich dabei. Sind leider zu schnell vergriffen in der AF ;-)

  16. 2.

    Lieber Marvin,
    genau das ist falsch. Der Schaden, der durch die Verzögerungen entsteht, ist deutlich größer. Die Übertragungen werden unberechenbar, Zeiten für Werbung können nicht mehr zuverlässig eingehalten werden. Für den Zahler sicher unbefriedigend, wenn die Wettanbieter-Halbzeit-Analyse nur zwei Minuten dauern kann. Die dicke Kohle steckt ja nicht im Stadionbesuch, sondern im Fernsehen. Und ganz offensichtlich zeigt es ja schon Wirkung...

  17. 1.

    Es gibt eine ganz einfache und simple Methode um wirklich was zu verändern: Einfach nicht mehr ins Stadion gehen und auch im TV keine Spiele mehr verfolgen, bis die Geschichte mit den Investoren vorbei ist. Was interessiert es die Verantwortlichen, wenn trotzdem alle weiter fleißig zahlen und die Stadien voll sind?

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