Müsli, Mommsenstadion, Mobilität - Wo Berlin und Deutschland die Fußball-EM verstolperten

Mi 10.07.24 | 14:11 Uhr | Von Shea Westhoff
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Maskottchen EM
Bild: www.imago-images.de

Die Europameisterschaft steuert aufs Finale zu. Schon jetzt lässt sich feststellen: Das Turnier war insgesamt ein Erfolg. Doch an einigen Stellen ruckelte es. Eine Übersicht. Von Shea Westhoff

Nur Oranje will ins Mommsenstadion

Nach der WM 2014 in Brasilien gerieten manche Stadien in die Schlagzeilen, weil dort gähnende Leere statt Fußball-Euphorie herrschte. Prachtvolle Arenen waren einst extra für das Großturnier hochgezogen worden, allerdings teilweise an entlegenen Orten ohne große Fußballklubs. Eine teure Fehlplanung. Nicht nachhaltig, mäkelte man in Deutschland.

Nun haben die Brasilianer ihrerseits gute Gründe, sich über ein deutsches Stadionprojekt zu wundern, genauer gesagt über das Mommsenstadion in Berlin-Charlottenburg. Für die traditionsreiche Sportstätte erfolgte im Vorfeld der EM 2024 noch eilig eine Sanierung für zwei Millionen Euro. Das Gelände sollte als Trainingsplatz für teilnehmende Teams fungieren und außerdem für die Drittliga-Nutzung aufgerüstet werden.

Jedoch blieb das Mommsenstadion während der Europameisterschaft weitgehend verwaist. Erst am vergangenen Samstagvormittag hat das niederländische Nationalteam das aufgepeppte Sportgelände im Westend für eine Trainingseinheit genutzt, am Tag des Viertelfinales gegen die Türkei. Das lässt die Senatsverwaltung auf Anfrage wissen.

Auch den Finalteilnehmern werde das Mommsenstadion für Übungen zur Verfügung stehen. Ob sie es nutzen werden? "Laten we eens kijken", würden die Niederländer sagen, die am Mittwochabend erst noch die Engländer überwinden müssen. Schaun mer mal.

Was den Berlinern auf jeden Fall bleibt: ein drittligataugliches Stadion. Jetzt fehlt nur noch ein Berliner Drittligist.

Knusprige Kampagne, fader Beigeschmack

Betont nachhaltig sollte es bei einer Müsli-Aktion zugehen, die von der "Stabsstelle Bildung für nachhaltige Entwicklung" des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf initiiert wurde. "Dit is Müsli" heißt es seitdem auf der Packung einer Cerealien-Mischung, die extra für die Europameisterschaft auf den Markt geworfen wurde und für eher happige 6,49 Euro zu erwerben ist. Das Müsli soll nicht weniger als 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen unterstützen.

Neugierig fragte der Bund der Steuerzahler: Was kostet diese Aktion eigentlich die Bürgerinnen und Bürger?

Für den Wettbewerb des besten Verpackungsdesigns fielen 8.328,81 Euro an, hieß es vom Umweltbezirksstadtrat. Zu den Gesamtkosten könne man noch nichts mitteilen, eine "Gesamtbilanzierung" werde erst nach Projektende übermittelt [steuerzahler.de].

Bei der Kundschaft wird das Müsli immerhin "solide" angenommen, heißt es auf Nachfrage beim Wilmersdorfer Weltladen A Janela, wo die Dinkelflocken unter anderem zu haben sind. 27 von 48 vorrätigen Packungen seien dort bislang verkauft worden (Stand: Dienstag).

Fanmeile zeigt nicht alle Spiele

Wer hätte gedacht, dass sich das Angebot bei einem Public Viewing einmal zu einem Politikum auswachsen kann? In Berlin ist das durchaus möglich. Denn auf der Fanmeile am Brandenburger Tor wurden einige mit Spannung erwartete Paarungen der Fußball-EM ausgeklammert, etwa das letztlich hochdramatische Vorrundenfinale zwischen Kroatien und Italien. Insbesondere der Verzicht, alle Partien mit türkischer Beteiligung zu zeigen, rief Kritik hervor, zumal die türkische Auswahl gerade in Berlin eine riesige Anhängerschaft hat.

Und dann gab es Abende, an denen statt packender EM-Begegnungen Fußballfilme über die Leinwände flimmerten.

Die für das Programm in den Fan-Zonen federführende Abteilung Kulturprojekte Berlin begründete das Alternativprogramm damit, auch für Menschen ein Angebot schaffen zu wollen, "die nicht unbedingt Fußballfans sind". Zudem betonte sie, dass auch in vorhergehenden Fanmeilen nicht alle Spiele übertragen wurden.

Einige Fans zeigten sich wenig offen für solcherlei Argumente. Sie wollten während der Fußball-EM nämlich vor allem: Fußball schauen. Letztlich vollzog die Stadt Berlin eine Kehrtwende. Auch die Achtelfinalspiele Türkei gegen Österreich sowie Niederlande gegen Rumänien wurden auf der Straße des 17. Juni gezeigt. Ab den Viertelfinalbegegnungen standen dann ohnehin sämtliche Partien auf dem Fanmeilen-Programm.

Gastgewerbe hat sich mehr erhofft

Wer sollte von einem Fußball-Großturnier profitieren, wenn nicht die Gaststätten? Diese Rechnung schien in Deutschland bislang aufzugehen. Gluck, gluck, Fußballguck. Doch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Berlin sprach nach der Vorrunde von gemischten Rückmeldungen der Betriebe und einer eher enttäuschenden Zwischenbilanz. Sowohl Gastronomiebetriebe als auch Hotels hätten sich "wesentlich mehr Geschäft" erwartet.

Doch die detaillierte Auswertung der EM-Effekte auf die Branche liege erst im August vor. Ob sich die Bilanz nach dem Viertelfinal-Ausscheiden der DFB-Auswahl verbessert hat, darf allerdings bezweifelt werden.

Wir haben genug Bier mitgehabt, so war alles ertragbar.

Österreicher über die Bahn

Na klar: Probleme mit der Bahn

Ein formvollendeter Satz, der wohl wie kein anderer für den Zugverkehr in Deutschland steht: "Wir haben genug Bier mitgehabt, so war alles ertragbar".

Das gab ein gut gelaunter Fan der österreichischen Mannschaft auf die Frage des rbb nach seinen Erfahrungen mit der Deutschen Bahn zu Protokoll. Ja, man kann sich die Performance der Bahn schöntrinken. Aber für Pünktlichkeit sorgt auch das nicht.

Das internationale Fußballturnier in Deutschland legte die Probleme rund um den Zugverkehr offen. Einige Fans aus der Alpenrepublik verpassten die gesamte Partie ihrer ÖFB-Auswahl gegen Polen im Olympiastadion, weil bei einer Verbindung nach Berlin zu viel schief ging [merkur.de]. Die Österreicher waren es denn auch, die den Fan-Schlachtruf prägten: "Die Deutsche Bahn ist so im Oasch". Auf hochdeutsch knallt der Satz allerdings noch mehr: "Die Deutsch Bahn ist so im Arsch".

Legendenstatus erreicht hat mittlerweile das Abreise-Chaos von Gelsenkirchen samt stundenlanger nächtlicher Wartezeit der englischen und serbischen Fans am Stadion.

Die Niederländer traf es ebenfalls: Sie mussten die Pressekonferenz vor dem Halbfinale gegen das englische Team Dienstag wegen massiven Bahn-Verspätungen absagen.

Wegen einer Gleisblockade stieg das Team Oranje aufs Flugzeug um. Erst zugreisende Niederländer, dann fliegende Holländer.

Beitrag von Shea Westhoff

28 Kommentare

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  1. 28.

    Schauen wir mal Ob Paris das besser gebacken bekommt… man darf gespannt sein.

  2. 27.

    Irgendwie erleben Sie nicht die EM, um die es geht. Keine Ahnung, wovon Sie reden. Die Stimmung ist gut, unsere Mannschaft hat gut gespielt und allgemein wird anerkannt, dass es positiv war, wie unser Team aufgetreten ist.

  3. 26.

    Der Wolfsgruß ist in Deutschland nicht verboten. In andere Länder schon. Warum die Aufregung?

  4. 24.

    Im Beitrag fehlt noch die Werbung für das Lieferkettengesetzt das für eine faire EM sorgt bzw. gesorgt hat.
    Ansonsten bleibt wohl…. Theoretisch sind wir ganz weit vorne… halt nur theoretisch.
    Aber was soll’s… die EM ist in Kürze durch… dann kommt das nächste Thema…

  5. 23.

    Ein Sommermärchen sollte es wieder werden. Die Erinnerungen an 2006 waren doch so schön. Stimmt ja auch. 2006 hatten wir das Gefühl das wirklich alle miteinander feiern. Stolz schmückten wir die Autos mit Fahnen unseres Landes. Und jetzt? Nichts von dem ist übrig geblieben. Ganz im Gegenteil Wir( Deutschland) sollte Abstand davon nehmen Gastgeber von Veranstaltungen jeglicher Art zu sein. Es ist rundherum einfach nur peinlich.

  6. 22.

    Zitat: ". . . diesmal war es wohl der "wolfsgruss" witz.. agenda ist für manche eben wichtiger als einfach fussball spielen."

    Aha, wir haben also gegen Spanien verloren, weil die Spieler den "wolfsgruss" witz" nicht aus dem Kopf bekommen haben, der ihrer "Agenda" extrem zuwider lief?! Und natürlich hat auch die pinke Frise von Andrich maßgeblich dazu beigetragen, dass sich die Nationalmannschaft nicht aufs Spiel konzentrieren konnte, sondern viel mehr mit dem Vermitteln einer woken Botschaft beschäftigt war.

    Und überhaupt sollten WM- und auch EM-Turniere nur noch in ausgezeichneten Gastgeberländern wie bspw. Katar od. Saudi-Arabien stattfinden. Denn nur dort wird der Geist des Fußballs noch sportlich und Fan-affin gelebt. Au weia!

  7. 21.

    Wieso EM? Wann findet diese EM statt?

  8. 19.

    Wenn ich mich für Fußball nicht interessiere, gehe ich da auch nicht hin, wäre ja auch Nötigung, denen die Fans sind, die Filme zeigen zu wollen ohne das Interesse besteht.
    Die Kulturabteilung hat einfach versagt.

  9. 18.

    Hinterfragenswürdig. Sowohl der Inhalt des Zitates, als auch deine Antwort. Was das soll, war die Frage, die zurecht gestellt wird. Open Air Kinos gibt es in dieser Stadt einige. Die Fanmeile ist logischerweise keines.

  10. 14.

    Hauptsache Deutschland hat Pinke Haare

  11. 13.

    in Qatar haben sie es wegen ihrer gender und trans agenda "verkackt". diesmal war es wohl der "wolfsgruss" witz.. agenda ist für manche eben wichtiger als einfach fussball spielen.

  12. 12.

    Ich habe bei dieser EM, egal wo ich war, tolle Menschen kennen gelernt. Darum geht es doch. Gucke heute das Halbfinale im Kroatien. LG

  13. 10.

    Was ist das für eine Art?

    Hier handelt es sich um eine Heim-EM!

    Da sollte der Gastgeber alle Spiele zeigen.

    Typisch deutsch.

  14. 9.

    Auch ein Vorteil dieser EM war es für Gäste zu sehen wie schlimm es um Deutschland in Teilen bestellt ist.

    Deutschland ist bei vielem abgehängt, z. B. Bahn, Kriminalität, Sauberkeit.

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