Spree-Serie | Tagebau-Altlast im Fluss - Wie der Kampf gegen die braune Spree verstärkt werden soll
Die Spree steht vor einem Jahrhundertproblem: Auf 100 Kilometer ist der Fluss mit Eisenhydroxid belastet. Besonders betroffen ist Spremberg in der Lausitz an der sächsischen Landesgrenze. Und der Weg zu einer klaren Spree ist lang. Von Phillipp Manske
Die Spree ist der prägende Fluss unserer Region. In ihrem Verlauf weist sie etliche Besonderheiten auf. An manchen Stellen geht es ihr gut, an manchen Abschnitten kränkelt sie. Es gibt Passagen mit Neuigkeiten und Neuentwicklungen. Wie steht es um die Spree?
Wenn Charlotte Mahling und Zoe Millinger mit ihren Sportbooten auf der Spree in Spremberg (Spree-Neiße) trainieren, kommen sie der braunen Brühe besonders nahe. Die beiden Mädchen sind im Kanuverein. Nach dem Training gehört das Putzen der Boote lästigerweise dazu - jedenfalls auf der braunen Spree in Spremberg.
"Es ist schon ein bisschen nervig, aber mittlerweile hat man sich daran gewöhnt", sagt Charlotte. Weiße Klamotten können sie hier, anders als bei Wettbewerben auf anderen Gewässern, nicht tragen. "Das geht sehr schwer oder gar nicht raus", so Zoe.
Charlotte und Zoe sind 14 Jahre alt. Das heißt, sie kennen die Spree bei Spremberg nur braun. Aber das geht nicht nur den beiden Teenagern so. Auch Vereinsmitglied Göran Winter, 53, kennt den Fluss nur braun - mal mehr, mal weniger. "Ende der 1990er ist es schlechter geworden", sagt er. "Klar kenne ich die Spree eigentlich nur von den älteren Generationen, die gesagt haben, dass sie den Fluss früher als Badegewässer nutzen konnten und Grund gesehen haben. Also diesen Zustand habe ich nie gesehen."
Nicht giftig, aber gefährlich für Natur und Tier
Die Ursache für die Braunfärbung der Spree ist eng verbunden mit Geschichte der Region. Der Bergbau, der in der Lausitz für Industrialisierung, Aufschwung und Wohlstand gesorgt hat, ist verantwortlich für die mokkabraunen Spätfolgen in der Spree. Durch den Wiederanstieg des Grundwassers nach dem Ende der Tagebaue werden Sulfat und Eisen aus dem Boden gewaschen und permanent in den Fluss gespült. Das Eisenocker setzt sich als brauner Schlamm am Grund der Spree ab und verfärbt diese braun.
Eine Braunfärbung, die Flecken macht, aber nicht giftig ist. Trotzdem ist die schiere Menge gefährlich für Pflanzen und Tiere, deren Unterwasserlebensraum durch den Schlamm regelrecht verklebt wird. Die Gewässer veröden, Tiere finden keine Nahrung mehr.
Laut Sven Radigk vom Bergbausanierungsunternehmen LMBV sind es gewaltige Mengen, die trotz Gegenmaßnahmen seit Jahren täglich in Spremberg ankommen. "Aus dem Quellgebiet kommen heute etwa 4.000 Kilogramm, an anderen Tagen sind es 3.000 Kilogramm." Das sei immer noch deutlich zu viel, sagt er.
Schwieriger Kampf gegen Eisenbelastung
Sven Radigk soll für die LMBV die braune Spree sanieren. Die Bergbauverwaltungsgesellschaft wird vom Bund und den ostdeutschen Braunkohleländern finanziert. Der ureigenste Gründungszweck der LMBV ist, die Narben zu heilen, die der frühere Bergbau einst in die Landschaft gerissen hat - und dessen Wunden bis heute nachbluten.
Von der braunen Spree ist Spremberg besonders betroffen, weil in der Nähe mehrere ehemalige Tagebaue liegen. Über die Spreewitzer Rinne, einen Grundwasserleiter, gelangt das Eisen in die Spree. An mehreren Stellen tritt es diffus ein. Das macht Abwehrmaßnahmen schwierig.
Mehrere Anlagen im Süden Sprembergs, die vorübergehend im Einsatz sind, filtern das Eisenhydroxid aus dem Fluss und fangen nach Angaben der LMBV etwa die Hälfte des Schlamms ab. Ziel sei es aber, die Belastung auf null zu reduzieren. "Zukünftig werden wir mit 80 Filterbrunnen die gesamte Menge abfangen, damit in der Spree insbesondere bereits an der Landesgrenze ein Wert erreicht wird, der unterhalb der Sichtbarkeitsgrenze liegt", sagt Sven Radigk.
Das Wasser, das die Brunnen abfangen, soll in eine Anlage im Ortsteil Schwarze Pumpe geleitet, dort gereinigt und wieder zurück in die Spree geschickt werden.
Für 100 Millionen Euro ist außerdem eine riesige Dichtwand geplant, die verhindern soll, dass das Eisen über das Grundwasser nach Norden strömt. Sie soll sieben Kilometer lang werden und 100 Meter in die Tiefe gehen.
Die Dichtwand könnte die ultimative Lösung sein, zumindest für Spremberg. Doch dieses Mammut-Bollwerk wird wohl noch zehn Jahre auf sich warten lassen. Ende der 2030er Jahre könnte es stehen, schätzen die Bergbausanierer von der LMBV.
Gerade rechtzeitig also, wenn Deutschland spätestens 2038 aus der Kohleverstromung aussteigen will. Wenn dann nämlich weniger Grubenwasser aus dem Betrieb der Tagebaue in die Spree geleitet wird, würde bei gleichbleibend viel nachdrückender Eisenbrühe die Konzentration zunehmen - mit womöglich katastrophalen Folgen für den Fluss. Dennoch: Bis die Spree bei Spremberg wieder klar und nicht mehr braun ist, wird es wohl noch viele Jahre dauern.
Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 08.08.2023, 19:30 Uhr