Spree-Serie | Nach dem Braunkohle-Aus - Woher das Wasser für die Spree zukünftig kommen soll
Die Spree hat doppelt Probleme: Die zunehmende Trockenheit macht dem Fluss zu schaffen. Und er wird mit dem Kohleausstieg die Hälfte seines Wassers verlieren. Was wird nun aus dem Spreewald? Von Phillipp Manske
Die Spree ist der prägende Fluss unserer Region. In ihrem Verlauf weist sie etliche Besonderheiten auf. An manchen Stellen geht es ihr gut, an manchen Abschnitten kränkelt sie. Es gibt Passagen mit Neuigkeiten und Neuentwicklungen. Wie steht es um die Spree?
Hundertjährige könnten sich vielleicht noch daran erinnern, wie schlank die Spree einmal war, als sie noch kein Wasser aus dem Lausitzer Braunkohlerevier bekam. So lange macht der Fluss nämlich schon auf dicke Hose.
Mehr als die Hälfte des Wassers in der Spree ist sogenanntes Grubenwasser, das für den Betrieb der Tagebaue großflächig abgepumpt und in den Fluss geleitet wird. Doch damit wird Schluss sein, wenn Deutschland spätestens 2038 aus der Kohle aussteigen und die Braunkohlenförderung in der Lausitz aufhören wird.
Viele Nutzer hängen an der Spree
Ingolf Arnold hat den wichtigsten Fluss der Region mit seinem Verein "Wasser-Cluster Lausitz" schon lange im Blick. Jahrzehntelang hat der Ingenieur im Bergbau gearbeitet. Seiner Meinung nach wird die Spree auch zukünftig nicht ohne Grubenwasser auskommen. An der Spree würden zu viele Nutzer hängen.
"Über die 100 Jahre Bergbau hat sich das immer weiter erweitert", so Arnold. "Wenn man das nicht zurückdrehen will - also Menschen und Industrie raus dem Spreegebiet, Berlin nicht mehr wachsen lassen - dann muss man zusätzlich Wasser in das Spreegebiet überführen." Das muss nach der Kohlezeit also woanders herkommen.
Flussabwärts im Spreewald ist man alarmiert. Dieser ist ein europaweit einzigartiges Naturschutzgebiet, ein Lebensraum für viele Arten - und ein Touristenmagnet. Im Jahr 2022 kamen allein mehr als neun Millionen Tagesgäste.
Auch der Spreewald sei vom zusätzlichen Wasser aus dem Kohlerevier abhängig, warnt der Chef des Biosphärenreservats, Eugen Nowak. "Die Konsequenzen werden enorm sein. Im Durchschnitt sind 50 Prozent Sümpfungswasser, 70 Prozent in trockenen Zeiten", sagt Nowak. Hinzu komme der Klimawandel. "Wir gehen im Spreewald sehr trockenen Zeiten entgegen."
Große Mengen CO2 könnten entstehen
Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie des Bundesumweltamtes könnte die Spree ohne das Wasser aus den Tagebauen an bestimmten Stellen austrocknen. Die drohende Trockenheit könnte noch weitere, dramatische Folgen für die Umwelt haben. In den Sümpfen im Spreewald ist Kohlenstoff gespeichert. Er könnte ohne Wasser austreten und zu schädlichem Kohlenstoffdioxid (CO2) werden.
"Man muss wissen, dass in Brandenburg die Emissionen von CO2 aus entwässerten Mooren genauso viel ausmachen, wie der gesamte Autoverkehr in Brandenburg", so Eugen Nowak. Das Moor habe laut dem Biosphärenreservats-Chef eine wichtige Funktion für den Naturschutz im Spreewald, botanisch als auch für die Vogelwelt.
In dem Naturschutzgebiet müsse deshalb mehr Wasser gehalten werden, fordert Eugen Nowak, zum Beispiel mithilfe sogenannter Sohlschwellen. Das ist eine Art Hindernis, das den Flusslauf verlangsamt und das Wasser somit länger in einem bestimmten Abschnitt und damit in der Landschaft hält.
Wasser aus anderen Flüssen ableiten?
Das vorhandene Wasser länger halten und mehr Wasser speichern, das sind auch Vorschläge aus der Studie des Bundesumweltamtes. Demzufolge sollen die vorhandenen Talsperren und Speicherseen in der Lausitz saniert und dadurch deren Speichervolumen vergrößert werden.
So könnte auch der Cottbuser Ostsee, eine ehemalige Braunkohlegrube, die derzeit geflutet wird, zu einem Speicher erweitert werden - dafür müsste aber noch das Auslaufbauwerk errichtet werden. Allerdings attestiert die Studie auch, dass selbst dann zu wenig Speicher vorhanden wäre, um den Wassermangel nach dem Ende der Kohleförderung auszugleichen. Etwa 60 Millionen Kubikmeter Wasser würden fehlen.
Daher findet sich in der Studie auch der Vorschlag, Wasser aus anderen Flüssen in die Spree überzuleiten, konkret aus Oder, Neiße und Elbe. Allerdings gelten Oder und Neiße laut Experten als schwierig, weil sich Deutschland dafür mit Polen einigen müsste. Bei der Elbe gebe es derartige Schwierigkeiten nicht.
Umweltverbände kritisieren den Plan allerdings heftig und fordern stattdessen, die Grubenwasserpumpen zeitlich begrenzt weiter zu betreiben. Auch das Brandenburger Umweltministerium hält Überleitungen aus anderen Flüssen nach eigenen Angaben für schwierig. Um den Herausforderungen im Wasserhaushalt Lausitz zu begegnen, würden Wasserüberleitungen aus anderen Flussgebieten als Lösung "kritisch gesehen, da Probleme unter anderem mit der Gewässergüte, Wasserverfügbarkeit, Faunenverfälschungen und Auswirkungen auf die Einhaltung der Wasserrahmenrichtlinie zu erwarten sind", antwortet das Ministerium auf rbb|24-Anfrage.
Von den vorgeschlagenen Maßnahmen ist bisher nichts beschlossen. Ingenieur Ingolf Arnold vom "Wasser-Cluster Lausitz“ befürwortet derweil eine Überleitung aus der Spree, deren Kosten er auf mehrere hundert Millionen Euro schätzt. Er sieht dringenden Handlungsbedarf. Das müsse in den nächsten drei Jahren entschieden sein, so Arnold. "Denn wenn man es entscheidet, wird es noch 20 Jahre dauern. Dann ist 2046."
Dann wird es weitere Gruben in der Lausitz geben, deren Löcher mit Wasser gefüllt werden müssen. Denn auch die Tagebaue Jänschwalde und Welzow (beide Spree-Neiße) sollen sich zu riesigen Seen verwandeln.
Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 07.08.2023, 19:30 Uhr