Grundsteuerreform in Deutschland - Was die Grundsteuerbriefe vom Finanzamt zu bedeuten haben
Während viele ihre Grundsteuererklärung noch gar nicht ausgefüllt haben, bekommen die ersten bereits Post vom Finanzamt. Sibylle Barent von Haus und Grund erklärt, was die Briefe bedeuten und warum die neue Grundsteuer darin noch nicht zu finden ist.
rbb|24: Frau Barent, in Deutschland soll die Grundsteuer reformiert werden, 2025 die Neuerungen in Kraft treten. Bereits jetzt bekommen die ersten Grundstücksbesitzer Post von ihren Finanzämtern. Darin ist die neue Grundsteuer aber gar nicht zu finden. Was haben die Briefe denn zu bedeuten?
Sibylle Barent: Die Berechnung der Grundsteuer läuft in drei Schritten. Zuerst kommt die Berechnung des Grundsteuerwertes. Dabei gucken die Finanzämter auf den Wert des Hauses, um die Grundsteuer zu ermitteln. Dann kommt eine Steuermesszahl drauf. Die ist dafür gedacht, den Wert ein bisschen zu differenzieren. Wohnimmobilien haben beispielsweise eine andere Messzahl als Gewerbegrundstücke. Bei den Messzahlen gibt es teilweise auch Rabatte für bestimmte Wohnformen, Genossenschaften beispielsweise haben da einen Abschlag von 25 Prozent. Auch bei Denkmälern gibt es einen zehnprozentigen Abschlag.
Was in den aktuellen Messbescheiden vom Finanzamt steht, ist der Grundsteuerwert mit der darauf angewandten Messzahl. Beides zusammen ergibt den Messbetrag. Damit bekommt man eine Vorstellung davon, wie hoch das Finanzamt den steuerlichen Wert der Immobilie einschätzt. Dieser Wert gibt aber noch nicht an, was letztendlich an Grundsteuer zu zahlen ist. Da fehlt noch der dritte Schritt, der Hebesatz. Jetzt sind die Gemeinden in der Verantwortung neue Grundsteuerhebesätze zu berechnen und durch eine Satzung zu beschließen.
Müssen Hausbesitzer jetzt also warten, bis die Gemeinde die Hebesätze festlegt, damit sie wissen, ob sie zukünftig mehr oder weniger Grundsteuer zahlen müssen?
Jein. Ich erkläre das immer gern an einem Beispiel: Wenn Sie sich aus Sicht der Gemeinde die gesamte Grundsteuer als eine große Torte vorstellen, dann tragen alle Grundstückseigentümer der Gemeinde etwas zu dieser Torte bei.
Der Grundsteuermessbescheid zeigt mir den Anteil an dieser Torte, also die Proportion. Etwa ob ich ein Sechzehntel oder ein Hundertstel beitragen muss. Die Größe der Torte kenne ich aber erst, wenn die Gemeinde den Hebesatz draufgelegt hat. Das Versprechen ist nun, dass in dem Grundsteuertopf nicht mehr ist als vor der Reform. Die Gemeinden müssen ihre Hebesätze so wählen, dass sie an dieser Grundsteuerreform nicht verdienen.
Gleichzeitig heißt das aber nicht, dass der einzelne Grundstücksbesitzer genauso viel bezahlt wie vorher. Die Last wird nur anders verteilt. Wenn der Wert laut Messbescheid aber gestiegen ist - das wird vielen so gehen, weil die Bodenpreise auch gestiegen sind - dann kann man davon ausgehen, dass es teurer wird. Wir rechnen damit, dass es vor allem für diejenigen in den gefragten Lagen, etwa im Berliner Speckgürtel, teurer wird.
Was raten Sie den Betroffenen? Sollte Widerspruch gegen die Bescheide eingelegt werden?
Der Einspruch ist kostenlos möglich und, wenn Zweifel an dem Bescheid bestehen oder man zeigen möchte, dass man mit der Art der Bewertung nicht einverstanden ist, ein gutes Mittel. Für den Widerspruch gegen den Messbescheid habe ich aber nur einen Monat Zeit. Wenn ich bis 2025 warte, bis ich meine tatsächliche Rechnung bekomme, dann ist es definitiv zu spät, sich noch gegen diesen Wert zu wehren. Es ist aber leider so, dass eine Klage, nachdem man Widerspruch eingelegt hat, kostenpflichtig wäre. Man sollte den Bescheid zunächst genau prüfen, ob beispielsweise die Flächenagaben stimmen.
Nach unserer Erfahrung ist aber die Bewertungsmethode, die der Gesetzgeber vorgegeben hat, selbst häufig kritisch. Das Finanzamt hat dann den Standpunkt, dass dort alles so berechnet wurde, wie es der Gesetzgeber vorsieht. Man kann jetzt sagen, der Bodenrichtwert ist viel zu hoch. Der ist aber von den Gutachterausschüssen so ermittelt worden und im Gesetz steht, dass dieser Bodenrichtwert zu übernehmen ist.
Das zweite kritische Thema sind die Mietwerte, die angegeben sind. Das sind keine echten Werte sondern gesetzlich angenommene Durchschnittsmieten für das gesamte Land Brandenburg. Auch die kann das Finanzamt nicht beeinflussen. Wir als Verein Haus und Grund streben deshalb ein Musterverfahren gegen dieses Gesetz als solches an.
Auch der Bund der Steuerzahler bereitet eine Klage vor. Sollte ich das als Grundstücks- und Hausbesitzer im Auge behalten, um mich im Notfall darauf berufen zu können?
Der Bund der Steuerzahler und wir machen das gemeinsam. Wir gehen davon aus, dass dieses Bewertungsverfahren nicht rechtens sein kann. Wir haben bislang noch kein Aktenzeichen auf höherer Ebene, ein direktes Berufen darauf ist deshalb noch nicht möglich.
Bei einer Klage muss man außerdem überlegen, ob man dieses Kostenrisiko wirklich eingehen will. Wir haben ja ein Gesetz, das in Kraft ist und das die Finanzämter so anwenden. Einspruch ja, aber ein Klageverfahren sollte gut überlegt sein. Dann sollte auch fachlicher Rat eingeholt werden. Man muss nun warten, was bei der Musterklage herauskommt. Es ist eben keine Sammelklage, sondern wir führen das Verfahren gegen das Gesetz als solches.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Holger Kessler für Antenne Brandenburg. Diese Version ist eine gekürzte und redigierte Fassung, inhaltlich aber nicht verändert.
Sendung: Antenne Brandenburg, 29.11.2022, 14:40 Uhr