Sonntagabend bis Dienstagnacht - Bahn stellt wegen Warnstreiks den Schienenverkehr für 50 Stunden ein
Die Eisenbahngewerkschaft EVG hat zu einem 50-stündigen Warnstreik aufgerufen: von Sonntagabend bis Dienstagnacht. In Reaktion darauf hat die Bahn angekündigt, den Schienenverkehr ganz einzustellen. Betroffen ist auch die S-Bahn.
- Die Gewerkschaft EVG hat zu einem 50-stündigen Warnstreik aufgerufen
- Die Bahn will den Fernverkehr in diesem Zeitraum ganz einstellen
- Auch Regionalzüge, die Berliner S-Bahn und der Güterverkehr sollen betroffen sein
Die Deutsche Bahn stellt wegen eines Warnstreiks ab Sonntagabend den gesamten Fernverkehr für rund zwei Tage vollständig ein. Von Sonntagabend um 22.00 Uhr bis Dienstagnacht um 24.00 Uhr blieben sämtliche ICE- und IC-Züge in den Depots, teilte der Konzern am Donnerstag mit. Auch der Regional- und S-Bahn-Verkehr in Berlin und Brandenburg werde weitgehend zum Erliegen kommen, hieß es.
"Alle Fahrgäste, die ihre für den 14. bis 16. Mai geplante Reise aufgrund des Streiks der EVG verschieben möchten, können ihr bis einschließlich 11. Mai gebuchtes Ticket für den Fernverkehr ab sofort bis einschließlich Sonntagabend flexibel nutzen", teilte die Bahn weiter mit. Alle nötigen Informationen hat die Bahn auf ihrer Internetseite [bahn.de] veröffentlicht.
Zuvor hatte die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) im laufenden Tarifstreit mit der Deutschen Bahn in diesem Zeitraum einen flächendeckenden 50-stündigen Warnstreik im Fern-, Regional- und Güterverkehr angekündigt.
Erneut nicht betroffen vom Warnstreik sind hingegen die BVG sowie die Nahverkehrsbetriebe in Brandenburger Kommunen, weil hier separate Tarifverträge laufen. Von der BVG hieß es am Donnerstagmittag, man werde die maximal mögliche Zahl und Größe von Fahrzeugen auf die Straßen und Schienen bringen. Fahrgäste sollten sich trotzdem auf vollere Fahrzeuge und etwas längere Wartezeiten einstellen.
Auch auf private Verkehrsunternehmen dürfte der Warnstreik massive Auswirkungen haben. So meldet die Brandenburger Ostdeutsche Eisenbahn GmbH (Odeg), dass von Sonntag (14. Mai) 19 Uhr bis zum Dienstag (16. Mai) 24 Uhr der Zugverkehr auf allen 15 Linien eingestellt werden muss. Grund: Die Odeg nutzt die Infrastruktur der DB, die bestreikt wird.
Bahn spricht von "irrsinnigem Streik" und will reden
"Da sich an den Verhandlungstischen nur wenig bewegt, wird jetzt noch einmal gestreikt", teilte EVG-Tarifvorständin Cosima Ingenschay am Donnerstag mit. "Insgesamt streiken wir 50 Stunden und erhöhen damit den Druck deutlich, weil uns die Arbeitgeber keine andere Wahl lassen", hieß es von EVG-Verhandlungsführer Kristian Loroch.
Die Bahn übt scharfe Kritik an diesem neuerlichen Warnstreik. "Dieser irrsinnige Streik ist völlig grundlos und restlos überzogen. Denn eine Lösung ist möglich. Statt Kompromisse zu suchen, will die EVG unglaubliche 50 Stunden das Land lahmlegen. Das ist quasi ein Vollstreik ohne Urabstimmung. Millionen Reisende kommen nicht dahin, wo sie hinwollen, zur Schule, zur Arbeit, zu ihren Lieben", teilte Personalvorstand Martin Seiler mit. Zugleich signalisierte er Gesprächsbereitschaft. Man stehe bereit, auch am Wochenende, so Seiler.
Die Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg kritisierte den Warnstreik. "Der EVG-Streik trifft gerade die Hauptstadtregion mit ihren mehr als 300.000 Pendlerinnen und Pendlern übermäßig", teilte der Verband am Donnerstag mit.
Die Tarifverhandlungen im Bahnsektor laufen seit Ende Februar. Es ist der dritte bundesweite Warnstreik, zu dem die EVG seither aufruft. Im März legte sie gemeinsam mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi große Teile des öffentlichen Verkehrs inklusive der meisten Flughäfen für einen Tag lahm. Der zweite Ausstand beschränkte sich im April auf einen Zeitraum von acht Stunden, führte aber ebenfalls zu vielen Ausfällen vor allem im Fernverkehr. Auf den Autobahnen blieben befürchtete zusätzliche Staus jedoch aus.
Die Gewerkschaft will bei den Verhandlungen mindestens 650 Euro mehr im Monat für die Beschäftigten herausholen oder zwölf Prozent bei den oberen Einkommen, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die Deutsche Bahn will sich hingegen am Abschluss des öffentlichen Dienstes orientieren, der Ende April erzielt wurde.
Daran angelehnt hat der bundeseigene Konzern zunächst einen steuer- und abgabenfreien Inflationsausgleich in mehreren Stufen von insgesamt 2.850 Euro vorgeschlagen. Darüber hinaus sollen Löhne und Gehälter ab März 2024 stufenweise erhöht werden - um insgesamt zehn Prozent für die unteren und mittleren sowie um acht Prozent für die oberen Lohngruppen. Bei der DB arbeiten 180.000 der 230.000 Beschäftigten, für die die EVG aktuell verhandelt.
Ein entscheidender Knackpunkt bei den Verhandlungen war zuletzt der gesetzliche Mindestlohn: Rund 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten diesen aktuell bei der DB nur über Zulagen. Die EVG kritisiert vor allem, dass die Bahn in den Tarifverhandlungen keinen gesetzlichen Mindestlohn ohne Einschränkungen zusage, auf dem die dann erzielten Verhandlungsergebnisse aufbauen würden. Stattdessen würde die Bahn in den unteren Lohngruppen einen Deckel von 13 Euro ansetzen.
Dazu bemerkte Bahn-Personalvorstand Seiler am Donnerstag, am Dienstag sei die Deutsche Bahn auf die EVG zugegangen und habe die zentrale Forderung der Gewerkschaft zum Mindestlohn erfüllt. "Mitnichten hat die DB, wie die EVG behauptet, hier einen Deckel von 13 Euro vorgeschlagen; allein das vorliegende Angebot beläuft sich auf 13,20 Euro. Aber trotz erneuten Zugeständnissen will die EVG streiken", so Seiler.
Sendung: rbb24 Inforadio, 11.05.2023, 9:20 Uhr