"Boden unter den Füßen weggerissen" - Stellenabbau bei Trevira angekündigt - Gewerkschaft kritisiert Konzern scharf

Fr 27.09.24 | 15:39 Uhr
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Archivbild: Frau an Spulen im Trevira-Werk in Guben. (Quelle: imago images/Weisflog)
Audio: rbb24 Antenne Brandenburg | 27.09.2024 | Gewerkschaftssekretärin Reni Richter | Bild: imago images/Weisflog

Nach dem angekündigten großen Stellenabbau bei Indorama, ehemals Trevira in Guben (Spree-Neiße), erheben sowohl die zuständige Gewerkschaft als auch der Betriebsrat Anschuldigungen gegen den Mutterkonzern des Werks. Eigentlich hätten Tarifverhandlungen angestanden, vor denen sich der Konzern nun drücke, so der Vorwurf. Außerdem sei die Ankündigung des Stellenabbaus völlig überraschend gekommen.

Bis Mitte 2025 sollen laut Indorama rund 210 Arbeitsplätze abgebaut werden, überwiegend in der Gubener Produktion. Das kündigte das Unternehmen am Donnerstag an.

Es sei das schlimmste Szenario eingetreten und das völlig überraschend, sagte Betriebsratschefin Ramona Weiland dem rbb am Freitag. Die gesamte Spinnerei und Texturierung sollten nun geschlossen werden - das habe der Belegschaft "den Boden unter den Füßen weggerissen", so Weiland. "Es ist schade, dass uns der Eigentümer das Vertrauen nicht schenkt. Trevira ist ein bekannter Name", so Weiland weiter. "Die Hoffnung lag darauf, dass dieser Traditionsbetrieb erhalten wird."

Rund 100 Angestellte sollen bleiben können

Lediglich 111 Mitarbeiter, sagte Weiland am Freitag, sollten noch im Bereich der Polykondensation bleiben - also in dem Bereich der Produktion von nötigen Kunststoffen. Alle anderen, darunter jüngere und ältere Arbeitnehmer und sogar Ehepaare, müssten zum Juni 2025 das Unternehmen verlassen. Ab der kommenden Woche solle alles eingeleitet werden, um über den Sozialplan zu verhandeln. Auch eine Transfergesellschaft komme bei der Größenordnung der geplanten Entlassungen in Frage, sagte Weiland.

Auch die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) ist an dem Prozess beteiligt. Die ersten Schritte seien eingeleitet, sagte die Lausitzer Bezirksleiterin Reni Richter dem rbb am Freitag. Die Gewerkschaft warte nun auf Informationen vom Unternehmen, man sei bereits in Abstimmung mit einem Anwalt.

Richter warf dem Unternehmen, der Indorama Ventures Fibers Germany GmbH, vor, sich seit einem halben Jahr vor Tarifverhandlungen zu drücken. Der Geschäftsführer habe die Belegschaft hingehalten, so Richter. Mit den angekündigten Entlassungen sind nun Tatsachen geschaffen worden. Richter erklärte, man könne dabei durchaus Absicht unterstellen, um noch mehr Einsparungen vorzunehmen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 27.09.2024, 14:30 Uhr

7 Kommentare

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  1. 7.

    Bereits in den Nullerjahren war dem Management klar, dass Trevira aus der Substanz lebt. Man hatte das Trevira CS, ein Flammen hemmendes Polyester auf dem Markt, mit dem eine gute Marge erzielt werden konnte. Es war aber allen klar, dass das in den nächsten Jahren eine Commodity werden wird, etwas, dass jede Wald und Wiesen Firma günstiger herstellen kann. Es folgten Eigentümerwechsel aber keine neue Innovationen. Die Substanz ist aufgebraucht. Jetzt ist es einfach zu spät.

  2. 6.

    Der Lohn spielt in diesem Fall keine Rolle. Früher hieß es immer die niedrigen Löhne sichern die Arbeitsplätze nur um den Angestellten Angst zu machen.

  3. 5.

    So ist das leider. Deutschland wird als Produktionsstandort immer uninteressanter. Viel zu hohe Löhne und Lohnnebenkosten.

    Anstatt Jobs zu erhalten, wirken Gewerkschaften durch immer höhere Gehaltsforderungen auf Jobabbau hin.

    Um konkurrenzfähig zu bleiben, müssen einige Unternehmen auswandern.

    Letztlich werden sich auch die VW Mitarbeiter noch bitterböse umschauen.

  4. 4.

    Ehe sich die Gewerkschaften wieder aufregen, sollten vielleicht mal die Gründe für die Schließung erörtert werden. Sind es die Lohnkosten, die Sozialabgaben, die Steuern oder vielleicht die Energiepreise? Keine Firmen hat grundlos ein Interesse einen Standort zu schließen, denn auch dass ist mit Kosten verbunden.

  5. 3.

    Ja solange es keine bessere Form gibt und ich befürchte ohne einen neuen Menschentyp auch nicht möglich.
    Hier sollte man eher den Dank an unserem besten Wirtschaftsminister aller Zeiten, R. Habeck richten.

  6. 2.

    Als ob "inländische" Unternehmen alle tariftreu wären! Denken Sie nur an den allseits beliebten deutschen Vorzeigeunternehmer Wolfgang Grupp: seine Firma Trigema hatte auch nie einen Tarifvertrag. Und wie kommen Sie auf Fördermittel? Das ist schließlich ein alter Standort, keine Neuansiedlung. Bei großen Investitionen hätte es trotzdem Fördermittel geben können, aber die sind ja gerade unterblieben, weil die Konzernführung aus ihren Standorten das Letzte herauspressen will. Und wer ist "man"? Trevira gehörte zu Hoechst, einem deutschen Konzern, und ist schrittweise verkauft worden, erst an die indische Reliance, dann an Indorama. Sonst wäre wahrscheinlich schon früher Schluss gewesen, weil sie für Hoechst nicht profitabel genug war.

    Sie sehen: Mit "Inland" und "Ausland" hat das nichts zu tun, eher schon mit Kapitalismus. Aber den wollen Sie ja unbedingt behalten.

  7. 1.

    Vielleicht sollte man aufhören Unternehmen an ausländische Unternehmen zu verkaufen. Ich hoffe, da sind keine Fördergelder geflossen. Die Nachricht macht wütend und traurig.

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