Interview | Rainald Grebe - "Ich bin immer noch da und hoffe, dass ich das auch Ende Juli bin"
Seinen Federnschmuck will Rainald Grebe beim Konzert in der Waldbühne Ende Juli weglassen, auch gesundheitlich hat er Federn gelassen, sagt er dem rbb. Ein Gespräch über Hoffnung, Verantwortung und natürlich seinen Kulthit "Brandenburg".
Rbb: Rainald Grebe, Sie spielen am 29. Juli in der Waldbühne. Das letzte Mal sind sie dort zu ihrem 40. Geburtstag 2011 aufgetreten. Wer ist Rainald Grebe jetzt - zwölf Jahre später?
Rainald Grebe: Ein Schatten seiner selbst würde ich sagen. Ich bin älter. Ich bin leider krank geworden. Ich muss jetzt sehen, wie ich das irgendwie körperlich schaffe. Und es ist wahrscheinlich das letzte Mal. Also was soll ich sagen? Ich bin immer noch da und hoffe, dass ich das auch Ende Juli bin.
Sie haben Vaskulitis, eine seltene Autoimmunerkrankung, eine Entzündung von Blutgefäßen, die nicht heilbar ist.
Ja, ich habe eine Unterform dieser Krankheit, bei mir ist das Hirn betroffen. Die anderen Gefäße sind kerngesund. In meinem Hirn aber platzen die Dinger reihenweise, ich hatte schon elf Schlaganfälle und irgendwann zersetzt sich das da oben. Aber jetzt kann ich noch reden, so halbwegs jedenfalls. Der Schwindel, den ich jetzt eineinhalb Jahre hatte, ist interessanterweise seit drei Tagen weg. Dadurch kann ich wieder halbwegs gehen. Vorher bin ich getaumelt. Es sind noch Reste davon da, aber ich bin jetzt etwas besser zu Fuß.
Das Wissen, dass sie daran nichts ändern können und es nie mehr besser wird, ist unvorstellbar hart. Was macht das mit Ihnen?
Komischerweise bin ich seit einigen Wochen wieder ganz gut drauf. Vorher war ich sehr runter und dachte, das bringt doch alles nichts mehr. Denn alles wurde versucht – ohne Erfolg. Aber jetzt habe ich wieder angefangen, mich für schmale, zarte Pflanzen zu interessieren, Pflanzen, die man zu sich nimmt. Ich unterhalte mich auch mit anderen Patienten.
Ich bin jetzt wieder auf der Suche und eigentlich ganz hoffnungsfroh. Vielleicht.
Sie tragen auch eine Verantwortung. Sie haben eine Familie, ein Kind, muss man sich da nicht auch zusammenreißen?
Ja. Aber das lässt sich oft nicht ändern, oder? Bei mir war es so. Meine Tochter hat schon seit der Geburt fast alles mitbekommen. Dass ich manchmal im Krankenhaus bin, dass Papi manchmal aus einem Krankenwagen kommt. Das kennt sie alles. Und wenn meine Tochter dann dasteht, dann geht das alles schon.
Wie alt waren Sie, als Sie ihr Kind bekamen?
Uralt. 45.
So eine Frage nach dem Alter stellt wahrscheinlich nur eine Frau. Aus Bedauern – weil Männer immer können, aber wir Frauen nicht.
Na ja. Bei mir war das mit der Spermienfrage auch nicht so klar. Ich war starker Raucher und hatte ganz langsame Spermien, deshalb musste ich mit dem Rauchen aufhören und dann dauerte es. Ich dachte erst, da kommt nichts mehr, ich werde kinderlos sterben und hatte mich damit abgefunden. Aber wenn man plötzlich gesünder lebt, kann so etwas Schönes passieren.
Überschrieben ist der Waldbühnenabend mit "Halleluja Berlin", einer Textzeile aus ihrem Kulthit "Brandenburg". Es heißt, den würden Sie heute so nicht mehr so schreiben. Stimmt das?
Björn Höcke würde sagen: Ich bin falsch zitiert worden. Ich habe einfach ein Interview gegeben, und der Satz wurde dann als Schlagzeile herausgegriffen und alle dachten, ich hätte mich von dem Lied distanziert. Ich muss deshalb korrigieren: Ich distanziere mich nicht. Ich habe nur gesagt, dass ich das heute nicht mehr schreiben könnte.
Weil Sie mittlerweile selbst in Brandenburg leben und deshalb die Ironie fehlt?
Ja. Und weil ich ein bisschen älter geworden bin und weil ich die Leute da kenne. Weil ich jetzt selbst in der Fläche zuhause bin. Das Lied kam aus einem Nichtkennen, einer Distanz heraus und das hat sich geändert.
Auf den Plakaten zum Konzert tragen Sie ihren berühmten Häuptlings-Federschmuck. Das gilt seit kurzem als kulturelle Aneignung. Warum legen Sie den nicht ab?
Das Plakat ist wahrscheinlich ein bisschen verunglückt. Das ist kein Federschmuck wie früher, da sind Sprotten drin, der ist wie weggeföhnt. Autofahrer können das nicht erkennen, aber wenn man nah herangeht und ganz genau hinschaut, sieht man, dass der mir um die Ohren fliegt. Wegen der Diskussion gerade kann man das nicht mehr so machen. In Sachsen natürlich schon, da stehen sie drauf, aber hier in der Hauptstadt ist das kulturelle Aneignung. Ja.
Sie haben sich für den 29. Juli zur Unterstützung Gäste eingeladen?
Grebe: Ja, es kommen viele Leute, groß und klein. 85-jährige alte Turner sind dabei, ein Jagdhornblasensemble aus Köllnitz bei Storkow, der Chor der Charité, René Marik, Anna Mateur, Bodo Wartke und auch Stars wie Alligatoah oder Ritchie Blackmore, den habe ich auch angefragt.
Ritchie Blackmore, der Gitarrist von Deep Purple kommt?
Ach nein, Jürgen Blackmore. Der leibliche Sohn von Ritchie, so eine Art Reihe-Null-Unfall der 60er-Jahre. Der Jürgen sitzt jetzt noch auf seinem Balkon in Hamburg, aber macht seine Riffs dann für die Waldbühne klar. Wahrscheinlich.
Vielen Dank für das Gespräch.
Mit Rainald Grebe sprach Anja Caspary für rbb|24.
Sendung: rbb24 Inforadio, 15.07.2023, 18:15 Uhr