Konzertkritik | Beth Gibbons in der Uber Eats Music Hall - Mit nackten Füßen zu maximaler Melancholie
Mit ihrer Band Portishead hat die britische Sängerin Beth Gibbons Musikgeschichte geschrieben: Ihr Album "Dummy", das vor genau 30 Jahren erschienen ist, gilt bis heute als Meisterwerk des TripHop mit seinen verschleppten Beats und dem geheimnisvollem Gesang. Das hört man auch live. Von Simon Brauer
Ja, sie kann es noch. Beth Gibbons kann immer noch so toll und so traurig singen wie in den 90er Jahren mit ihrer Band Portishead. Beim Konzert in der Uber Eats Music Hall in Berlin-Friedrichshain ist vom ersten Ton an klar: Ihre Stimme hat noch immer diese einzigartige Anziehungskraft, das Geheimnisvolle, Würdevolle, manchmal Klagende - ein intensiv gelebtes Leben schwingt da mit, dabei ist Beth Gibbons grade mal 59 Jahre alt.
Von dunkelrot zu dunkelblau
"Lives Outgrown" - so heißt das neue Soloalbum von Beth Gibbons; das präsentiert sie eine gute Stunde lang bei ihrem einzigen Deutschlandkonzert, das schon seit Monaten ausverkauft ist. Mit der Sängerin auf der Bühne sind sieben Musikerinnen und Musiker, die meist nur schemenhaft zu erkennen sind. Denn die Bühne ist mal in dunkelrotes Licht getaucht, mal in dunkelblaues Licht, aber immer dunkel. Auch Beth Gibbons ist immer im Halbschatten, nie richtig zu erkennen, wie schon früher bei Portishead-Konzerten, mit beiden Händen auf den Mikroständer gestützt - der einzige Unterschied zu früher: Sie hält keine brennende Zigarette mehr in zwischen den Fingern.
Schemenhaft und wuchtig
Die Musik klingt mal wuchtig, vor allem wegen der beiden Trommler in der Band, mal zart und intim, wenn zur Akustikgitarre alle im Chor singen. Zwei Geigen spielen im einen Moment schwelgerische Melodien, dann wird wieder dissonant gesägt. Besonders beeindruckend: der Percussionist, der ständig wechselt zwischen Trommeln, Pauken, Vibrafon, Querflöte, Bassklarinette und singender Säge. Während des gesamten Konzerts sagt Gibbons kein Wort zum Berliner Publikum - auch das keine Überraschung, schließlich gilt sie seit Beginn ihrer Karriere als sehr schüchtern und gibt bis heute so gut wie keine Interviews.
Besonders bewegend wird es gegen Ende des Konzerts, als Beth Gibbons nach einer Stunde als erste Zugabe einen alten Song von Portishead spielt: "Roads" vom Debütalbum DUMMY. Das Publikum jubelt noch mehr als bisher, hier und da fließen Tränen der Rührung - und als nach dem Konzert das Licht auf der Bühne angeht, fängt auch Beth Gibbons an zu strahlen: Sie bricht ihr Schweigen, bedankt sich ausgiebig beim Berliner Publikum und wirkt so gelassen und fröhlich, wie man die Künstlerin nur extrem selten erlebt.
Große Stimme im Schlabberpulli
Nach nur 70 Minuten endet das Konzert, aber kaum einer geht unglücklich nach Hause. Dafür war es zu bewegend, zu überwältigend, zu schön. Außerdem konnten am Ende dank des Bühnenlichts alle das geheimnisvolle Outfit von Beth Gibbons sehen: schwarzer Schlabberpulli, graue Jeans und nackte Füße. Was für eine coole Frau, was für ein fantastisches Konzert.
Sendung: rbb24 Inforadio, 03.06.2024, 6:55 Uhr