Konzertkritik | Kerry King in Berlin - Gewitterbrettriffmassaker und alle Amps auf 11

Do 13.06.24 | 10:13 Uhr | Von Hendrik Schröder
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Archivbild:7.6.2024 Mark Osegueda singt beim Soloprojekt des ehemailgen Slayer Gitarristen Kerry King.(Quelle:imago images/Beautiful Sports)
Audio: rbb24 Inforadio | 13.06.2024 | Hendrik Schröder | Bild: imago images/Beautiful Sports

Die Metalband Slayer galt bis zu ihrer Auflösung 2019 als eine der einflussreichsten Bands ihres Genres. Jetzt hat Slayer Gitarrist Kerry King sein erstes Solo-Album veröffentlicht und es live in Berlin vorgestellt. Eine Art sympathisch-solides Slayer-light. Von Hendrik Schröder

Vorweg ein mal zur Einordnung: Slayer waren nicht eine von vielen Thrash Metal Bands, Slayer waren zusammen mit den frühen Metallica wahrscheinlich die Thrash Metal Band. Der Prototyp. Das Original. Umso erstaunlicher, dass sich für den ersten Berlin Auftritt des Slayer Gitarristen Kerry King kaum mehr als geschätzt 500 Fans ins Huxleys locken lassen. Und noch erstaunlicher, weil King's Solo Album "From hell I rise" aus dem Mai allgemein ganz gut angekommen ist.

Pommesgabel in the Air

Aber die, die gekommen sind, haben Lust. Es sind 90 Prozent Männer zwischen 40 und 60, wenig Jüngere, wenige Frauen. Ihre alten Slayer T-Shirts haben sie herausgeholt und zum Intro "Diabolo" recken sie ihre Hände wie Pommesgabeln gen Hallendecke (also mit anderen Worten: Sie machen dieses Teufelszeichen, kleiner Finger und Zeigefinger ausgestreckt, alle anderen angeklappt, ohne das kein Metal-Konzert auskommt). Zwei umgedrehte Kreuze blinken blurot auf der Bühne. Gegen jedwede Religion zu sein, ist eines von Kerry Kings Lieblingsthemen. In Texten, in Interviews. Er glaube nur was er sehe und niemand hätte ihm Gott je zeigen können, so ein Bonmot von ihm.

Dreschen und Prügeln

Nun, hören könnte er Gott bei dem nun losbrechenden kalkuliertem Inferno wohl auch kaum. Was für ein Brett. Was für ein Gewitter. Vor der Bühne bildet sich sofort ein kleiner Moshpit besonders gut gelaunter Metaller, die sich freudvoll grinsend mit Karacho anspringen und über den Haufen schubsen Und "hey, hey, hey" auf den Takt rufen. Kerry King's Genre heißt nicht umsonst "Thrash", wie dreschen, verprügeln. Was der Schlagzeuger an Double Bass Attacken fährt, ist anstrengender als jeder Baustellenjob. Und die Lautstärke könnte Häuser wackeln lassen. Alles ist derbe, brutal, hyperschnell. Musikalisch gesehen versteht sich. Im Publikum sind, wie so oft bei Metal-Konzerten, alle total nett.

Tätowierte Glatze, wurstähnlicher Bart

Eine schöne Allstar-Gruppe hat sich Kerry King da zusammengestellt, Bassist Kyle Sanders , Sänger Mark Osegueda, zweiter Gitarrist Phil Demmel, Schlagzeuger Paul Bostaph: alle aus anderen bekannten Metal Bands beziehungsweise von Slayer mitgenommen. Alle stehen sie da jetzt auf der Bühne ganz in schwarz, mit langen Haaren, alle schmeißen die Matten durch die Luft als wäre Wacken-Headbang-Contest.

Nur Kerry King selbst, der steht meist ein bisschen an der Seite. Mit seiner tätowierten Glatze, dem zu einer Art Wurst zusammengefriemelten Bart, der ihm fast bis zum Bauch reicht, den massigen Oberarmen, die seine feuerfarbene Flying V quälen und traktieren, ein derbes Riff, ein Solo nach dem anderen, das er aus dieser Soundattacke herausschindet. Dabei schaut er seine Mitmusiker kaum an, bleibt meistens für sich. Nur selten reckt er mal den Blick, visiert kurz den Schlagzeuger, bangt drei, vier mal mit dem Kopf, dann steht er wieder da und konzentriert sich auf sein Instrument. Bescheiden, unglamourös, aber auch seltsam abgewandt.

reihenweise Slayer Songs

Alle zwölf Stücke des Solo Albums spielt Kerry King an diesem Abend. Das ist bemerkenswert. Sänger Osegueda macht nur wenige kurze Ansagen darüber, wie "fucking viel Energie" er im Zuschauerraum spürt, wie abgefuckt Politik heutzutage sei (wobei er offen lässt, was genau er meint, so dass praktischerweise fast jede:r dazu jubeln kann) und wie fucking happy sie bisher mit ihren Deutschland Auftritten sind.

Ja, er scheint ein Lieblingswort zu haben. Sechs, sieben Slayer Nummern spielen sie auch. Natürlich auch deren Signature Song "raining blood". Das geht nicht ohne. Die Leute freuen sich auch wahnsinnig darüber. Und natürlich hat das alles nicht mehr ganz die Energie, die Gefährlichkeit von früher. Aber was soll Kerry King machen ohne Slayer? Eine Jazzplatte? In Rente gehen und Ü-Ei-Figuren sammeln? Zu früh, er ist erst 60.

Zwar werden Slayer in diesem Jahr, obwohl offiziell aufgelöst, drei Festivals in den USA spielen, aber eine echte Reunion scheint aus diversen Gründen unmöglich. Also macht Kerry King einfach weiter, was er kann: Metal. Solide, aufrecht, versiert. Und so lange ein paar hundert kommen, die genau das hören wollen und ihre Hände in die Luft strecken, ist doch alles gut.

Sendung: rbb24 Inforadio, 13.06.2024, 0 Uhr

Beitrag von Hendrik Schröder

1 Kommentar

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  1. 1.

    Slayer, insbesondere in der Urbesetzung mit Jeff Hanneman, richteten mit "Show No Mercy", "Hell Awaits" und der EP "Haunting the Chapel" Metal mit Trash völlig neu aus und ist im strengeren Sinne mit dem anderen, von Metallica parallel in den früheren 80-igern geprägten, Stil, dem Speed Metal, wie "Kill ’Em All" und "Ride the Lightning" eigentlich nicht vergleichbar.

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