Konzertkritik | Green Day in der Waldbühne - Punkrock als wäre wieder 2004
Die Punk-Band Green Day feiert in diesem Jahr gleich zwei wichtige Jubiläen mit einer Welttournee. Beim Konzert in der Berliner Waldbühne am Montag drehten die Kalifornier für einen Abend die Zeit zurück. Von Lennart Garbes
Das Wetter will erstmal nicht mitspielen. Gerade als Green Day die Bühne betreten, entscheidet sich der Himmel über Berlin, dass es statt ein paar Tropfen doch eher ein nieselregnerischer Montagabend werden soll. Umso mehr legen sich die drei Bandmitglieder aus Kalifornien zum Start ins Zeug, um allen so richtig einzuheizen.
Gleich im ersten Song ist eigentlich schon alles drin, was Green Day ausmacht: gut gelaunter Punkrock, gepaart mit sozialkritischen Texten. In "The American Dream Is Killing Me" vom diesjährigen, neuen Album singt Frontmann Billie Joe Armstrong - im schwarzen Hemd mit roter Krawatte, blondierten Haaren und deutlich weniger Kajal als früher – gegen Verschwörungstheorien und Obdachlosigkeit in den USA. Dazu gibt es eine Lightshow, die an die glamourösen Lichter in Las Vegas erinnert, aber in fünffacher Geschwindigkeit und ergänzt durch Feuerstöße aus mindestens fünf in der Bühne integrierten Flammenwerfern.
Mit mordsmäßigem Tempo durch 30 Jahre Bandgeschichte
Das alles sorgt dafür, dass das leicht durchnässte Berliner Publikum am Anfang etwas überwältigt wirkt, während Sänger Armstrong zusammen mit Drummer Tré Cool und Bassist Mike Dirnt in einem mordsmäßigen Tempo einen Song nach dem anderen abfeuert. Die meisten kommen von "Dookie" - dem Album, mit dem die drei Punkrocker vor 30 Jahren groß rausgekommen sind.
Während sich das Moshpit der Hardcore-Fans direkt vor der Bühne fröhlich durch jedes Lied schubst, will die routinierte Energie der Band in der ersten Hälfte des Konzerts noch nicht so richtig auf die ausverkauften Ränge der Waldbühne überschwappen. Die "Lets Go Crazys" und "Eyos" von Armstrong kommen so selbstverständlich daher, dass am Ende ein anderer, guter alter Konzerttrick zum großen Dosenöffner des Abends wird. Für "Know your Enemy" holt sich der Sänger einen jungen Fan auf die Bühne, der nach einer gar nicht enden wollenden Umarmung mit dem Green-Day-Frontmann völlig euphorisiert eine Strophe ins Mikrofon jubeln darf, bevor er per Stagedive von der Bühne zurück ins Publikum hüpft.
Zwei ganze Alben an einem Abend
Danach kocht auch auf den Rängen die Stimmung, auf denen neben Nietengürteln und bestickten Jeanswesten auch viele Funktionsjacken zu sehen sind. Dabei stecken in allen Kleidungsstücken größtenteils Menschen, die auch das Jahr 2004 schon sehr bewusst miterlebt haben und damit auch das zweite große Jubiläum, das Green Day mit der aktuellen Tour feiert.
Nachdem in der ersten Stunde des Konzerts alle Lieder von "Dookie" gespielt wurden, ist in der zweiten Hälfte des Konzerts "American Idiot" an der Reihe. Auch von ihrem großen Punk-Pop-Konzeptalbum spielen Green Day jeden Song, diesmal sogar fast in der Reihenfolge des Albums. Dafür kommen extra drei weitere Musiker mit auf die Bühne. Und es ist absolut erstaunlich, wie gut die 20 Jahre alten Hymnen auch heute noch funktionieren.
"American Idiot", "Holiday / Boulevard of Broken Dreams" und "Wake Me up When September Ends" klingen nicht ausgelutscht, sondern genauso catchy wie 2004. Die größten Green-Day-Hits scheinen einfach alles überstehen zu können – ein Dasein als ewige Ohrwürmer, George W. Bush und Donald Trump, und schlechtes Berliner Sommerwetter sowieso.
Sendung: rbb24 Inforadio, 11.06.2024, 8:50 Uhr