Konzertkritik | Pet Shop Boys - Umjubeltes Heimspiel für die Teilzeit-Berliner

So 07.07.24 | 10:16 Uhr
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Pet Shop Boys (Foto: Phil Fisk)
Audio: rbb24 Inforadio | 07.07.2024 | Simon Brauer | Bild: Phil Fisk

Der eine singt und ist freundlich, der andere verzieht keine Miene und drückt nur auf seine Keyboardtasten: Seit über 40 Jahren das Erfolgsrezept der Pet Shop Boys. Seine größten Hits hat das ungleiche Popduo am Samstag live in Berlin präsentiert. Von Simon Brauer

Sie haben nicht nur einen Koffer in Berlin, die Pet Shop Boys haben gleich eine ganze Wohnung in der Hauptstadt: Seit vielen Jahren ist Berlin der Zweitwohnsitz für das erfolgreiche Elektropop-Duo aus London. Viel zuhause sind die Pet Shop Boys momentan aber nicht, denn sie sind auf Greatest-Hits-Tour in ganz Europa unterwegs. Am Samstag stand Berlin auf dem Tourplan, eine Art Heimspiel in der nicht ganz ausverkauften Uber Arena in Berlin-Friedrichshain.

Party statt Sitzkonzert

Die Stühle im Innenraum hätte sich der Veranstalter sparen können: Denn ein Konzert der Pet Shop Boys kann alles Mögliche sein, aber auf keinen Fall ein Sitzkonzert. Mit dem ersten Ton von der Bühne springt das gesamte Publikum auf, fängt an zu tanzen und hört nicht wieder auf. Neil Tennant und Chris Lowe stehen zu Beginn nur zu zweit auf der Bühne, beide versteckt hinter rechteckigen Robotermasken. Damit sehen die beiden aus, als kämen sie direkt aus einem Computerspiel. Aber nach dem zweiten Song nimmt zumindest Sänger Neil Tennant seine Maske ab, wird von der Maschine zum Mensch, strahlt ins Berliner Publikum und sagt in fehlerfreiem Deutsch: "Guten Abend, Berlin! Wir sind die Pet Shop Boys!"

Das Duo spielt einen Hit nach dem anderen, "Suburbia" und "Always on My Mind" aus den 80ern, dann der "New York City Boy" und "Go West" aus den 90ern. Wobei "Go West" mit Ausschnitten aus alten Dokumentarfilmen als das gefeiert wird, was es tatsächlich ist: eine Hymne der Schwulen- und Lesbenbewegung. Passend dazu haben sich auch die Videoanimationen und das Bühnenlicht vom simplen Schwarz-Weiß in Knallbunt verwandelt.

Starke Songs mit schwachem Sound

Nach einer halben Stunde hebt sich die Videoleinwand wie ein Vorhang in Richtung Hallendecke und jetzt alle können sehen, dass die ganzen Discobeats und Sythnie-Streicher nicht nur aus Chris Lowes Keyboard kommen und seinem Computer, hinter dem er sich ziemlich erfolgreich versteckt, sondern auch von einer dreiköpfigen Live-Band: von zwei Trommlern und einer Keyboarderin. Wenn die drei dann auch noch mitsingen, klingt gleich alles deutlich kraftvoller, denn leider ist der Gesang von Neil Tennant an diesem Abend viel zu leise in der Uber Arena. Auch seine Geschichten, die er zu einzelnen Songs erzählt, sind nur schwer zu verstehen.

Feierwütiges Publikum

Zwei Stunden dauert das Greatest-Hits-Konzert der Pet Shop Boys - und es sind wirklich alle Hits dabei von den 80ern bis heute, "West End Girls", "It’s A Sin" und viele mehr. Dabei schafft es die Band, auch diese alten Songs knackig und modern klingen zu lassen. Das Ganze in Verbindung mit beeindruckenden Videoanimationen, den charmanten Ansagen von Neil Tennant und einem feierwütigen Berliner Publikum - so können die Pet Shop Boys auch noch nach 40 Jahren allen zeigen, wie richtig gute Popmusik richtig gut funktioniert.

Sendung: rbb24 Inforadio, 08.07.2024

6 Kommentare

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  1. 6.

    Warum denn nicht ? Was spricht dagegen, wenn sie ihre Fans haben und Aufreten wollen, spricht doch nichts dagegen. PSB war zwar nie meine Lieblingsband, sei es ihnen aber gegönnt, richtig nötig hätten sie es bestimmt nicht. Sie sind ja nicht die Einzigen, die über Jahrzehnte Hits haben und hatten und weiter auftreten, sogar zu Abba wird gereist, obwohl die ja noch nicht mal mehr "in Echt" auftreten...

  2. 5.

    Der Sound war am Anfang sehr gut. Mit zunehmender Dauer und vor allem Lautstärke wurde der Sound tatsächlich schlechter. Neil's Gesang drang am Ende fast nicht mehr durch... trotzdem eine tolle Party. Die Lichteffekte waren sehr gut gemacht, teilweise dezent und nicht zu aufdringlich. Sehr professionelle Show. Dem Publikum hat's bestens gefallen.

  3. 4.

    Der Titel der Tour "Greatest Hits" sagt eigentlich alles: Retorten-Party.

  4. 3.

    Was, die beiden gibts immer noch? Ich finde es erstaunlich, dass man mit Konservenpopgedudel so lange so erfolgreich sein kann.

  5. 2.

    Lieber Autor,

    abgesehen dass ein unvergesslicher Abend war, ist das mit dem Sound alles persönliche Ansichtssache. Von wo haben Sie denn das Konzert wahrgenommen? Ich persönlich konnte mich nicht beklagen.

  6. 1.

    In der Tat war der einzige Schwachpunkt an diesem Abend der breiige und schlechte Sound, zumal 80 % der Musik (trotz 'Live' Band) aus dem Computer stammen.
    Immerhin haben es die beiden geschafft, die sterile Atmosphäre dieser furchtbaren 'Multifunktions-Arena' aufzubrechen und eine tolle Party-Stimmung zu erzeugen.
    Die beiden sind und bleiben Stil-Ikonen und Aktivisten, allerdings ohne 'erhobenen Zeigefinger' wie Bono & Co.
    Auch nach über 40 Jahren.

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