Das Survivors home in Wilmersdorf - Angebote sollen Patienten nach der Krebsdiagnose helfen

So 06.11.22 | 08:03 Uhr | Von Marek Walde
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Klingelschild des "Survivors Home", Anlaufpunkt für Krebskranke und Angehörige, der nicht klinisch-steril ist und vor allem die Psyche und das Wohlbefinden in den Fokus rückt. (Quelle: dpa/Jörg Carstensen)
Bild: dpa/Jörg Carstensen

Wird eine Krebsdiagnose gestellt, bekommen die Patienten meist umfassende Behandlungsangebote. Allerdings brauchen die Betroffenen eben nicht nur medizinische Hilfe. Wichtig sind Kontakte, ist der Austausch und Aufklärung. Von Marek Walde

Die Krebsdiagnose ist oft sehr hart und trifft die Betroffenen unvorbereitet. Nicht selten kommt es vor, dass Patienten nach der Diagnose einfach nach Hause geschickt werden und nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. Wer den Kampf gegen den Krebs aufnehmen muss, dem fehlt es in den meisten Fällen nicht an medizinischen Hilfsangeboten. Doch die seelische Betreuung ist dabei in vielen Fällen nicht enthalten. Um die Lücke zu füllen, gibt es das Survivors Home [externer Link] in Wilmersdorf.

Zwei Paten für das Thema "Männergesundheit"

Seit Mai gibt es das Angebot. Über 200 Veranstaltungen sollen hier im Jahr stattfinden. Vom Kochkurs, über ein Nähatelier und den Sportworkshop, bis zur Berufsberatung ist vieles mit dabei. Auch medizinische Vorträge und Präventionsveranstaltungen finden statt. Doch wer jetzt an eine Power-Point-Präsentation und eine anschließende Fragerunde denkt, liegt falsch. Beim "Männerabend – Tabulos unter der Gürtellinie" geht es um das Thema Prostata Krebs. Ein Tumor, der bei rechtzeitigem Entdecken ähnliche Heilungschancen hat, wie Brustkrebs. Doch Männer gehen viel weniger zu Vorsorgeuntersuchungen, entsprechend wird der Krebs seltener entdeckt.

Der Männerabend erinnert fast ein bisschen an eine TV-Show inklusive der Promis. Die ehemaligen Handballnationalspieler Michael und Uli Roth sind gekommen. Beide haben den Krebs erfolgreich besiegt und sind jetzt Paten für das Thema Männergesundheit. In der Mitte des Raumes sind zwei Sofas aufgebaut, rund herum sitzt das Publikum. Die Zwillingsbrüder berichten über ihre Erkrankung und rufen dazu auf, regelmäßig zu Vorsorgeuntersuchungen zu gehen.

Aufklärung als neue Lebensaufgabe

Uli Roth hatte seinen wenige Minuten älteren Bruder vor einigen Jahren erstmals zur Vorsorge überzeugt: "Ich hatte ihn damals zu einer Magen-Darm-Krebs-Vorsorge geschickt und dabei kam Prostata-Krebs raus. Und ich war dann der zweite hinten dran und als eineiiger Zwilling, genetisch bedingt, (…) wusste ich, dass ich es auch kriegen werde." Schon als Kinder hatten sie viele Erkrankungen kurz nacheinander. Sie beschlossen, ihre sportliche Bekanntheit zu nutzen, um für das Thema Männergesundheit zu werben. "Das ist unsere zweite Lebensaufgabe geworden, erklärt Michael Roth.

Der Abend findet in lockerer Runde statt. Die Stimmung wirkt gelöst, immer wieder wird gelacht. Mit den Zwillingen sitzt auch Krebs-Experte Tobias Klatte von der Charité mit auf dem Sofa. Der Raum ist gut gefüllt, rund 30 Personen sind gekommen.

Für den Mediziner war der Austausch an diesem Abend genau der, den man braucht. "Es ist immer wieder schön, darüber zu reden und auch das Gefühl zu haben, dass man damit was bewirkt“, sagt Klatte. Er bestärkt den Handballprofi in seinem Engagement, unterstreicht die Notwendigkeit solcher Angebote und fordert mehr davon und möglichst in jedem Berliner Bezirk: "Es ist ganz toll, was die hier auf die Beine stellen, das ist genau das, was Krebspatientinnen und Patienten brauchen." Die Patienten würden vor allem Anlaufstellen brauchen, wo sie in ungestörter Atmosphäre sich austauschen und Beratungen bekommen könnten.

Spende einer Berlinerin macht das Angebot möglich

Das Angebot in Wilmersdorf ist durch die Spende der Berlinerin Kristina Hahn möglich geworden. Auch sie hatte viele Jahre Krebs, bis sie den Kampf 2020 verlor. Sie besaß ein großes Haus in Wilmersdorf, welches sie ihrem Freund Stephan Pregizer mit den Worten vermachte: "Mach etwas sinnvolles daraus!“

"Ich freue mich, wenn Menschen in zwei oder drei Jahren sagen: Ich war damals am tiefsten Punkt meines Lebens und durch die Aktivitäten, die ich hier erleben durfte und konnte, hab ich wieder Kraft gefunden", so Pregizer.

Bis zu 6.000 Menschen erwarten die Aktivisten jedes Jahr. Viele Veranstaltungen finden analog und Digital statt. So wurde der Männerabend beispielsweise live im Internet gestreamt und ist so auch nachträglich abrufbar.

Stefan Pregitzer (mitte) und Nadja Will (re.) bei Ladies Talk auf der Couch mit einer weitern Teilnehmerin im Gespräch.
Bild: rbb

Wechselnde Schwerpunkte der Gespräche beim Ladies Talk

Auch für Frauen gibt es Veranstaltungen der besonderen Art. So eine ist der Ladies-Talk. Dieser ist rund alle vier Wochen und hat immer andere Schwerpunkte. Moderatorin Nadja Will hat selbst den Brustkrebs erfolgreich bekämpft und möchte jetzt anderen Frauen Mut machen. Das Motto lautet gemeinsam statt einsam: "Und deshalb ist der Ladies Talk entstanden. Denn das war meine Vision: Hey, 'Selbsthilfegruppe' heißt: im Kreis sitzen. Der Ladies Talk ist eine Therapieauszeit und findet mit Bedacht an Orten statt, wo wir nicht mit Warten die Zeit überbrücken müssen, sondern wo wir leben."

Das Survivors Home ist für sie ein solcher Ort. Zuerst gibt es einen fachmedizinischen Impuls, dann beginnen drei Workshops. Gekommen sind diesmal eine Kosmetikerin, es gibt Kleider zum Anprobieren und bei der Perückenanprobe stehen die Haare im Mittelpunkt. Die Frauen sollen sich von außen und von innen wohl fühlen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Frauen an Brustkrebs leiden, oder gegen einen anderen Tumor kämpfen.

Ermutigt durch Ladies-Talk

Zum vergangenen Ladies-Talk ist auch Rentnerin Heidrun gekommen. Bereits seit vielen Jahren hat sie Brustkrebs. Ihr Tumor wächst nicht, sie hat gelernt, mit dem Krebs zu leben. Doch getraut darüber zu reden, hat sie sich lange nicht: "Es hat mein Lebenspartner gewusst und zwei Freunde, die haben es gewusst und sonst keiner." Und auch heute würden es nur sehr wenige wissen.

Erst Ladies-Talk-Initiatorin Nadja Will habe sie ermutigt, ihre Geschichte öffentlich zu machen. "Ich möchte so gerne meinen so erfolgreichen Weg weitergehen.“ Moderatorin Nadja Will ist von diesen Worten sichtlich gerührt: "Genau das ist das Geschenk. Ich weiß, hier in diesem Raum sind Menschen, die mehr als schwer krank sind. Und auch da kommen mir die Tränen. Aber Fakt ist, in dem Moment auch einfach zu bleiben und da zu sein."

Erst zögert Heidrun, doch dann ist sie bei der Perückenanprobe kaum zu bremsen. "Erst hab‘ ich gesagt: 'Ich will nicht.' Und jetzt renn ich von Perücke zu Perücke." Sie lacht und läuft schnellen Schrittes zum Spiegel. Worauf kommt es ihr an? "Alles was mir gut tut, was auf mein Herz zukommt, das ist es doch, was Spaß ist und dieser Spaß ist so wichtig für uns."

Hinweis: Die Veranstaltungen im Survivors Home sind kostenlos, oftmals wird um eine vorherige Anmeldung über die Website gebeten.

Beitrag von Marek Walde

4 Kommentare

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  1. 4.

    gute Idee.................

  2. 3.

    Die Diagnose zieht einem die Füße weg…..unbeschreiblich. Aber in erster Linie will man Gespräche mit der Familie, Freunden. Meine Erfahrung…viele ziehen sich zurück, das Thema ist tabu..angstbehaftet. In zweiter und dritter Linie ist die gebotene Anlaufstelle extrem wichtig. Meine Erfahrung: offen mit der Erkrankung umgehen! Nicht einfach,. Man sieht aber auch, wer „Freund“ ist. Auf alle Fälle ist ein offenes Gespräch sehr hilfreich..der Austausch mit anderen..

  3. 2.

    Ein schöner Bericht. Es ist so wahnsinnig wichtig, dass man sich in dieser schweren Zeit mit anderen austauschen kann, speziell mit Menschen, die ebenfalls davon betroffen sind.

  4. 1.

    Ein wunderbarer Ort, ein wunderschöner Bericht. Vielen Dank!

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