Familienstress an den Feiertagen - "In welchen Hobbykeller soll ich meinen Vater jetzt schicken?"

Sa 24.12.22 | 07:04 Uhr | Von Wiebke Keuneke
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Ein beleuchteter Weihnachtsbaum steht am 24.12.2016 in einem Wohnzimmer mit Fanilie im Hintergrund gemütlich auf dem Sofa sitzend. (Quelle: imago images)
Bild: imago images

Als Wiebke Keuneke ihre Eltern zu Weihnachten einlädt, denkt sie noch, das wäre eine tolle Idee. Nun fragt sie sich, wie sechs Personen in drei Zimmern das überstehen können. Es wird wohl heiß hergehen - und vor allem deshalb besonders schön.

Wir feiern Weihnachten dieses Jahr also bei uns. Statt zu meinen Eltern in die niedersächsische Provinz zu fahren, kommen Oma und Opa zu uns nach Kreuzberg.

Statt mit einem 4- und einem 7-Jährigen stundenlang im Auto zu sitzen, werden wir Besuch von zwei 70-Jährigen bekommen. Als ich das vor ein paar Monaten vorgeschlagen hatte, war ich begeistert. Jetzt beginnt mich die Panik zu beschleichen. Statt im Einfamilienhaus mit Garten und - in dieser Zeit besonders wichtig - einem Kamin Weihnachten zu feiern, werden wir bei uns in Berlin sein. Drei Zimmer-Küche-Bad, ohne Aufzug, im vierten Stock.

"Wir. Schaffen. Das!"

"Du wolltest es doch so", erinnert mich in diesen Tagen mein sieben Jahre jüngerer Bruder, der schon vor Wochen angekündigt hatte, dieses Jahr zu Weihnachten mit seiner Frau und den drei Kindern im jüngst gekauften Haus in Mecklenburg-Vorpommern zu bleiben. "Was würde man nur ohne seine weisen Geschwister machen?", grummele ich - und sage, mich selbst beschwichtigend ins Telefon: "Jaha. Wir. Schaffen. Das!"

Die sich auf magische Weise verlängernde "to do"-Liste habe ich inzwischen einigermaßen unter Kontrolle gebracht. Ich meine, niemand schafft es ja alles abzuhaken, oder? Die Geschenke sind also besorgt, der Baum steht, der Mann kümmert sich um die Verpflegung. Und ich?

Angst vor der Explosion der Befindlichkeiten

Ich versuche der Angst vor einer Explosion der Befindlichkeiten mit generalstabsmäßiger Planung entgegenzuwirken. Kurz überlege ich, einen Stundenplan für die Weihnachtstage auszudrucken. Doch diese Uncoolness wäre mir vor mir selbst peinlich.

Was stresst mich denn so? Bei den "großen Themen" sind wir uns alle einig. Darüber bin ich sehr dankbar. Aber natürlich gibt es auch in unserer Familie "Interna", Foppereien, die bei zu wenig Sauerstoffzufuhr gepaart mit Platzmangel zum Kollaps führen können.

Ablongieren

Elternjagon für "die Kinder in den Garten schicken"

Sechs Menschen im Alter von 4 bis 70 Jahren haben immerhin unterschiedliche Bedürfnisse. Die Jungs spielen zwar die ersten Stunden nach dem Aufstehen schön zusammen, aber dann kommt der Punkt - und der Punkt kommt dann oft sehr plötzlich - an dem sie sich draußen austoben müssen. Total verständlich.

Bei meinen Eltern würde ich dann die Terrassentür öffnen. Egal wie kalt es ist, die Kleinen würden laut johlend rauslaufen. "Ablongieren" ist dafür der Fachbegriff im Elternjargon. Wir Großen würden derweil die nächste Tasse Kaffee trinken, uns faul zurücklehnen und die Jungs durchs Fenster beobachten. So wie es sich eben gehört, wenigstens ab und an mal. Hier in Berlin aber muss jemand mit den Kindern die Treppen runter und in den nächsten Park gehen. Wir machen das mehrmals am Tag, sieben Tage die Woche. Und wir werden das wohl auch an Weihnachten machen - wenn Oma und Opa zu Besuch kommen.

"Ja, Zähne müssen auch an Weihnachten geputzt werden! Nein, da gibt es keine Widerrede!"

Meine Mutter ist eine Großmutter, wie sie im Buche steht. Eine, die backt, bastelt, vorliest, immer Gummibärchen parat hat und Dinge erlaubt, die in meiner Kindheit undenkbar gewesen wären. Oma Jutta halt. Die Beste. Aber bei zu viel Bewegung hört der Spaß für sie auf.

Und mein Vater? Ein toller Typ und grandioser Großvater. Einer, der tobt, werkelt, wandert, erklärt und Quatsch macht. Opa Harry halt. Der Beste. Doch auch ihm wird es manchmal zu viel, wenn die alltäglichen kleinen Dramen mit den Kindern aufkommen.

"Ja, Zähne müssen auch an Weihnachten geputzt werden! Nein, da gibt es keine Widerrede!" In seinem Haus in Niedersachsen würde mein Vater sich dann kurz in seinen Hobbykeller zurückziehen und an etwas sägen, hämmern, schleifen, feilen, bohren oder leimen. Etwas Wichtiges natürlich. Aber wohin soll er sich jetzt an Weihnachten hier in unserer Drei-Zimmer-Küche-Bad-Wohnung zurückziehen? Nicht, dass es bei uns in Berlin nichts zu reparieren gäbe. Aber soll ich ihm etwa die Nummer von Frau Giffey geben?

Und trotzdem: Am Ende dieses Jahres merke ich, so warm wie rund um die Weihnachtstage war es seit langem nicht in unserer Wohnung. Der Grund dafür? Viele Menschen auf kleinem Raum. Das lässt die berühmte Reibung entstehen, die Wärme erzeugt. Oder ist es doch die Liebe, die die Wärme bringt? Natürlich ist es die Liebe. Es ist ja schließlich Weihnachten.

Sendung: rbb24 Inforadio, 24.12.22, 10:40 Uhr

Beitrag von Wiebke Keuneke

26 Kommentare

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  1. 26.

    Man ey sind die Kommentare alle saudumm. Frohe Weihnachten und chillt mal alle.

  2. 24.

    Was hat das eine jetzt mit dem anderen zu tun? Es ist nicht mal das gleiche Fest. Abgesehen davon regt sich doch keiner hier darüber auf, wie die Autorin mit ihrer Familie lebt, sondern nur über das Mimimi, wie hart es ist, mal ein paar Tage Besuch zu haben und sich einschränken zu müssen, anstatt sich einfach mal zu freuen, dass die Eltern noch fit genug dafür sind.
    In der Schule würde es über Ihren Kommentar übrigens heißen: Thema verfehlt.

  3. 23.

    Da regen sich die Leute auf, dass die Autorin mit einer 4 köpfigen Familie in einer 3 Zimmer Wohnung wohnt , als ob das schierer Luxus wäre. Und 1100 Polizeikräfte, um die Böllerei in Schach zu halten und x Feuerwehr Einsätze, Notdienste und Krankenhausbehandlungen wegen des Knallerschwachsinns-- das ist kein Luxus?

  4. 22.

    Die Sorgen bleiben. Wer nicht mehr nur die Wahl hat zwischen kleiner 2-Zimmer-Wohnung hier und ebensolcher 500 km weiter, kann sich trotz zweier Häuser mit Garten auch Stress machen. Die Moral von der Geschicht: mit mehr Geld wachsen die Kinder wohl gesünder auf,aber die Eltern werden nicht unbedingt zufriedener.

  5. 21.

    Ich finde es eher verroht, wenn Menschen scheinbar ein Problem damit haben, drei Tage die Eltern zu Besuch zu haben und es noch erwähnenswert finden, dass die Kinder täglich an die frische Luft gebracht werden müssen. Beides sind für mich solche Selbstverständlichkeiten, dass ich über diesen Artikel wirklich nur den Kopf schütteln kann.

  6. 20.

    Wat fürn Gejammer!
    Hauptsache die Autorin longiert nicht ihre Pferde "ab". Daher kommt dieser Begriff nämlich, ist kein Elternding. Furchtbare Sitte ohne Verstand unter Reitern mit wenig Kenntnis zum Konstrukt Pferd.
    Luxusprobleme. Warum nicht nach Niedersachsen? Bin immer froh, wenn man als Berliner zur Weihnachtszeit die Stadt ein wenig für sich hat und es in Kreuzberg, Prenzlberg & Co. freie Parkplätze jibt.

    Nichtsdestotrotz wünsche ich, weil es ja das "Fest der Liebe" ist, der Autorin eine entspannte Weihnachtszeit ohne größere Konflikte.

  7. 19.

    Ääääh, dann fänden alle Nörgler den Artikel super, wenn er nur von einer zum Beispiel in Hannover in einer Drei-Zimmer-Wohnung lebenden Frau geschrieben worden wäre, und Eltern und Bruder irgendwo in Ostfriesland oder dem Harz? Also, wenn es schon soweit gekommen ist, dass Gedanken zur Weihnachtszeit solche Gefühle bei Ur-Berlinern auslösen, dann man gute Nacht....

  8. 18.

    Kenne ich auch noch. Wie war es schön, wenn dann Oma und Opa kamen und es kleine Geschenke gab. Toleranz und Respekt den "Altvorderen" gegenüber half, in dieser beengten Situation freundlich und friedlich zu bleiben. Uns stünde ein wenig Demut gut zu Gesicht. Es muss immer mehr und mehr sein. Das finde ich sehr schade.

  9. 17.

    Wohlstandsgeschwätz. Man sollte mal Menschen zu Wort kommen lassen, die nicht wissen, wie das Geld für Strom, Heizung und Lebensmittel bis zum Monatsende reichen soll und die dieses Jahr auf das große Weihnachtsessen und Geschenke verzichten. Und man sollte mal an die Menschen in Kriegs- und Krisengebieten denken.

  10. 16.

    Na ja, ick kann die negativen Kommentare schon etwas verstehen, obwohl ich den Artikel auch schön geschrieben finde. Aber man hört eben schon raus, dass es da um mindestens eine Zugezogene Person geht und bei dem Thema wird eben so manchem ("vertriebenen" bzw. "von Zuzüglern nicht verstandenen") Urberliner verständlicherweise schlecht.
    Trotzdem ALLEN n frohet Fest und nächstes Jahr fahrt doch zu Weihnachten wieder inne Heimat-dann ist es wieder mal besinnlich ruhig und harmonisch in Berlin

  11. 15.

    Wie schön, an so einem Tag wie heute auch mal so einen schönen und liebevoll geschriebenen Text zu lesen. Danke und frohe Weihnachten!

  12. 14.

    Super geschrieben und wohl dem der einen "Opa Harry" hat. "Oma Jutta" mussten wir dagegen immer "festbinden".
    Danke dafür und Frohe Weihnachten.

  13. 13.

    Unmöglich, ohne Worte!

  14. 12.

    Alles sehr stimmig an Ihren schönen Beitrag. Ich wohnte eine Zeitlang als Kind in einer Zwei Zimmer Kellerwohnung. Nur die Wohnküche wurde beheizt. Zum Plumpsklo ging es dann schon mal mit Kerze raus ins dunkle. Oma legte mir im Winter einen heißen mit Zeitungspapier eingewickelten Ziegelstein unter die Bettdecke. Aber zu Weihnacht erstrahlte der Christbaum mit noch echten Kerzen die Küche. Schön war’s.

  15. 11.

    Vielen Dank für Ihren vernünftigen Kommentar! Ich dachte eben auch, was für fiese Sprüche hier mal wieder kommen, es ist einfach nur noch traurig, wie verbittert und verroht viele Leute inzwischen sind. Da wird nur noch herum geätzt, wo immer es geht. Schlimm.

  16. 10.

    Für Sie war es vermutlich sehr kalt, es hört sich für mich nach Geborgenheit an. Mir wurde jedenfalls beim Lesen warm ums Herz. Danke

  17. 9.

    Welch ein netter, mit einem Augenzwinkern geschriebener Text -
    und welch missgünstige und miesepetrige Kommentare... kann man sich nicht einfach mal freuen? Genauso ist es doch in den meisten Familien und von Panikartikel kann nun wirklich keine Rede sein.
    In diesem Sinne: frohe Festtage für alle, wie auch immer Sie diese begehen!

  18. 8.

    Vielen Dank für den Einblick in diese wundervoll saturierte Parallelwelt! (Haus in Niedersachsen, Haus in MVP, Hobbykeller, etc.)
    Schön zu wissen, was für Texte so alles mit GEZ Gebühren finanziert werden können.
    Frohe Weihnachten und und eine schadsrofffreien Rutsch !

  19. 7.

    Ich erinnere mich an meine Kindheit:
    Die warme Stube war die Küche mit Wasserkessel auf dem Herd im alten Fachwerkhaus.
    Wärmflaschen im Bett, Einfachverglasung und Eiszapfen an den Dachrinnen. Gebadet wurde in Zinkwannen und die Wäsche mit Waschbrett im beheizten Waschtrog gereinigt. Mit Kerze über die Tenne zum stillen Örtchen.
    Schön und danke, dass ich dies erleben durfte!
    *Frohe Festtage*

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