1,5-Grad-Ziel fast nicht mehr zu erreichen - Weltklimarat fordert schnelle und drastische Klimaschutzmaßnahmen

Mo 20.03.23 | 19:31 Uhr | Von Andreas B. Hewel
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Symbolbild:Feld mit vertrockneten Sonnenblumen und Stromleitungen und auftürmenden Gewitterwolken bei Berlin.(Quelle:dpa/W.Kumm)
Audio: Fritz | 20.03.2023 | Jan Frédérick Willems | Bild: dpa/W.Kumm

Die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5-Grad wird laut einem Bericht des Weltklimarats weltweit deutlich verfehlt. Die Folgen sind deutlich mehr extreme Hitzeereignisse, Starkregen, Wirbelstürme und Sturmfluten. Von Andreas B. Hewel

In seinem neusten Bericht mahnt der der Weltklimarat eindringlich dazu, klimaschädliche Treibhausgasemissionen deutlich zu reduzieren. Geschehe dies nicht, würde das Ziel, das einst im Pariser Klimaabkommen festgeschrieben wurde, die Erderwärmung durch die Industrialisierung auf 1,5-Grad zu begrenzen, schon Anfang der 2030-er Jahre überschritten. Sofort, so der Weltklimarat, müsse gehandelt werden.

Und noch eine ernüchternde Botschaft hatten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler parat, die am Montag in Interlaken in der Schweiz ihren Bericht präsentierten. Auch wenn alle bisherigen Selbstverpflichtungen der Staaten zur Verringerung der Treibausgasemissionen eingehalten würden, würde dieses Ziel weit verfehlt.

CO2-Emissionen müssten um fast die Hälfte gesenkt werden

Um eine Chance zu haben, das 1,5-Grad-Ziel doch noch einzuhalten, müssten die CO2-Emissionen bis 2030 um 48 Prozent sinken, gemessen an den Emissionen von 2019. Das Gegenteil aber ist derzeit der Fall, die Emissionen steigen weltweit sogar. "Das Tempo und der Umfang der bisherigen Maßnahmen sowie die derzeitigen Pläne sind unzureichend, um den Klimawandel zu bekämpfen", heißt es in dem Bericht. Doch nach 2030 müssten die Emissionen noch einmal deutlicher gesenkt werden als jetzt schon. 2035 brauche man ein Minus von 65 Prozent gegenüber 2019. Alle bisherigen Pläne zur CO2-Senkung aber geben das nicht her.

CO2-Emissionen steigen wieder

Die grüne Außenministerin Annalena Baerbock reagierte umgehend auf die drastischen Zahlen. Der Bericht mache "mit brutaler Klarheit deutlich, dass wir an dem Ast sägen, auf dem wir als Weltgemeinschaft sitzen. 1,5 Grad sind die Schmerzgrenze des Planeten." Zusammen mit der Bundesregierung setze sie sich "für eine ambitionierte globale Klimapolitik ein". Die aber wird einiges abverlangen müssen, will sie das 1,5-Grad-Ziel nicht ganz aufgeben.

Eines der Probleme ist dabei, dass CO2 in der Atmosphäre sehr stabil ist und über Jahrzehnte erhalten bleibt. So hatte man bereits 2020 errechnet, dass die Welt nur noch insgesamt 500 Gigatonnen CO2 vertragen könne, um das 1,5-Grad-Ziel wenigstens mit einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit einhalten zu können. Das war 2020. Doch allein 2022 wurden 41 Gigatonnen CO2 weltweit ausgestoßen. Jede neue Emission kommt bei dieser Rechnung obendrauf und verstärkt das Problem. Laut Weltklimarat ist davon auszugehen, dass jeweils 1.000 Gigatonnen CO2 das Klima um 0,45 Grad erwärmen. Notwendig in der Zukunft seien so auch negative Emissionen, also Wälder, Moore oder Technologien, die CO2 speichern können.

Bislang aber, so der Weltklimarat, seien die Klimaschutzbemühungen vieler Regierungen zu wenig, um auch nur ein 2-Grad-Ziel einhalten zu können. Gerade einmal 2,8 Grad Klimaerwärmung könnten mit den konkreten Selbstverpflichtungen eingehalten werden. Eindringlich mahnt der Weltklimarat, entschlossen und schnell auf erneuerbare Energien umzusteigen. Vor allem aber brauche es dazu den politischen Willen.

Hohe Zustimmung für Klimaschutz

Die Bereitschaft zum Beispiel zum Ausbau der erneuerbaren Energien ist unterdessen in Deutschland deutlich gewachsen. Das ergibt eine Erhebung des sogenannten Ariadne-Projektes, bei dem mehr als 25 Institutionen mit über 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zur Klimaneutralität forschen. "Die Zustimmung zum Ausbau der erneuerbaren Energien ist seit 2017 über alle Bundesgebiete, über alle Regionen gewachsen", sagt Katja Treichel-Grass vom Ariadne-Projekt.

Gut 20.000 Befragungen wurden in diesem Zusammenhang durchgeführt. "Wir reden hier von über 80 Prozent in fast allen Bundesländern." In Brandenburg sind es nur 77 Prozent Zustimmung. Es gebe ein Ost-West-Gefälle, räumt Treichel-Grass ein. "Und es gibt natürlich auch Unterschiede zwischen Stadt und Land." Das sei nicht verwunderlich. So müssten hier zum Beispiel bei der Mobilität erst Alternativen gegeben sein, bevor man fossile Antriebe verteuern könne.

Weltklimarat hält an Zielen fest

Trotz aller pessimistischer Zahlen fordert der Weltklimarat, am 1,5-Grad-Ziel festzuhalten. Jedes Zehntel Grad, um das sich die Erde nicht erwärme, würde für viele Menschen einen Unterschied machen. "Eiliger Klimaschutz", so der Weltklimarat, "kann eine lebenswerte Zukunft für alle sichern." Wenigstens theoretisch, so Friederike Otto vom Weltklimarat in einem Interview in der "Zeit" [Bezahlschranke], sei selbst noch das 1,5-Grad Ziel erreichbar. "Das physikalische System erlaubt es uns, noch zu handeln."

Sendung: Fritz, 20.03.2023, 18:30 Uhr

Beitrag von Andreas B. Hewel

116 Kommentare

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  1. 116.

    Die Zweifel an der Vergleichbarkeit sind gerade nicht mit Quellen unterlegt im Gegensatz zu den anderen Aussagen auf dieser Bildungsseite, das scheint mehr die private Meinung des Verfassers zu sein. Das ist leider oft in Materialien für den Unterricht zu sehen, daß gerade die Schlußfolgerungen und Vermutungen nicht mit Quellen unterlegt werden, sondern eher dem Zeitgeist der Verfasser/Bildungsverwaltungen folgen (oder wann kommt die mal vor nicht alzu langer Zeit vorhergesagte baldige Kaltzeit?).

  2. 115.

    Sehr geehrte Leni,
    ich denke Sie haben die ganze Sache nicht verstanden, sonst würden Sie nicht so einen Unsinn schreiben. Die Menschen haben die "Kohle" nicht.
    Das ist das Problem

  3. 114.

    Wieviel °C sind die Ozeane in den letzten 20 - 30 Jahren wärmer geworden - durch die Sonneneinstrahlung ? Das führt eben zur "Ausgasung" der Wassermassen und CO2 ist auch dabei.

  4. 113.

    Also mein Professor, bei dem ich in Isotopengeochemie diplomiert hatte, hielt von dem Konzept Anthropozän gar nichts und sah keine sinnvolle Begründung für die Einführung. Es wird auch immer sehr in politischen Kontexten verwendet und ist auch weiterhin in der Kritik von wissenschaftlicher Seite. (https://de.wikipedia.org/wiki/Anthropoz%C3%A4n)

  5. 112.

    Und ein Wletweites Verbot von Bohnen und Erbsen , ich lach mich kaputt .

  6. 111.

    Frostige Polarwinde gibt es übrigens auch noch; die USA hatten kürzlich arg zu klagen und es sind dabei auch Fahrzeuge auf den unendlichen Straßen eingeschneit. Wir hatten das Glück dies nicht erleben zu müssen; hätte unsere Heizkosten erheblich nach oben getrieben. Wir werden aber auch mal wieder -10 bis -15/20° im Winter erleben und dann mit Wärmepumpe ? Luttwärmepumpe gemeint; bessere oft nicht möglich. Im Mittelalter war es doch viel wärmer als heute; habe vergessen wann der Ötzi lebte, der leicht angezogen dann lange unter Eis lag. Dann lese ich immer wieder, dass wir das Erdgas für die Stromproduktion benötigen. Da bleibt dann nichts über für uns Bürger. Darf ich überhaupt so denken ?

  7. 110.

    Entscheidend ist, ich zitiere:
    "Die gegenwärtige Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre liegt jenseits der eiszeitlichen Schwankungen und lässt sich nicht aus einer vorhergegangenen Erwärmung ableiten. Sie ist eine Folge anthropogener Emissionen und für die aktuelle Erwärmung verantwortlich. " (ist der kleine Sprung am Ende der Grafik)
    Wir und NUR wir verändern das Klima in mikroskopisch kleinen Zeitskalen. Und in diesen kleinen Zeiträumen muss sich nun das gesamte Biotop-Erde an die von uns verursachten Veränderungen anpassen!! Und genau das geht eben nicht zusammen.

  8. 109.

    "mit denen Sie uns suggerieren wollen, dass ja alles halb so wild ist." Das habe ich nicht gesagt. Ich möchte die Aufmerksamkeit für eine mögliche Entwicklung mehr auf Vergleiche mit erdgeschcihtlich vergangenen Zeiten richten und weg von Modellierungen. Der kurze Sprung wäre z.Bsp. in die vorangegangene Warmzeit (https://de.wikipedia.org/wiki/Eem-Warmzeit). Das ist etwas über 100000 Jahre her, da hat sich nicht so viel an Geologie und Flora und Fauna verändert global, außerdem ist es durch Messungen im Feld (nicht Modelle) recht gut erforscht. Warum nehemn wir nicht dieses Realbeispiel für eine mögliche Zukunft, sollte es weiter so gehen, und gucken nur auf Modellierungen? Insgesamt gesehen zeigt aber trotz globaler Erwärmung der Temperaturtrend im gesamten Holozän weiter nach unten.

  9. 108.

    Haben Sie schonmal was vom IPCC gehört?
    Schreiben die irgendwas vonwegen "ja also es war vor Millionen Jahren ja schonmal viiiiiiiel mehr Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre, deswegen: Feuer frei! Ein paar Jahrhundert können wir noch alles verfackeln, was bei drei nicht auf den Bäumen ist!"? Oder schreiben die eher sowas hier:
    "Die Begrenzung der vom Menschen verursachten globalen Erwärmung erfordert netto
    Null CO2-Emissionen. Die kumulierten Kohlenstoffemissionen bis zum Erreichen von netto
    Null CO2-Emissionen sowie das Ausmaß der Treibhausgasemissionsminderungen in diesem
    Jahrzehnt bestimmen weitgehend, ob die Erwärmung auf 1,5 °C oder 2 °C begrenzt werden
    kann"
    -> https://www.de-ipcc.de/media/content/Hauptaussagen_AR6-SYR.pdf

  10. 106.

    Klimaveränderungen sind ergo nicht zu ignorieren. Was mir aber missfällt, ist die einseitige Betrachtungsweise, die alle Fakten, die nicht ins Konzept passen, ausgeblendet und Gegenargumente ignoriert werden. Ich bin kein Meteorologe, aber als Ökologe stelle ich mir auch berufsbedingt immer wieder die Frage, was ist dran am „menschengemachten“ Klimawandel? Um es vorwegzunehmen, der anthropogene, also auf menschliches Tun basierende Anteil an den Klimaveränderungen ist nicht bekannt. Der anthropogene Anteil ist unzweifelhaft vorhanden, stellt sich aber im Wesentlichen anders dar, als das die CO2-Fanatiker von sich geben oder glauben, von sich geben zu müssen.

  11. 105.

    Die Zeitskala fand ich nicht angemssen. Aber wenn Sie auf großen Zeitskalen der Planetenenwicklung denken wollen, dann ist unsere momentane Eiszeitatmossphäre seht verarmt an CO2 (https://wiki.bildungsserver.de/klimawandel/index.php/Kohlendioxid_in_der_Erdgeschichte), der letzte Peak war vor gut 50 Mio Jahren bei ca 1500 ppm. Ansonsten in Ihren großen Zeiträumen: Bei den Dinos war es auch so um 2000 ppm (https://en.wikipedia.org/wiki/Carbon_dioxide_in_Earth%27s_atmosphere#/media/File:Phanerozoic_Carbon_Dioxide.png) und halbwegs meßtechnisch nachvollziehbar am Höchsten war es wohl im Cambrium mit um die 5000 ppm - davor war noch nicht viel Leben und es bestand die Uratmosphäre. Über so lange Zeiträume spielt aber schon eine Rolle, daß die Sonne als gelber Zwergstern (G2V) mit der Zeit heller wird.

  12. 104.

    Eiszeit ungleich Eiszeitalter. Aber danke für die begriffliche Nachschärfung.
    Heut Mittag schrieben Sie: "Wenn also nicht wieder eine Kaltzeit folgt in der aktuellen EIszeit bzw. wir das erfolgreich mit unseren AKtivitäten verhindert haben, dann würde eben die aktuelle Eiszeit (u.U. durch unser Tun) enden und wieder der Zustand ohne permanentes Eis eintreten, der geologisch gesehen viel das typische Klima der Erde ist. Zur Abschätzung der Entwicklung müßten wir also auf das Klima außerhalb von EIszeiten in unseren Breiten sehen."
    --> NEIN! Müssten wir nicht. Genau der Grund, warum ich etwas ungehalten auf Ihre Aussagen reagiere: sie nehmen sich wissenschaftlich unangezweifelte Fakten und basteln daraus völlig hanebüchene Schlüsse für Gegenwart und Zukunft. Ich möchte sogar behaupten wider besseren Wissens. Erdgeschichtliche Vorlesungen sind in dieser Causa reine Nebelkerzen, mit denen Sie uns suggerieren wollen, dass ja alles halb so wild ist. Gnarf!

  13. 103.

    Zwiebeln und Brokkoli sofort VERBIETEN! Dann wir weniger geferzt und das senkt die Methanemissionen!

  14. 102.

    Und trotzdem matched das Pilozän nicht mit dem Anthropozän:
    https://wiki.bildungsserver.de/klimawandel/index.php/Warmes_Klima_im_Plioz%C3%A4n
    Sie können nicht aus der Entstehungsgeschichte mit den damaligen Randbedingungen folgern, dass wir heute unter ähnlichen klimatischen Bedingungen überleben. Dieses Gleichnis hinkt in vielerlei Hinsicht.

  15. 101.

    Das Problem ist das Sie die Sendung überhaupt nicht verstanden haben und hier nur Ihren populistischen Mist wiedergeben.

  16. 100.

    Wir haben das Jahr 2023 und der IPCC vertritt die Vorstellung, es wäre möglich, bis 2030 den CO2 Ausstoß um die Hälfte zu reduzieren, in 30 Jahren auf Null zu bringen obwohl es ja noch nicht einmal in vielen Jahrzehnten gelungen ist, überhaupt mal einen weiteren Anstieg der Emissionen zu verhindern. Klassischer Fall von Wünschdirwas.

  17. 99.

    Doch was denken sie wie Leben entstanden ist. Denn von selbst hat sich unsere Atmosphäre nicht von anaerober hin zu aerober Umgebung transformieren können.

  18. 98.

    Dazu gibts gute Veröffentlichungen und nein die Menschheit wächst weiter. Nur Wohlstand führt messbar zur Stagnation bis Schrumpfung, deswegen war ein Vorschlag des Club of Rome, mehr Wohlstand für die Entwicklungs- und Schwellenländer (Global Marshall Plan Initiative). Kriege, Naturkatastrophen und Pandemien führen natürlich ebenfalls zur Dezimierung, aber das kann ja nicht das Ziel sein.
    Weltweit wird also die Bevölkerung weiter wachsen. Man schätzt, dass die Weltbevölkerung bis 2080 auf ca. 10,4 Milliarden Menschen anwächst, wobei 80% davon im Globalen Süden leben.

  19. 97.

    Die Kommentatoren gliedern sich hier scheinbar in 3 Gruppen. Die einen ignorieren weiter als gäbe es kein morgen. Die zweiten haben resigniert. Und die (leider) wenigsten sind bereit etwas zu tun. 'Zu tun" heißt nicht komplett zu verzichten, nur sinnvoller zu konsumieren und zu recyceln, wo immer möglich. Zu reparieren statt ständig neue Sachen zu kaufen. Das alles wird nicht reichen, wenn der nächste Wasser-Stopp am Hahn ausgerufen wird. Schuld sind (immer) andere, gell ?

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