Frankfurt (Oder) - 29-jährige Südtirolerin bekommt Kleist-Preis für Stück über Nazi-Fluchtrouten
Während des Corona-Lockdowns berichtet ihr Opa davon, wie gesuchte Nazi-Größen über Italien entkommen sind. Darüber hat Autorin Miriam Unterthiner ein Theaterstück geschrieben. Nun wurde sie mit dem Kleist-Preis ausgezeichnet.
Der 30. "Kleist-Förderpreis für neue Dramatik" geht in diesem Jahr an Miriam Unterthiner und ihr Stück "Blutbrot". Das gaben das Kleistforum und die Stadt Frankfurt (Oder) am Mittwoch bekannt.
Miriam Unterthiner, geboren 1994 in Italien, ist in einem Bergdorf in Südtirol aufgewachsen. In Wien und Innsbruck hat sie Philosophie, Germanistik sowie szenisches Schreiben studiert. Dass sie jetzt Preisträgerin der renommierten Auszeichnung ist, überrascht die 29-jährige nach wie vor. "Ich kann es noch nicht wirklich fassen, finde es aber sehr schön und freue mich sehr", so Unterthiner gegenüber dem rbb. "Auch dass der Text auf die Bühne finden wird, ist alles andere als selbstverständlich."
Theaterstück über Hilfe von Nazi-Verbrechern
Der Theatertext "Blutbrot" ist die Abschlussarbeit ihres Sprachkunst-Studiums. Das Drama beschäftigt sich mit der nach dem zweiten Weltkrieg in Südtirol geleisteten Fluchthilfe. Zahlreichen Nationalsozialisten, wie den Kriegsverbrechern Josef Mengele oder Adolf Eichmann, gelang damals mit Hilfe der Bevölkerung die Flucht nach Italien und weiter nach Südamerika.
Ein Stück Geschichte, über das in der Region bis heute geschwiegen wird, sagt die Autorin. Bei einem Gespräch mit ihrem Großvater erfuhr Miriam Unterthiner von den einstigen Fluchtwegen. "Er kannte die Schmugglerwege sehr genau und hat sie mir auch beschrieben. Ich war total fasziniert und fand es gleichzeitig sehr bedrückend, weil ich gemerkt habe, dass das ein Teil der Geschichte ist, den ich nicht kenne."
Themen wie Kollektivschuld und rechte Tendenzen im Mittelpunkt
Sie beginnt zu recherchieren und schreibt den nun ausgezeichneten Theatertext. Darin leistet die Kollektivfigur "Das Dorf" diese Fluchthilfe, über die niemand spricht. Die Aufarbeitung der eigenen Taten wird verweigert. Genau das rückt Miriam Unterthiner ins Licht und schlägt damit eine Brücke ins Heute, erklärt Jury-Sprecher Florian Vogel. "Wie gehen wir auch mit Erinnerungskultur um? Das ist noch heute ein wichtiges Thema. Die ganzen rechten Tendenzen, wie in Italien, aber auch in Deutschland, lassen sich nicht leugnen. Das liegt vielleicht auch daran, dass die Erinnerungskultur fehlt, weil diese Generation heute nicht mehr lebt."
Weiter heißt es als Begründung von der Jury: "Poetisch verdichtet und zugleich konkret, formal virtuos und kraftvoll, mit feinem Humor und großen Bildern gräbt sich "Blutbrot" wortwörtlich in die Vergangenheit, die sich bis heute in den Körpern abgelagert hat."
Preis mit Aufführungsgarantie verbunden
Der Kleist-Förderpreis wird in diesem Jahr zum 30. Mal vergeben. Insgesamt 67 Texte von Autorinnen und Autoren zwischen 24 und 75 Jahren wurden eingereicht. Die Auszeichnung ist mit 10.000 Euro dotiert. Neben dem Preisgeld ist mit dem Gewinn auch eine Aufführungsgarantie verbunden. Diese wird vom Theater Aachen in Zusammenarbeit mit dem Kleist Forum produziert. Verliehen wird der Preis dann am 7. Oktober zum Auftakt der diesjährigen Frankfurter Kleistfesttage, wo "Blutrot" auch gezeigt wird.
Sendung: Antenne Brandenburg, 15.01.2025, 16:10 Uhr
Mit Material von Eva Kirchner-Rätsch
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