Vorfall auf Gleisbett der Berliner U-Bahn - "Man sollte im Tunnel nichts anfassen"
Ein technischer Defekt führte am Wochenende in Berlin zu einem gefährlichen Vorfall: U-Bahn-Fahrgäste betätigten wohl die Notöffnung der Türen der U8 und kletterten ins Gleisbett. Ein Mann erlitt einen Stromschlag. Wie gefährlich sind U-Bahn-Tunnel?
In der deutschen Hauptstadt sind die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) so einiges gewohnt: Musiker, Pöbler, Touristen ohne Fahrschein. Der Vorfall, der sich in der Nacht zu Montag ereignet, dürfte die BVG aber noch mehrere Tage beschäftigen.
Als in Berlin-Kreuzberg ein Zug der U-Bahn-Linie 8 am Sonntagabend wegen eines technischen Defekts zwischen zwei Bahnhöfen anhält, stürmen Dutzende Fahrgäste unkontrolliert ins Gleisbett im Tunnel. Die Aktion bleibt nicht folgenlos: Ein 25-Jähriger kommt dabei laut Polizei in Kontakt mit einer Stromschiene und verletzt sich schwer.
Fahrgäste betätigen Notfallöffner
Der Verletzte ist auf einem Video, das ein Fahrgast mit dem Handy aufzeichnet und das dem rbb vorliegt, nicht zu sehen. Dafür aber wie mehrere Menschen ins Gleisbett zwischen den Bahnhöfen Moritzplatz und Kottbusser Tor springen. Zudem ist Grölen und Musik zu hören - offenbar sind einige Fahrgäste betrunken. Möglicherweise spielt auch das bei der Öffnung der Türen eine Rolle.
Die alarmierte Polizei räumt nach eigenen Angaben daraufhin beide Bahnhöfe und stellt sicher, dass sich keine weiteren Personen mehr im Gleisbett des Tunnels befinden. Zu Tumulten oder Festnahmen ist es nicht gekommen, wie die Polizei rbb|24 mitteilte.
Gleisbett kann lebensgefährlich sein
Wie genau es zu dem Vorfall kam, kann die BVG nach eigenen Angaben noch nicht abschließend beurteilen. Dies werde derzeit noch überprüft. Grundsätzlich sei es aber möglich, Türen der U-Bahn zu öffnen. "Eine Notöffnung an der Tür muss vorhanden und immer funktionsfähig sein. Das ist nur dann nicht der Fall, wenn die Tür generell gesperrt ist", sagt der Sicherheitsbeauftragte der U-Bahn bei der BVG, Nicolai von Hübbenet, dem rbb. Wegen der laufenden Überprüfung wolle er aber keine Aussagen zum konkreten Fall machen. Von Hübbenet zufolge lassen sich alle Türen im Notfall öffnen, solange das Fahrzeug im Stillstand ist. Auch ist der Missbrauch laut BVG strafbar.
Das unkontrollierte Aufhalten im Gleisbett könne zudem lebensgefährlich sein, warnt er. Denn erst bei einer geplanten Evakuierung werde zum Beispiel die Fahrspannung abgeschaltet. Ob dies bei dem Vorfall am Wochenende passiert ist, ist unklar. Generell sei es nicht die Entscheidung der Fahrerin oder des Fahrers, sondern die der Leitstelle, ob evakuiert wird - zum Beispiel dann, wenn die U-Bahn den nächsten Bahnhof aufgrund eines Defekts nicht mehr erreichen kann.
"10 bis 15 Minuten", dann wurden die Türen geöffnet
Von Hübbenet warnt zudem, dass selbst bei einer abgeschalteten Fahrspannung an den Fahrzeugen "noch eine sogenannte Kondensatorenspannung" anliege. Dieser Reststrom reiche aus, um sich Stromschläge zu holen. Der U-Bahn-Sicherheitsbeauftragte warnt deshalb eindringlich, sich unter keinen Umständen in den Gleisbereich zu begeben, ohne vorher von der Fahrerin oder dem Fahrer dazu aufgefordert worden zu sein.
Wegen möglicher Stromschläge rät er im seltenen Fall eines angeordneten Notausstiegs: "Man sollte im Tunnel nichts anfassen." Auf Nachfrage fügt der Experte aber hinzu, dass beim Laufen zwischen den Schienen keine direkte Gefahr bestehe. Auch die Schienen selbst würden keinen Strom führen.
Teil des Zuges befand sich bereits im nächsten Bahnhof
Wie lange die U8 stillstand, bevor die Geduld der Fahrgäste erreicht war und einige die Türen öffneten, teilte die BVG nicht mit. Eine Zeugin spricht dem rbb gegenüber von "ungefähr 10 bis 15 Minuten". Zudem erreichen rbb|24 seit dem Vorfall Hinweise über Instagram, wonach die Zugführerin die Türen geöffnet haben soll - also nicht die Fahrgäste. Demnach war es sehr stickig, die geöffneten Türen sollten für mehr Frischluft sorgen. "Aber einige verstanden das als Einladung zum Aussteigen", schreibt eine Betroffene.
Das Betätigen der Notfallöffnungen oder die Öffnung aller Türen war dabei wohl gar nicht nötig. Nach rbb-Informationen befand sich ein Teil des Zuges, durch den man komplett durchgehen konnte, inklusive der ersten Fahrgasttür bereits im Bahnhof Kottbusser Tor, als die U-Bahn zum Stillstand kam.
Sendung: rbb24 Abendschau, 30.05.2023, 19:30 Uhr