Gestank und tote Fische im Landwehrkanal - Wenn das Bakterium triumphiert, frohlockt der Reiher
Dass Berlin hin und wieder mal etwas riecht, wundert hier kaum jemanden mehr. Aber am Charlottenburger Landwehrkanal war der Gestank in dieser Woche bestialisch. An den im Kanal kürzlich gefundenen toten Fischen liegt es allerdings nicht. Von Yasser Speck
Der Landwehrkanal bedeutet für viele Berliner und Touristen normalerweise venezianisches Feeling, Feierabendbier am Wasser oder Schlauchboot-Touren an einem sonnigen 1. Mai. Landwehrkanal heißt aber auch immer wieder: tote Fische, die jeden Sommer mit dem Bauch nach oben an den feiernden Mengen vorbeiziehen.
Der Kanal führt einmal quer durch Berlin. An seinem Charlottenburger Abschnitt - am Salzufer - stank es in dieser Woche wie auf einem Fischgroßmarkt, der seine Ware etwas zu lange in der Sonne hat stehen lassen. Man könnte vermuten, dass es an toten Fischen im Kanal liegt, von denen die Berliner Behörden kürzlich alleine 2,5 Kubikmeter aus dem Wasser holten. Doch die verursachen den Gestank nicht.
Bakterien verursachen den Gestank
Der Gestank, der in dieser Woche am Landwehrkanal in Charlottenburg zu riechen war, kam von Bakterien. "Dahinter steckt eine Biosynthese", erklärt Derk Ehlert, Stadtnaturexperte bei der Senatsverwaltung für Umwelt. Grund für den fischigen Geruch sei ein biologischer Prozess.
Kürzlich gelangte bei starkem Regen viel organische Substanz die Gewässer: zum Beispiel Hundekot oder Blüten. Diese Stoffe werden mit dem Regen vom Gehweg in den Kanal gespült. "Wenn die ins Wasser kommen, dann stürzen sich viele Bakterien darauf und bauen die ab. Dabei entsteht Methylisoborneol", erklärt Ehlert. Und Methylisoborneol, eine chemische Verbindung, riecht für Menschen faulig und fischig. "Dieser Gestank, wie er im Landwehrkanal zu riechen war, kommt also häufig nicht vom toten Fisch, sondern von den Bakterien."
Besonders am Morgen sei der Gestank besonders stark, erklärt Ehlert. Über Nacht gebe es wenig Wind. "Dann kann sich der Geruch zum Beispiel an Brücken aufstauen." Deshalb können diese Gerüche morgens besonders intensiv sein. Diejenigen, die morgens über die Marchbrücke liefen oder radelten, traf es also vermutlich besonders. Derk Ehlert vergleicht den Geruch mit dem von Kläranlagen: "Das sind ganz ähnliche Prozesse."
Ein Sauerstoff-Schiff soll Fische retten
Die Bakterien brauchen, während sie ihren Gestank verursachenden Prozess begehen, Sauerstoff. Den brauchen aber auch die Fische aus dem Landwehrkanal zum Überleben. Wenn nun viele Blüten und andere organische Substanzen im Wasser landen, verbrauchen die Bakterien viel - oder zu viel - Sauerstoff. Die Fische ersticken. Deshalb kommt es oft - wie auch nach dem Starkregen Mitte Juni - zum Fischsterben.
Damit weniger Fische mit dem Bauch nach oben in Berliner Kanälen treiben, dreht das Schiff "Rudolf Kloos" seit Freitag wieder seine Runden. Die "Rudolf Kloos" fährt in der Dunkelheit unter anderem durch den Landwehrkanal und pustet Sauerstoff ins Wasser, damit Barsche, Plötzen und Rotfedern überleben können.
"Running-Sushi" für Reiher
Die toten Fische, die durch den Kanal treiben, sehen für Menschen nicht sonderlich appetitlich aus. Anders ist das bei Reihern: Den Vögeln läuft beim Anblick der toten Barsche, Plötzen oder Rotfedern das Wasser im Schnabel zusammen.
Entsprechend fanden sich am Donnerstag Reiher zu einem Festmahl am Landwehrkanal zusammen. Angelockt vom faulig-fischigen Geruch machten sie es sich auf Pollern gemütlich und genossen das heranschwemmende Mahl. Ein Sushi-Laufband für die Reiher.
Sendung: rbb|24 Abendschau, 21.06.2023, 19:30 Uhr.