"Keinohrhasen" und "Zweiohrküken" - Anika Decker vs. Til Schweiger - Drehbuchautorin gewinnt vor Gericht

Anika Decker hat den jahrelangen Rechtsstreit gegen die Produzenten von "Keinohrhasen" und "Zweiohrküken" gewonnen. Finanziell wird sie wohl kaum profitieren. Doch es geht um mehr als nur um Geld. Von Jonas Wintermantel
Nun steht es fest: Der Drehbuchautorin Anika Decker steht eine höhere Beteiligung an den Gesamteinnahmen aus Til Schweigers Filmen "Keinohrhasen" und "Zweiohrküken" zu. Das hat das Landgericht Berlin am Mittwoch entschieden. Konkret geht es um 183.000 Euro.
Doch: Decker wird sich nur kurz freuen können - finanziell wird sie von dem Urteil kaum profitieren. Der Großteil ihrer Ansprüche ist laut Urteil verjährt. Auch die Prozesskosten für das insgesamt fünfjährige Verfahren wird sie selbst tragen müssen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig – die Beteiligten können dagegen Berufung einlegen.
Worum ging es in dem Fall?
Der Rechtsstreit zwischen der Drehbuchautorin Anika Decker und der Produktionsfirma "Barefoot Films" sowie "Warner Bros." lief bereits seit 2018. Vordergründig ging es dabei um eine höhere Beteiligung an den Einnahmen aus Schweigers Kinofilmen "Keinohrhasen" (2007) und "Zweiohrküken" (2009).
Decker und ihr Anwalt stützten sich mit ihrer Klage auf den sogenannten "Fairness-Paragrafen" im Urheberrechtsgesetz. Dieser gewährt Kreativen seit 2002 eine angemessene Beteiligung etwa an Filmerfolgen, wenn die Vergütung (wie in diesem Fall für die Autorin) im "auffälligen Missverhältnis" zu den Einnahmen aus dem Film steht.
Anhaltspunkte dafür stellte das Gericht bereits im Februar 2022 fest. Anika Decker war für "Keinohrhasen" mit 50.000 Euro vergütet worden, für "Zweiohrküken" mit 157.000 Euro. Für das Gericht war klar: Hier ist ein "auffälliges Missverhältnis" gegeben.
Wurde Decker angemessen beteiligt?
Ein großer Erfolg waren beide Filme ohne jeden Zweifel. "Keinohrhasen" war 2008 der erfolgreichste Film in den deutschen Kinos, "Zweiohrküken" 2009 die meistverkaufte DVD im Land. "Keinohrhasen" spielte in den Kinos 70 Millionen, "Zweiohrküken" rund 43 Millionen Euro ein.
Decker kämpfte vor Gericht mit einer sogenannten Stufenklage. In einer ersten Stufe verlangte sie von "Barefoot Films" und "Warner Bros." Auskunft über die Einnahmen des Films – in den Kinos, aber auch durch DVD-Verkäufe, Fernsehen und Streaming-Dienste.
Das Landgericht Berlin gab Decker 2020 Recht – und damit war der Weg frei für die zweite Stufe des Verfahrens und um die Frage, wie viel Geld der Drehbuchautorin zustehen könnte.
Wer hat‘s geschrieben?
Um die Frage nach Ansprüchen klären zu können, musste das Gericht zunächst feststellen, ob Anika Decker überhaupt die (Haupt-)Autorin der Drehbücher gewesen ist – beziehungsweise wie hoch ihr Anteil an der Leistung war.
"Barefoot Films" argumentierte vor Gericht, die Drehbücher beider Filme seien in Zusammenarbeit zwischen Til Schweiger und Anika Decker entstanden. Auch während der Promotionsphase der Kinofilme wurden die beiden als Autoren-Paar präsentiert. In der Verhandlung zeigte sich jedoch: Schweiger hatte nur gut eine Woche mit Decker am Drehbuch gearbeitet und vor allem persönliche Anekdoten beigetragen.
Das Gericht sah das ähnlich und bestätigte Decker als Haupt-Autorin der Drehbücher.
Problem: Verjährung
Decker wird aus ihrem juristischen Erfolg vor dem Gericht jedoch kaum finanzielle Vorteile ziehen können. Der Hauptgrund dafür ist die Verjährung ihrer Ansprüche. "Sie hätte viel früher Klage erheben müssen", sagte der Vorsitzende Richter Rolf Danckwerts bei der Urteilsverkündung im Berliner Landgericht.
Denn: Besteht im Urheberrecht der Verdacht einer unangemessenen Vergütung, muss die Urheberin innerhalb von drei Jahren auf Auskunft klagen. Anika Decker hat allerdings erst 2018 Klage eingereicht – also gut zehn Jahre nach den Kinostarts von "Keinohrhasen" und "Zweiohrküken".
Decker und ihrem Anwalt ging es daher vordergründig nicht um die Erlöse aus den Kinofilmen, sondern vielmehr um die Anteile an den sogenannten "Folgeauswertungen", also um Einnahmen, die etwa durch Streaming, DVD-Verkäufe oder Fernseh-Ausspielungen generiert wurden. Aber auch für eine Beteiligung an diesen späteren Einnahmen war Decker spät dran.
Ein Urteil mit Signalwirkung?
Wie viel Geld am Ende für Decker übrigbleiben wird, ist noch unklar. Auch über eine mögliche Berufung der verschiedenen Parteien ist noch nichts bekannt.
Das Urteil könnte in jedem Fall Signalwirkung entfalten, denn es stärkt die Rechte von Drehbuchautorinnen und Drehbuchautoren bei herausragenden Erfolgen ihrer Werke. Ob weitere Kreative dem Beispiel Deckers folgen werden, bleibt abzuwarten.
Sendung: rbb24 Inforadio, 27.09.2023, 15:00