Kommentar | 100 Tage SPD-BSW-Koalition - Höchste Zeit, über Ziele zu sprechen

Di 18.03.25 | 20:16 Uhr | Von Thomas Bittner
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Dietmar Woidke (r, SPD), Ministerpräsident von Brandenburg, und Robert Crumbach (l, BSW), Vize-Regierungschef und Brandenburger Finanzminister, geben eine gemeinsame Pressekonferenz zur 100-Tage-Bilanz der Landesregierung. (Quelle: dpa/Stache)
Bild: dpa/Stache

Noch vor Erreichen der 100-Tage-Grenze haben SPD und BSW in Brandenburg eine erste Bilanz gezogen. Über Symbolpolitik ist die Koalition noch nicht hinausgekommen, meint Thomas Bittner. Was fehlt, ist eine schlüssige Erklärung, wohin das Land steuern soll.

"Geräuschlos" regiere das rot-lila Bündnis, sagte Ministerpräsident Woidke (SPD) am Dienstag. Das soll wohl bedeuten: Es gibt keinen Krach. Es scheppert nicht wie bei der Ampel. Es knarzt nicht wie bei der eigenen Kenia-Regierung zum Schluss. Es gibt nicht permanent Streit und kein Infragestellen von Beschlüssen.

Geräuschlos kann aber auch heißen: Es bewegt sich nichts. Die ersten 100 Tage hat Brandenburgs neue Landesregierung eher abwartend verharrt. Denn die Musik spielte woanders. In die Startphase der Koalition fielen der Amtsantritt der neuen Trump-Regierung, der Winterwahlkampf vor der Neuwahl des Bundestags und die aktuellen Manöver zur Umgehung der Schuldenbremse, dazu kam eine Weihnachtspause.

Noch kein Gamechanger

Viele Gelegenheiten hatte die Koalition also nicht, Zeichen zu setzen. Ja, es gab eine Konferenz mit den Industriekapitänen des Landes. Die Taskforces für das PCK in Schwedt oder den Zementhersteller in Rüdersdorf haben getagt. Es gab eine Bundesratsinitiative zu Steuererleichterungen für Rentner. In Eisenhüttenstadt wurde ein Dublin-Zentrum zur Rückführung von Geflüchteten nach Polen eingerichtet.

Doch hinter all den Aktionen verbergen sich eher Erwartungen, die sich an den Bund richten. Game-Changer waren diese Aktionen allesamt nicht. Was fehlt, ist eine Regierungserklärung und das Finanzgerüst für die ersten zwei Jahre der Koalition, ein Doppelhaushalt bis Ende 2026.

Hemdsärmeliger Umgang mit dem Parlament

Er setze lieber auf Handwerk als auf Mundwerk – so begründete Dietmar Woidke sein Zögern beim Halten einer Regierungserklärung. Außerhalb der "heiligen Hallen des Landtags" habe ihn noch kein Brandenburger auf die fehlende Ansprache angesprochen, frotzelte der Ministerpräsident Woidke vor Journalisten. Als wäre die Unterrichtung des Parlaments über seine Pläne eine lästige Nebensächlichkeit. Seine Amtskollegen in Thüringen und Sachsen, Mario Voigt und Michael Kretschmer, haben längst ihre Regierungserklärungen im Parlament abgegeben. Und das, obwohl die Mehrheitsverhältnisse in ihren Ländern weit weniger komfortabel sind und die Koalitionen später starteten. Der hemdsärmelige Umgang der neuen Rot-Lila-Koalition in Brandenburg mit dem Gesetzgeber ist ein Affront.

Man brauche für die Regierungserklärung ein Fundament und das sei der Haushalt - bevor er keine Klarheit über die Landesfinanzen habe, wolle er sich also nicht erklären, meint Dietmar Woidke. Aber: Ist das die richtige Abfolge? Muss es nicht genau andersherum sein? Ist das Fundament einer Koalition nicht der ausgehandelte Vertrag der Parteien, aus dem sich die Prioritäten für den Haushalt ableiten? Müssen nicht zuerst die Pläne aus dem Koalitionsvertrag erklärt werden, bevor der Finanzminister mit den Ressortchefs in die Verhandlungen geht? Erst die Ziele, dann die Zahlen! Eine Erklärung, wohin das Land mit dem neuen Bündnis steuern soll, bleibt Woidke also weiter schuldig.

Schwung in die Regierungsmaschinerie bringen

Nicht ideologieverbrämt, sondern lösungsorientiert gehe man an die Arbeit, heißt es. Das ist ehrenwert, denn nach Lösungen sucht das Land: für die von Schließung bedrohten Krankenhäuser. Für den nicht ausreichend finanzierten Rettungsdienst. Für besseres Lesen, Schreiben und Rechnen in Grundschulen. Für unbürokratische Investitionen. Für den Erhalt der bedrohten Stahlindustrie-Unternehmen. Für eine rechtssichere Steuerung der Migration. Über Symbolpolitik ist die Koalition aber nicht hinausgekommen.

Erst langsam kommt Schwung in die Regierungsmaschinerie. Dietmar Woidke und Robert Crumbach (BSW), die Parteispitzen der Koalition, kündigen den Haushaltsentwurf und eine Regierungserklärung an, sie planen vereinfachte Auftragsvergaben für die öffentliche Hand, starten Regionalkonferenzen zur Krankenhausplanung und wollen im Mai ein erstes Gesetz zum Bürokratieabbau vorlegen. "Zeitnah" – heißt es. Zeit wird’s.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 18.03.2025, 19:30 Uhr

Beitrag von Thomas Bittner

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18 Kommentare

  1. 18.

    In dem Kommentar fehlt die Darstellung der opportunen Haltung von MP Lausitz und seinem Freund vom BSW. Woidke fordert laut und ziemlich plump, Milliarden vom Bund. Er selbst verweigert, zum Nachteil vom Land Brandenburg, aber die Zustimmung im Bundesrat.

  2. 17.

    Selbstverständlich kann man Ziele benennen - zumindest qualitative! Woidke war auch in der Regierung vorher und selbst wenn man berücksichtigt, dass eine Frau Lange, als die für Finanzen zuständige Frau, wieder mal nichts auf die Reihe bekommen hat, dann kann es nicht sein, dass man selbst nach drei Monaten keine belastbaren Zahlen hat. In einem Unternehmen sorgt ein kontinuierliches Controlling dafür, dass jederzeit zumindest ein grober Überblick Handlungen möglicht. "Erwartungen, die sich an den Bund richten." genau das ist das hauptsächliche Instrument von Woidke. Permanent über den Bund schimpfen (besonders Frau Lange) und gleichzeitit in BB in keiner Weise unabhängig, denn alle "Erfolge" der Regierung in Brandenburg wurden auch in der Vergangenheit aus dem Westen finanziert.

  3. 16.

    Auch ich habe nichts gegen diese Beiden. Im gegenteil, ich finde die passen gut zusammen, als wären es Brüder. Die müssen sich erst al mit der Materie vertraut machen. Meint Ihr die AfD wäre da schneller? Die würden sich doch nur wieder über Pöstchen streiten!

  4. 15.

    Also ich für meinen Teil, mag beide Spitzenpolitiker, aufgrund Ihrer Menschenzugewandheit und Ihrer Empathie! Sie sind beide sehr sympathische Mannsbilder und können ein Vorbild auch füe die anderen Politiker, wie von der Afd sein!

  5. 14.

    Klingt ein wenig so, als ärgere sich der Autor, dass er nichts so richtig zum Schreiben hat.
    Bevor ich keine Zahlen habe, brauche ich bei den Zielen logischerweise nicht konkret werden. Das mit den Zahlen sollte nur nicht ewig dauern.

  6. 13.

    "100 Tage SPD-BSW-Koalition"
    Ehrlich: Bis jetzt ist mir diese Regierungskoalition nur durch Querschlägern aus den Reihen des BSW aufgefallen. Wenn die sich nicht an geübte Koalitionsarbeit gewöhnen, platzt vielleicht selbst Woidke mal der Kragen.
    Dass Brandenburg auf Grund des Koalitionsvertrages sich bei manchen Themen im Bundesrat der Stimme enthält, ist normale Koalitionsarbeit. Dass dann aber noch ein persönlicher Kommentar eines BSW Abgeordneten nachgeschoben wird, der nicht den Koalitionsvereinbaren entspricht, zeugt nicht gerade von politischer Profession. Über den Querschläger Herrn Hornauf vom BSW reden wir dabei noch gar nicht...

  7. 11.

    Liebes rbb Team, meinen Nick benutze ich schon viele Jahre. Leider kommt es immer wieder vor das Foristen Namen kapern, siehe in diesem Fall Nr. 9 !
    Wäre es nicht an der Zeit diesem einen Riegel vorzuschieben?

    Vielen Dank und noch einen schönen Tag!

  8. 10.

    "Und Sie glauben tatsächlich an die bösen Märchen seitens der AfD? Ich glaubs ja nicht."

    1. wurde in meinem Text die AFD überhaupt nicht erwähnt, also was für Märchen meinen sie?
    2. können sie im Bildungsranking nachlesen wo Brandenburg steht, fangen sie am besten am Ende an zu suchen.
    3. soll Bürokratie nicht erst seit dieser Wahlperiode zurückgefahren werden. Da finde ich die Frage berechtigt was in 30 Jahren SPD Regierung passiert ist!

  9. 6.

    "Für besseres Lesen, Schreiben und Rechnen in Grundschulen."

    Also die Grundlagen sollen verbessert werden? Jetzt erst?
    Was lief denn bisher auf diesem Gebiet?

    "Für unbürokratische Investitionen."
    Auch das mußte Grundlage unserer Volkswirtschaft sein!

    Da fragt man sich als Bürger/Wähler was eigentlich bisher in den 30 Jahren SPD Regierung gemacht wurde?

  10. 4.

    Was für Ziele? Ziel ist meines Erachtens der simple Machterhalt. Beide Parteien stehen massiv unter Druck, dass die Bevölkerung sie nicht mehr ausreichend wählen könnte. Die SPD bundesweit auf historischem Schrumpfkurs Richtung Einstelligkeit (16 % Bundestagswahl) und die Wagenknechttruppe wird wohl politisch demnächst ganz verschwinden, aus dem Bundestag herausgewählt).

  11. 3.

    Eine der größten und wichtigsten Baustellen im Land ist die Bildungspolitik und der damit verbundene Lehrermangel. Zurzeit sind fast 900 Stellen nicht besetzt. Dazu kommen noch die Langzeiterkrankten. Die Lehrkräfte an den Schulen arbeiten schon lange am Limit. Wann Herr Woidke kümmern Sie sich endlich um eine bessere Bildungspolitik? Unsere Kinder und Eltern haben den Anspruch auf eine Bildung und Erziehung mit ausgebildeten Lehrkräften unter vernünftigen Rahmenbedingungen und ohne massiven Unterrichtsausfall. Wo sollen die Fachkräfte herkommen, wenn die Schule ihre Aufgaben nicht erfüllen kann? Und das liegt vor allem an den fehlenden Lehrkräften, insbesondere in den MINT -Fächern. Nur mit Seiteneinsteigern kann das Problem nicht gelöst werden.

  12. 2.

    100 Tage Schonzeit sind vorbei. Ergebnisse sollten sichtbar sein. Dolle ist das nicht was bisher so durch den Politik-, äh Morgennebel dringt. Vorher Hü und Hott, jetzt Klein,Klein - das geht in die Büx.

  13. 1.

    Dass noch kein Überblick über die Finanzen besteht kann ich bei Frau Lange nachvollziehen. Ansonsten regiert Woidke wie ein Laie und kann sich leider darauf verlassen, dass keine Nachfragen kommen. Keine Werte, keine Ziele, keine Strategie - und wer soll es bezahlen: der Bund!