Kommentar | 100 Tage SPD-BSW-Koalition - Höchste Zeit, über Ziele zu sprechen

Noch vor Erreichen der 100-Tage-Grenze haben SPD und BSW in Brandenburg eine erste Bilanz gezogen. Über Symbolpolitik ist die Koalition noch nicht hinausgekommen, meint Thomas Bittner. Was fehlt, ist eine schlüssige Erklärung, wohin das Land steuern soll.
"Geräuschlos" regiere das rot-lila Bündnis, sagte Ministerpräsident Woidke (SPD) am Dienstag. Das soll wohl bedeuten: Es gibt keinen Krach. Es scheppert nicht wie bei der Ampel. Es knarzt nicht wie bei der eigenen Kenia-Regierung zum Schluss. Es gibt nicht permanent Streit und kein Infragestellen von Beschlüssen.
Geräuschlos kann aber auch heißen: Es bewegt sich nichts. Die ersten 100 Tage hat Brandenburgs neue Landesregierung eher abwartend verharrt. Denn die Musik spielte woanders. In die Startphase der Koalition fielen der Amtsantritt der neuen Trump-Regierung, der Winterwahlkampf vor der Neuwahl des Bundestags und die aktuellen Manöver zur Umgehung der Schuldenbremse, dazu kam eine Weihnachtspause.
Noch kein Gamechanger
Viele Gelegenheiten hatte die Koalition also nicht, Zeichen zu setzen. Ja, es gab eine Konferenz mit den Industriekapitänen des Landes. Die Taskforces für das PCK in Schwedt oder den Zementhersteller in Rüdersdorf haben getagt. Es gab eine Bundesratsinitiative zu Steuererleichterungen für Rentner. In Eisenhüttenstadt wurde ein Dublin-Zentrum zur Rückführung von Geflüchteten nach Polen eingerichtet.
Doch hinter all den Aktionen verbergen sich eher Erwartungen, die sich an den Bund richten. Game-Changer waren diese Aktionen allesamt nicht. Was fehlt, ist eine Regierungserklärung und das Finanzgerüst für die ersten zwei Jahre der Koalition, ein Doppelhaushalt bis Ende 2026.
Hemdsärmeliger Umgang mit dem Parlament
Er setze lieber auf Handwerk als auf Mundwerk – so begründete Dietmar Woidke sein Zögern beim Halten einer Regierungserklärung. Außerhalb der "heiligen Hallen des Landtags" habe ihn noch kein Brandenburger auf die fehlende Ansprache angesprochen, frotzelte der Ministerpräsident Woidke vor Journalisten. Als wäre die Unterrichtung des Parlaments über seine Pläne eine lästige Nebensächlichkeit. Seine Amtskollegen in Thüringen und Sachsen, Mario Voigt und Michael Kretschmer, haben längst ihre Regierungserklärungen im Parlament abgegeben. Und das, obwohl die Mehrheitsverhältnisse in ihren Ländern weit weniger komfortabel sind und die Koalitionen später starteten. Der hemdsärmelige Umgang der neuen Rot-Lila-Koalition in Brandenburg mit dem Gesetzgeber ist ein Affront.
Man brauche für die Regierungserklärung ein Fundament und das sei der Haushalt - bevor er keine Klarheit über die Landesfinanzen habe, wolle er sich also nicht erklären, meint Dietmar Woidke. Aber: Ist das die richtige Abfolge? Muss es nicht genau andersherum sein? Ist das Fundament einer Koalition nicht der ausgehandelte Vertrag der Parteien, aus dem sich die Prioritäten für den Haushalt ableiten? Müssen nicht zuerst die Pläne aus dem Koalitionsvertrag erklärt werden, bevor der Finanzminister mit den Ressortchefs in die Verhandlungen geht? Erst die Ziele, dann die Zahlen! Eine Erklärung, wohin das Land mit dem neuen Bündnis steuern soll, bleibt Woidke also weiter schuldig.
Schwung in die Regierungsmaschinerie bringen
Nicht ideologieverbrämt, sondern lösungsorientiert gehe man an die Arbeit, heißt es. Das ist ehrenwert, denn nach Lösungen sucht das Land: für die von Schließung bedrohten Krankenhäuser. Für den nicht ausreichend finanzierten Rettungsdienst. Für besseres Lesen, Schreiben und Rechnen in Grundschulen. Für unbürokratische Investitionen. Für den Erhalt der bedrohten Stahlindustrie-Unternehmen. Für eine rechtssichere Steuerung der Migration. Über Symbolpolitik ist die Koalition aber nicht hinausgekommen.
Erst langsam kommt Schwung in die Regierungsmaschinerie. Dietmar Woidke und Robert Crumbach (BSW), die Parteispitzen der Koalition, kündigen den Haushaltsentwurf und eine Regierungserklärung an, sie planen vereinfachte Auftragsvergaben für die öffentliche Hand, starten Regionalkonferenzen zur Krankenhausplanung und wollen im Mai ein erstes Gesetz zum Bürokratieabbau vorlegen. "Zeitnah" – heißt es. Zeit wird’s.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 18.03.2025, 19:30 Uhr