Corona-Pandemie - Wie ein DIN-A4-Zettel das Gesundheitsamt umkrempelte
Vor fünf Jahren wurden die ersten Corona-Fälle in Berlin gemeldet. Als die Berliner:innen nach Hause geschickt wurden, mussten die Gesundheitsämter der Stadt in den Krisenmodus schalten - wie in Charlottenburg-Wilmersdorf. Von Yasser Speck
Detlef Wagner erinnert sich noch ganz genau an das Frühjahr 2020. "Für uns war das eine ganz verrückte Zeit. Wir guckten eigentlich immer noch nach München, denn dort war der erste Corona-Fall und wir wussten: Corona wird kommen." Und Corona kam. Auch nach Berlin.
Wagner ist CDU-Politiker und zu Beginn 2020 Stadtrat für Gesundheit in Charlottenburg-Wilmersdorf. Den Job macht er heute noch. Als Leiter des Gesundheitsamtes war Wagner für die Pandemiebekämpfung in seinem Bezirk zuständig.
Entwurf auf einem DIN-A4-Zettel
Als die ersten Corona-Fälle auch in Berlin gemeldet wurden, war Wagner und seiner Amtsärztin klar, dass die Lage ernst werden würde. Wie ernst? Das wussten sie nicht. Über das Virus aus Wuhan war im März 2020 noch so gut wie nichts bekannt. Wagner und seine Amtsärztin trafen sich eines Abends, um über die neue Situation zu beraten.
"Meine Amtsärztin setzte sich hin, nahm sich einen DIN-A4-Zettel und sagte, dass wir die Struktur unseres Gesundheitsamtes jetzt vergessen können. Wir haben praktisch auf einem DIN-A4-Zettel die Stränge entworfen, in denen das Gesundheitsamt arbeiten kann und muss", erinnert sich Wagner. Sie kamen zu dem Schluss: Es braucht nun sehr viele Menschen im Gesundheitsamt, die mit den Bürgerinnen und Bürgern per Telefon in Kontakt treten können. Sei es bei der Nachverfolgung der Infektionsketten - oder einfach nur, wenn jemand eine Frage zum Virus hat.
Therapeuten an die Telefone
Sie schlossen ganze Bereiche im Gesundheitsamt, um Platz für die Telefonisten zu machen. Es stellte sich die Frage: Wer kann jetzt in den Telefon-Dienst berufen werden? Der Blick von Wagner und seiner Amtsärztin fiel zuerst auf die Mitarbeitenden mit einer therapeutischen Ausbildung. Denn die hätten einen entscheidenden Vorteil, so Wagner.
"Die sind aufgrund ihrer Spezifikation, dass sie mit Menschen arbeiten können, auch die Idealen, die anfangen können zu telefonieren." Innerhalb kürzester Zeit wird so aus dem Gesundheitsamt Charlottenburg-Wilmersdorf ein Pandemie-Call-Center. Im Regelbetrieb arbeiten in dem Gesundheitsamt um die 180 Menschen. Doch eine neue weltweite Pandemie ist kein Regelbetrieb. Im Laufe der Monate wächst die Zahl der Beschäftigten auf rund 500 an. Sogar Bundeswehr-Soldaten unterstützen.
Es müssen nun alle Infektionen im Bezirk nachverfolgt und dokumentiert werden. Außerdem müssen die Kontaktpersonen informiert und vor einer möglichen Ansteckung gewarnt werden. Ein logistischer Riesenaufwand - und das mitten in einer sich ständig ändernden Lage. Wagner erinnert sich noch: "Es war für uns eine vollkommen neue Situation. Ich sag es noch einmal: Wir wussten bei jeder Veränderung des Virus nicht, was jetzt mit uns passiert."

Pandemiekoordinatorin gesucht
Als die Fallzahlen in die Hunderte und dann in die Tausende pro Tag stiegen, wurde klar: Sie brauchen eine Pandemiekoordinatorin. Die Wunschkandidatin von Wagner für diesen Job war eine Mitarbeiterin, die bereits seit 2021 im Pandemie-Bekämpfungs-Team mitarbeitete. Sie sagte zu und so trat Fabiane Kulicke im Januar 2022 ihren Job als Pandemiekoordinatorin an.
"Ich war für die Verteilung der Aufgaben, die Koordination des Personals und die Umsetzung der Maßnahmen zuständig, die immer wieder verändert wurden", erinnert sich Kulicke. Kein einfacher Job – es war schließlich auch ihre erste Pandemie.
Lernen aus den Fehlern
Fabiane Kulicke macht den Job der Pandemiekoordinatorin noch heute. Sie versucht, Schlüsse aus der Corona-Pandemie für die Zukunft zu ziehen. "Wir Gesundheitsämter aus Berlin treffen uns regelmäßig und tauschen uns aus und versuchen, uns für die Zukunft besser vorzubereiten", erklärt Kulicke ihre heutigen Aufgaben. Diese Treffen hätten sogar Erfolg, sagt sie.
"Wir sind auf jeden Fall besser aufgestellt, weil wir daraus etwas gelernt haben. Wir versuchen, auch vorbeugende Schulungen für die Mitarbeiter zu organisieren, für den Fall, dass wieder ein überraschendes Ereignis kommt, so dass wir schnell reagieren können." Klar, jedes Virus ist anders. Eine neue Pandemie würde neue Herausforderungen bringen. Doch was sie beim nächsten Mal besser machen wollen, da sind sich Wagner und Kulicke einig: Die Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern muss besser laufen.
Beispielsweise wollen sie beim nächsten Mal die Transparenz erhöhen und besser erklären, warum das Gesundheitsamt welche Maßnahme so beschließt, wie sie sie beschließt. Und sie wollen den Bürgerinnen und Bürgern deutlich machen, dass auch das Gesundheitsamt in so einer Krise nicht immer auf alles eine perfekte Antwort haben kann.
Sendung: rbb24 Abendschau, 19.03.2025, 19:30 Uhr