Weihnachtskonversationen - Lebenshilfe und Beistand von den Müttern - nicht nur der eigenen!
Weihnachten ist das Fest der Liebe und damit auch der Beziehungen. Doch jede Beziehung kommt mit ihrer ganz eigenen Besonderheit daher - die Beziehung zwischen Müttern und Töchtern erst recht. Von Wiebke Keuneke
"Wenn ich an Weihnachten nach Hause komme, mustert meine Mutter zuerst meine Figur: 'Du hast viel zu tun, oder?'", erzählt meine Freundin Julia (41) und ergänzt schnell, dass ihre Mutter das natürlich nur nett meine. Übersetzt heißt es: Du bist aber ganz schön dick geworden.
"Ach Du bist immer noch Vegetarierin, dann nimmst Du halt nur die Bratensoße…." Meine Freundin Anna rollt die Augen, als sie von ihrer Mutter erzählt. Anna isst ist kein Fleisch, seit sie 20 ist, mittlerweile ist sie Anfang 40 und hat zwei Kinder.
Wie wir alle. "Alle" sind in dem Fall meine "Muddi"-Freundinnen. Wir kennen uns seit mittlerweile sieben Jahren - unsere Kinder sind gemeinsam in die Kita gegangen.
Ihn verwöhnen..., die Kinder besser betreuen... - gute Ratschläge von guten Müttern
Unser Stammtisch ist lebenswichtig für uns. Fast wie in "Sex and the City", nur ohne die teuren Schuhe: MB steht bei uns nicht für Manolo Blahnik, sondern im Zweifel für: Mehr Bier!
Ohne unseren Stammtisch wären wir wahlweise unseren Männern, Kindern oder eigenen Müttern schon mal an die Gurgel gegangen. Das ist natürlich übertrieben, aber der Stammtisch als Korrektiv ist nicht zu unterschätzen.
"Vielleicht wäre es besser, Du würdest doch nur Teilzeit arbeiten, so eine Ganztagsschule ist doch nichts für Grundschüler!" Sarah (40) schüttelt resigniert den Kopf, als sie von ihrer Mutter erzählt: "Dabei hatte sie selber ihren eigenen Laden und hat immer gearbeitet. Hat sie das alles vergessen, seit sie Oma ist?" Sarah ist selbst voll berufstätig und hat zwei schulpflichtige Kinder.
"Vergiss nicht, Deinen Mann manchmal zu verwöhnen, Männer brauchen so etwas!" Olga (42) reißt fast die Decke vom Tisch, so gefrustet ist sie von ihrer Mutter, die sich aber selbst "Feministin der ersten Stunde" nennt.
Gute Ratschläge oder Stichelei?
Unser Stammtisch ist lebenswichtig für uns. Fast so reinigend wie mit Salbei zu räuchern. Unser Salbei räuchert allerdings nicht, sondern schwimmt eher in sehr viel Butter mit sehr vielen Ravioli.
Ohne unseren Stammtisch würden wir weiterhin denken, dass alle außer uns selbst das perfekte Verhältnis zu ihren Müttern haben. Dass alle außer uns selbst den wahren Grund hinter den Sticheleien und "guten Ratschlägen" sehen. Dass alle außer uns selbst es schaffen, ihre Mütter einfach nur zu lieben, zu schätzen, zu ehren - ohne jemals genervt zu sein.
Wir "Muddi-Freundinnen" haben alle weder ein total gutes, noch ein total schlechtes Verhältnis zu unseren Müttern. Wir haben häufig ein schlechtes Gewissen, fühlen uns von ihrem Verhalten oft getriggert und fragen uns, warum sich mit "Mama" immer alles so kompliziert anfühlt.
Noch einmal umarmen
Unser Stammtisch ist lebenswichtig für uns. Fast so bereichernd wie das Zusammenkommen der Familie unterm Baum und dem dazugehörigen innerlichen Schmunzeln bis Wüten.
Doch manchmal ist die Abwesenheit von Menschen schlimmer als ihre Anwesenheit. Julias, Sarahs und Olgas Mutter sind in diesem Jahr gestorben. Alle sehr plötzlich.
Die Trauer meiner Freundinnen zerreißt mir das Herz. Was sie dafür geben würden, noch einmal ihre Mütter umarmen zu können, noch einmal mit "Mama" zu reden, noch einmal mit ihr zu diskutieren, ja, auch noch einmal mit ihr zu streiten. All das Ungeklärte klären.
Eine riesengroße Lücke
Der Tod ihrer Mütter hinterlässt eine riesengroße Lücke. Zurzeit stopfen sie diese mit Vorwürfen an sich selbst. Und jetzt an Weihnachten fühlt sich diese Lücke noch unerträglicher an. Und ich kann nichts tun. Außer an diesem Weihnachtsfest besonders dankbar zu sein, dass ich meine Mutter noch habe - und wir uns aneinander abarbeiten können.
Julias, Sarahs und Olgas Mutter sind drei gestorbene Menschen - von Millionen gestorbener Menschen in diesem Jahr. Sie alle hinterlassen Menschen, die trauern. Auch - und gerade an Weihnachten. Unsere Mütter waren lebenswichtig für uns. Noch mehr als der Stammtisch, an dem wir uns über sie beschweren konnten ...