Interview | Renate Brucke - "Wir haben durch Strittmatter ein literarisches Denkmal gesetzt bekommen"
Erwin Strittmatter zählt nach wie vor zu den wichtigsten Schriftstellern der Lausitz. Am Mittwoch wird an seinen 30. Todestag erinnert. Renate Brucke vom Erwin-Strittmatter-Verein erklärt, welche Rolle der Schriftsteller heute noch spielt.
rbb|24: Frau Brucke, einige erinnern sich noch an Strittmatters Werke, zum Beispiel an "Ole Bienkopp", "Der Laden" oder "Der Wundertäter". In der breiten Öffentlichkeit scheint Erwin Strittmatter heute aber nur noch eine kleine Rolle zu spielen. Sehen Sie das ähnlich?
Renate Brucke: Es ist schon so, das hat auch demographische Hintergründe. Dennoch sollte er heute immer noch eine Rolle spielen. Ich finde, wir hier, Spremberg, die Umgebung und auch Bohsdorf haben durch ihn ein literarisches Denkmal gesetzt bekommen. Und das gilt es unbedingt zu erhalten.
Ob es die Beschreibung der Menschen und ihrer Beziehungen untereinander sind, das dörfliche Leben, die Liebe zur Natur, die ihm der Großvater beibrachte. Das gilt es künftigen Generationen zu vermitteln. Und Spremberg sollte sich dessen immer wieder bewusst sein, was es an ihrem Ehrenbürger hat.
Inwiefern begeistert sich die junge Generation denn für die Literatur Strittmatter?
Da stoßen wir noch auf Granit. Es gibt einzelne engagierte Lehrer. Ein Lehrer aus Dippoldiswalde kommt regelmäßig mit seinem Deutsch-Leistungskurs nach Bohsdorf [hier steht die Erwin-Strittmatter-Gedenkstätte, Anm. d. Red.] und ist immer überglücklich, hier zu sein.
Zu den Proben von Frank Dübels szenischen Aufführungen hier in Bohsdorf hat die Oberschule Schleife damals auch Schüler zur Verfügung gestellt, die hier eine Rolle spielten. Und die haben Blut geleckt. Die wollen sich jetzt unbedingt Strittmatters Literatur aneignen.
Was aus Strittmatters Werken ist denn aus Ihrer Sicht heute noch aktuell und von Bedeutung - und könnte uns zum Beispiel auch helfen, die heutige Zeit besser zu verstehen?
Das ist schon schwierig, da eine Brücke zu ziehen. Weil er sich ja hauptsächlich diesem kleinbürgerlichen, dörflichen Leben zugewandt hat. Aber es gibt eine Szene im Laden eins, da geht es ums Kartenspielen. Da entzünden sich die Charaktere und verstreiten sich dabei.
Und dann kommt der Autorenkommentar von Strittmatter: "Und danach werde ich sehen, wie die Lebenslust die Völker dazu bringt, sich nach einer gehabten Katastrophe wieder zu versöhnen, um sich später wieder zu verstreiten. Und ich werde sehen, dass sich die Häuptlinge der Völker nicht anders verhalten als meine Leute einst daheim."
Das ist die Stelle, über die ich mich wunderte, dass sie zu DDR-Zeiten gedruckt wurde, und die natürlich heute aktueller denn je ist. Durchgängig ist Strittmatter ein Antimilitarist. Das durchzieht seine Werke: die Sehnsucht nach Frieden und nach Völkerverständigung.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Gespräch führte Dirk Schneider für Antenne Brandenburg.
Sendung: Antenne Brandenburg, 31.01.2024, 15:40 Uhr