Trüber Himmel über Berlin und Brandenburg - Saharastaub ist zurück - was steckt hinter dem Phänomen
Braunrote Schlieren auf Autos, milchiges Tageslicht: Frühjahr und Herbst sind typisch für das Auftreten von Saharastaub in Deutschland. Was steckt eigentlich dahinter und kann Saharastaub gesundheitliche Probleme verursachen?
Derzeit zieht eine Wolke aus Saharastaub wieder über Deutschland und streift dabei auch Berlin und Brandenburg. Allerdings wird es laut Deutschem Wetterdienst (DWD) kein "außergewöhnlich starkes Ereignis" werden wie beispielsweise um die Ostertage herum. Denn Ende März legte sich in Berlin und Brandenburg ein milchiger, bisweilen ockergelber Schleier vor die Frühlingssonne. Der Grund war jener Staub, der aus der Sahara bis zu uns gelangte.
Zuerst: Das Auftreten von Saharastaub in unseren Breiten ist normal und kommt ein paar Mal pro Jahr besonders im Frühjahr und Herbst vor. Manchmal ist dabei die Konzentration des Saharastaubs in der Luft aber so hoch, dass es zu sichtbaren Eintrübungen des Himmels am Tag kommt – wie beispielsweise derzeit in Griechenland. Dort flackert ein gespenstisches Dämmerlicht in orange-gelben Tönen über der Stadt Athen. Optisch erinnert das Spektakel an die verheerenden Waldbrände in Kalifornien im vergangenen Jahr oder gar an Kulissen eines Science-Fiction-Films über eine erste Marsmission.
Was steckt aber in dem Saharastaub eigentlich drin und wie gelangt er aus der Wüste hierher?
Wie kommt Saharastaub nach Deutschland?
Saharastaub entsteht – wie der Name sagt – in der Wüste Sahara. Dort wird der Staub aufgrund des speziellen Wüstenklimas bis in mehrere Kilometer Höhe aufgewirbelt. Falls es windstill ist, verbleibt der Staub dort länger und fällt nicht wieder zurück zu Boden.
Winde tragen den Staub schließlich von Nordafrika in verschiedenen Richtungen – unter anderem auch in das Amazonasgebiet. Wird Saharastaub nach Europa getragen, landet er mal auf der Iberischen Halbinsel, im Süden Frankreichs oder weht über die Alpen nach Deutschland. Das lokale Wetter wiederum entscheidet, wo es den Saharastaub letztlich hinweht und ob er mit Niederschlag zur Erde geht.
Gibt es immer mehr Saharastaub?
"Es gibt derzeit keine Studien, dass Saharastaub häufiger oder seltener auftritt", so ARD-Meteorologe Frederik Raff. Üblicherweise erscheint das Phänomen aufgrund besonderer Wetterlagen in Europa im Frühjahr und Herbst und kann fünf bis 15 Mal auftreten.
Manche dieser Saharastaub-Ereignisse bekommen wir gar nicht mit, denn der Staub wirbelt in drei bis acht Kilometern Höhe herum. Regnet es nicht – wie derzeit in Berlin und Brandenburg – kommt praktisch nichts von dem Saharastaub auf dem Boden an, so Raff.
Gut eine Milliarde Tonne Sand und Staub werden laut Deutschem Wetterdienst pro Jahr aus der Sahara geweht – das meiste landet aber nicht in Europa.
Woraus bestehen Saharastaub und "Blutregen"?
Die Sahara war nicht immer nur einfach trocken - bis zum Ende der Eiszeit existierte dort ein riesiger Süßwassersee. Durch die Trockenheit zerfiel dann aber alles buchstäblich zu Staub, vermischt mit verwittertem Gestein. Der Staub ist daher ein Mix aus Mineralien wie Quarz, Ton, Gips und Eisen, fossilen Algen, Spuren anderer Metalle, Bakterien und Pilze. Aufgrund des Eisenanteils kann Saharastaub zusammen mit Regen eine rostbraune Färbung aufweisen. Historisch hat sich dafür der Begriff "Blutregen" ausgebildet.
Ist Saharastaub schlecht für die Gesundheit?
Ob Saharastaub gesundheitlich problematisch ist, ist nicht restlos geklärt. So schreibt das Umweltbundesamt [externer Link], dass davon "auszugehen sei, dass Wüstenstaub einen negativen Effekt auf die menschliche Gesundheit hat". Der Saharastaub begünstige die "Entstehung von Atemwegserkrankungen sowie deren Verschlechterung". Studien dazu stammten aber aus dem asiatischen Raum, was die direkte Übertragbarkeit der Ergebnisse einschränke.
Angenommen wird, dass vor allem Bakterien und Pilze als "blinde Passagiere" auf den Staubkörnern kilometerweit mitreisen und schlimmstenfalls Erkrankungen verursachen. Der Saharastaub selbst könnte aufgrund der unterschiedlichen Größe der Staubpartikel für Menschen mit Allergien, Asthma oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen problematisch sein. So gab es Berichte aus dem derzeit mit Saharastaub belasteten Athen, dass Menschen über Kurzatmigkeit, Husten und Brustschmerzen, trockene und juckende Augen sowie Kratzen im Hals klagten. Laut Umweltbundesamt gebe es aber bisher keine Richtwerte, ab wann Wüstenstaub zur Belastung werde. Die Datenlage dazu sei laut Forschung aktuell insgesamt eher mäßig.
Sind Saharastaub und Feinstaub dasselbe?
Grundsätzlich wird Saharastaub in der Forschung aufgrund seiner schieren Menge als die größte Quelle von Feinstaub weltweit genannt. Allerdings: Der verkehrsbedingte Feinstaub sei laut Studien eine deutlich größere Belastung für Menschen [externer Link].
Als Feinstaub werden im engeren Sinnen menschengemachte Bestandteile ausgemacht wie zum Beispiel Emissionen von Verbrennungsmotoren, Brems- und Reifenabrieb, Öfen, Kaminen und Industrieablagen. Auf diese Mengen können Menschen aber mit angepasstem Verhalten Einfluss nehmen.
Feinere Partikel von Saharastaub und menschengemachtem Feinstaub könnten sich durchaus in höheren Lagen der Troposphäre – also da, wo unser Wetter entsteht – treffen, so Meteorologe Raff. Aber sonst bleiben die beiden eher getrennt, denn Feinstaub wirbelt in Gegensatz zu Saharastaub eher in Bodennähe herum. Kommen aber bestimmte Wetterlagen zusammen, kann es sich so anfühlen, als ob die Luft regelrecht "steht", so Wetterexperte Raff. Dann werden weder Saharastaub noch Feinstaub aufgrund von Windflaute abtransportiert.
Kann Saharastaub Klima und Wetter beeinflussen?
Saharastaub besteht aus gröberen und feineren Partikeln. Die Forschung weiß derzeit, dass feinerer Staub überwiegend einfallendes Sonnenlicht reflektiert und damit das Klima abkühlen kann [externer Link]. Bekannt ist auch, so ARD-Wetterexperte Raff, dass die Partikel aus dem Saharastaub als sogenannte Kondensationskeime wirken – vereinfacht gesagt, führen sie zu mehr Wolkenbildung. Kommt es über Berlin und Brandenburg während eines Saharastaub-Ereignisses also zu einer milchigen Eintrübung des Himmels, dann liegt das meist an Wolkenbildung. Dass es ganz ohne Wolken zu einer Eintrübung aufgrund des Saharastaubs allein kommt, schließt der ARD-Meteorologe derzeit aus. "Dazu müsste richtig viel Staub unterwegs sein."
Gröbere Staubpartikel könnten sich wiederum mit Sonnenlicht und der Wärmrückstrahlung der Erde aufladen und neigen damit dazu, dass Klima zu erwärmen – ähnlich wie Treibhausgase. Jene Wechselwirkungen in der Atmosphäre sind aber laut aktuellem Forschungsstand sehr komplex und bedürfen weiterer Untersuchungen. Ein weiteres Thema, das die Forschung beschäftigt, ist wie der Klimawandel auch die Wüstenbildung verstärkt und welche Auswirkungen dies künftig haben könnte.
Ist Saharastaub schädlich für Pflanzen?
Saharastaub gilt als guter Dünger, Grund sind die darin enthaltenen Mineralien. Bekannt ist heute, dass der Saharastaub global wichtigen Einfluss hat auf Plankton in den Ozeanen und den sonst eher nährstoffarmen Regenwald im Amazonas. Auch Saharastaub, der in Deutschland landet, hat positiven Einfluss auf die Böden, reichert sie mit Nährstoffen an und speichert Wasser. Wer Saharastaub an Obst oder Gemüse aus dem eigenen Garten oder dem Laden zum Beispiel nach einem Regenguss findet, soll diesen einfach mit Wasser abwaschen [externer Link].
Sendung: rbb24 Inforadio, 29.04.2024, 16:31 Uhr