Analyse Teil 2 | Klimawandel und intensive Wassernutzung - Warum Seen in Brandenburg das Wasser ausgeht
In weiten Teilen Brandenburgs ist der Grundwasserspiegel in den vergangenen Jahrzehnten gesunken und damit auch der Wasserstand von Seen. Ein wesentlicher Grund für den Wassermangel ist die Klimaerwärmung - aber nicht nur. Von Friederike Steinberg und Götz Gringmuth-Dallmer
Ob Parsteiner See in Barnim oder Peetschsee in Oberhavel - an zahlreichen Seen in Brandenburg ist in den vergangenen Jahrzehnten der Wasserstand stark gesunken. Das zeigen Daten des Landesamtes für Umwelt (LfU), die rbb|24 in Teil 1 dieser Analyse ausgewertet hat.
Demnach sank beispielweise der durchschnittliche Wasserstand des Parsteiner Sees seit Beginn von Messungen 1968 gemittelt um etwa 20 Zentimeter. Der Wasserstand des Peetschsees ging seit 1958 sogar um rund 90 Zentimeter zurück. Dieser sinkende Trend spiegelt sich in Daten für das Grundwasser wieder, aus dem diese Seen gespeist werden.
Niedrigwassersituation "sehr angespannt und nachhaltig"
Wichtigste Ursache für den Wassermangel - hier sind sich die betroffenen Landkreise Barnim und Oberhavel einig - sind Klimaveränderungen.
Wasserdefizite seien "vor allem klimatisch bedingt", teilt die Pressesprecherin des Kreis Oberhavel, Ivonne Pelz, für den Peetschsee mit. "Durch die Trockenheit und unzureichende Niederschläge der letzten Jahre besitzen die grundwassergespeisten Seen in Oberhavel verhältnismäßig niedrige Wasserstände." Grundwasserdefizite aus den Jahren 2018 und 2019 seien immer noch nicht ausgeglichen und die Niedrigwassersituation "sehr angespannt und nachhaltig". Auch der Barnimer Umweltamtsleiter Ronny Baaske sagt mit Blick auf den Parsteiner See: "Das Hauptproblem - und das ist wirklich an Daten nachvollziehbar - ist: fehlender Niederschlag und hohe Verdunstungsraten."
Wärmer und weniger Niederschlag
Klimastudien zeigen, dass die Durchschnittstemperaturen in den vergangenen Jahren gestiegen sind und sich die Vegetationsperiode ausdehnt. Bei höheren Temperaturen verdunstet Wasser aber schneller. Bei einer längeren Wachstumszeit zweigen zudem die Pflanzen mehr Wasser ab.
Dem Brandenburger Umweltministerium zufolge fiel zudem in den letzten neun Winterhalbjahren rund 14 Prozent weniger Niederschlag als zuvor üblich. [mluk.brandenburg.de]. Grundwasser bildet sich aber vor allem im kühlen Herbst und Winter, wenn wenig verdunstet und die Pflanzen ruhen - und besonders viel, wenn Schnee ganz langsam taut und versickert. Wird es im Frühling allerdings früher warm, fließt das Schmelzwasser über noch gefrorene Böden oberirdisch weg, Richtung Fluss und Meer, und ist für das Grundwasser weitgehend verloren.
Zwar wird nach Klimaberechnungen eine Zunahme der Niederschläge im Winter erwartet - gleichzeitig aber auch, dass er häufiger "kompakt" fällt: Und ausgetrockneter Boden kann das Wasser nicht so schnell aufnehmen.
Privatleute, Industrie, Landwirtschaft - jeder will seinen Teil
"Die klimatische Erwärmung hat ganz klar den Löwenanteil an dieser Tendenz“, erklärt Wissenschaftler Knut Kaiser vom Deutschen Geoforschungszentrum des Helmholtz-Zentrums (GfZ) in Potsdam. Das sei für das Grundwasser der "Stressor an sich". Doch der Mensch senke den Grundwasserstand auch ganz direkt ab - durch Abpumpen und Entwässern.
95 Prozent des Wassers, das in Brandenburger Haushalten aus dem Hahn kommt, ist Grundwasser - im Bundesvergleich ein hoher Wert. Wasserversorger anderer Länder nutzen deutlich mehr Oberflächenwasser [destastis.de]. Beim Verbrauch macht sich gleichzeitig wieder der Klimawandel bemerkbar: Jeder Brandenburger Einwohner nutzte 2016 zum Trinken, Waschen oder Gartenbewässern im Schnitt 111 Liter am Tag - in heißen, trockenen Jahren stieg der Verbrauch teils um das Doppelte. Oberhavel mahnte seine Bürger daher schon in den vergangenen Jahren, "auf eine sparsame Verwendung des Wassers zu achten".
Landwirte nutzen Grundwasser – und leiten es zugleich ab
Auch die Landwirtschaft hat ihren Anteil. Durch Entwässerungsgräben oder die Trockenlegung von Mooren wird Wasser gezielt weggeleitet. Zum anderen pumpen Landwirte Grundwasser zum Bewässern ab - und teils nicht zu knapp. "Da können Größenordnungen zusammenkommen“, stellt der Barnimer Umweltamtsleiter Baaske fest.
Tagebaue pumpen besonders viel ab
Auch Unternehmen hängen am Grundwasser, um in der Produktion zu spülen oder zu kühlen - ein Streitpunkt derzeit auch beim Bau der Tesla-Fabrik in Grünheide. Eine besondere Rolle spielt in Brandenburg die Braunkohleförderung: Damit in tiefen Gruben gefördert werden kann, wird laufend Grundwasser bis in Tiefen von 150 Meter weggepumpt, was in den angrenzenden Gegenden den Spiegel sinken lässt.
Als die größten Nutzer von Grundwasser nannte 2017 das Brandenburger Umweltministerium Wasserversorger, die chemische Industrie, landwirtschaftliche Unternehmen, die Getränkeverarbeitung und Bauwirtschaft [landtag.brandenburg.de].
Genauere Zahlen legte 2013 das Statistikamt vor: Danach gaben die Wasserversorger etwa 128 Millionen Kubikmeter ab, in weiten Teilen Grundwasser, das überwiegend an Privathaushalte ging. Industrie, Landwirtschaft und Tagebau versorgten sich vor allem über eigene Pumpen. Sie förderten demnach zusammen 292 Millionen Kubikmeter Grund- und Quellwasser: rund zehn Millionen gingen auf die Land-/Forst-/Fischereiwirtschaft, 37 Millionen auf Industrie und Energieerzeuger - und 245 Millionen Kubikmeter auf Berg-/Tagebau. [statistik-berlin-brandenburg.de]
Wenig Grundwasserneubildung im Kiefernwald
Neben den gezielten Entnahmen kann auch eine Veränderung der Landschaft das Grundwasser beeinflussen, wie zum Beispiel die Versiegelung. Auf bebauten Flächen kann kein Wasser versickern, Niederschläge werden durch Drainagerohre oder Regenrinnen kanalisiert und direkt in den Fluss geschickt. Für das Grundwasser sind sie damit weitgehend verloren. In Brandenburg liegt der Anteil der "Verkehrs- und Siedlungsfläche", also Fläche mit vielen Straßen und Häusern, bei rund zehn Prozent. In den letzten Jahrzehnten stieg dieser Wert stetig an [statistikportal.de].
Doch auch dort, wo Wald stehe, könne es Probleme geben, erklärt Wissenschaftler Kaiser: Denn in Brandenburg stehen dort in zwei Drittel der Fälle Kiefern. Anders als Laubwälder speichern die sandigen und vergrasten Böden der Kiefernwälder schlecht Feuchtigkeit. Dazu legen die immergrünen Kiefern auch im Winter kaum Verdunstungspause ein. Viele Seen lägen in Waldgebieten, betont Kaiser, daher hätten diese über das Grundwasser "wahrscheinlich eine große Prägewirkung auf diese Seen". Er ist überzeugt: "Ohne dass sie an den Wald gehen, werden sie die Seen nicht retten können."
Jeder See ist ein Unikum
Verliere ein See Wasser, müsse immer im Detail nach den Gründen gesucht werden, betont Kaiser. Jeder See reagiere anders auf Änderungen - je nach Einzugsgebiet und Vegetation, nach Wassernutzern oder Topografie.
Für den Parsteiner See ist Umweltamtschef Baaske ist die möglichen Problemquellen bereits durchgegangen. Kiefernforste, Industrie und versiegelte Fläche gebe es vergleichsweise wenig, sagt er. Bei tieferen Brunnen und größeren Grundwasserentnahmen sei man "tatsächlich ein bisschen beim Umsteuern", denn hier könnten die Wasserbehörden regulierend eingreifen. Derzeit werde der Wasserverbrauch einer Agrargenossenschaft am Parsteiner See genauer untersucht.
Auch den Abfluss des Sees habe man sich angeschaut, ob zu viel raus läuft, sagt Baaske. In den vergangenen Jahren sei der Abfluss bereits gedrosselt worden. "Man könnte jetzt sagen: Schnell hin, komplett zumachen! Wir stauen den See, dass nichts mehr abfließt!" Im Trockenjahr 2020 sei aber auch das keine Option mehr gewesen: Der Abfluss selbst habe nur noch so wenig Wasser geführt, "dass er mehr ein Zufluss war, dass also aus dem benachbarten See, wohin das Wasser des Parsteiner See sonst fließt, das Wasser eher zurückgeflossen ist".
Land setzt auf "Niedrigwasserkonzept"
Auch die Brandenburger Regierung untersucht zurzeit, an welchen Stellschrauben gedreht werden kann. Kürzlich legte sie angesichts von Hitze und Niederschlagsmangel "in bisher nicht gekanntem Ausmaß" ein Maßnahmenpaket vor - das "Niedrigwasserkonzept" [mluk.brandenburg.de]. Eine separate Studie zum "Grundwasserdargebot" ist in Arbeit. Der Plan: Niederschläge sollen so lange wie möglich in Feuchtgebieten oder Talsperren zurückgehalten, Entwässerungsanlagen rückgebaut werden. Zudem sollen mehr Daten erhoben werden: Wieviel Wasser steht zur Verfügung? Wer nutzt wieviel? Und: Wer sollte künftig wieviel nutzen dürfen?
Dass das Land das Thema Wassermangel angeht, findet Baaske richtig. "Es wird sich drastisch verändern - so viel ist sicher", ist er überzeugt. Man werde zwar die klimatische Entwicklung, für die, wie er sagt, die Weichen schon vor vielen Jahren gestellt wurden, nicht stoppen können. Aber: "Wir können dafür sorgen, dass es nicht noch schlimmer wird." Die Idee, mehr Regenwasser von versiegelten Flächen zu versickern, sei durchaus sinnvoll. Allheilmittel sei es aber nicht: "Grad beim Parsteiner See, der in einer äußerst dünn besiedelten Ecke liegt, hätte all das zunächst keine Auswirkungen."
Auch Wissenschaftler Kaiser begrüßt die Pläne des Landes, hat aber auch Zweifel an der Durchschlagkraft: "Konzepte, die gab es hierzulande in den vergangenen 30 Jahren schon zuhauf", sagt er, signifikant passiert sei aber wenig. Und das trotz der Bedeutsamkeit der Ressource Wasser für Mensch und Natur: "Es geht hier nicht um ein Luxusproblem, um das Baden im Stechlinsee oder Peetschsee", stellt Kaiser fest. "Es geht hier um die Grundlagen unserer Existenz."