Ukrainische Jugendliche in Frankfurt (Oder) - Urlaub vom Krieg
Zehn Tage lang sind Jugendliche aus dem Nordosten der Ukraine in Frankfurt (Oder) zu Gast. Ihre Heimat wird weiterhin von Russland angegriffen. Die Ferien bieten den ukrainischen Mädchen und Jungen eine Chance, etwas Normalität zu erleben.
16 Jugendliche aus der Ukraine machen Ferien vom Krieg: Zehn Tage lang können sie in Frankfurt (Oder) einfach Jugendliche sein – ohne Angst vor Bombenalarm. Bis zum 1. November sind die Jugendlichen aus den Städten Schostka und Sumy im Nordosten des Landes im Rahmen des Projekts "Kriegstrauma-Bewältigung" zu Gast in Frankfurt.
Schulunterricht entweder online oder im Bunker
"Unser Luftschutzbunker in der Schule kann nur 50 Kinder aufnehmen, und deshalb gehen sie dort nur zweimal im Monat hinein", sagte die Vizebürgermeisterin von Schostka während ihres Besuches am Donnerstag in Frankfurt. Der restliche Unterricht finde daher nur online statt, so die Politikerin. "Das heißt, die Kinder kommunizieren während des Schuljahres gar nicht miteinander."
"Bei uns findet das Lernen nur noch aus der Ferne statt. Wir vernetzen uns jeden Morgen ab 9 Uhr", sagte die Schülerin Hanna Wolkowa. Sie versuche, trotz allem in einer solchen Umgebung zu lernen. "Natürlich ist das schwierig, aber so sind nun mal die Bedingungen, die wir jetzt haben."
Therapie, Workshops und Treffen mit Ukrainern in Deutschland
Mit dem Pilotprojekt will die Stadt den Jugendlichen helfen, die Folgen des Krieges in der Ukraine zu verarbeiten, teilte die Stadtverwaltung mit. Ziel des Projekts sei es, die psychosoziale und psychoemotionale Stabilität der Teilnehmer durch "zehn Tage in Frieden" zu verbessern. Die Jugendlichen besuchen demnach Gruppen- und Einzeltherapiestunden mit einer ukrainischen Psychologin. Auch Kunst- und Musikworkshops zur Traumabewältigung stehen auf dem Programm. Wichtig sei auch, dass sie sich mit anderen Jugendlichen aus der ukrainischen Diaspora treffen.
Schostka und Sumy liegen im Nordosten der Ukraine, nicht weit von der russischen Grenze, in der Nachbarschaft der umkämpften Gebiete von Kursk und Belgorod - und in der Reichweite russischer Raketen und Artillerie. Das hinterlässt Spuren bei den Jugendlichen: "Es tut Deiner Psyche weh. Du fühlst Dich dort sehr unwohl, es ist sehr unangenehm für dein Leben", sagte Schülerin Katerina Dziuba dem rbb. "Aber wir sind wahrscheinlich daran gewöhnt, weil jeder Tag gleich ist."
Der Besuch in Frankfurt scheint den Jugendlichen gutzutun: "Bei uns in der Ukraine ist Krieg, aber hier ist es sehr ruhig. Man ist ein solches Leben nicht gewohnt. Man kommt hierher und ruht sich aus", sagte die Schülerin Katerina Hryshzenko.
"Man fühlt sich hier nicht wie eine Fremde"
Am Donnerstag besuchten die Jugendlichen die Europa-Universität Viadrina, an der 133 Menschen aus der Ukraine studieren. Ukraine-Studien sind an der Frankfurter Uni ein Schwerpunkt. Die Jugendlichen erlebten Lehrkräfte und Mitarbeiter, die mit ihnen in ihrer Sprache sprachen. "Ich hatte nicht erwartet, dass es so viele von ihnen gibt, dass man sich hier nicht wie eine Fremde fühlt", sagte Schülerin Karina Deneka. "Es fühlt sich an, als ob ich in die Ukraine gekommen wäre, nur in eine etwas andere Stadt."
In der "etwas anderen Stadt" Frankfurt können sich die 16 Jugendlichen aus der Ukraine noch eine Woche lang im Frieden leben. Anfang November müssen sie in ihre gefährdete Heimat zurückfahren. Die Herbstferien sind dann zu Ende, die Schule geht weiter.
Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 24.10.2024, 19:30 Uhr
Mit Material von Fred Pilarski