Zoff im Berliner Senat - Gote und Spranger streiten um Organisation von Krankentransporten

Fr 20.01.23 | 16:11 Uhr | Von Angela Ulrich
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Symbolfoto Sanitaeter mit Uniform des Rettungsdienst in einem Intensivtransportwagen.(Quelle:dpa/J.Krick)
Bild: dpa/J.Krick

Neuer Ärger zwischen Gesundheits- und Innensenatorin: Es geht um die Frage, wer für die Organisation von Krankentransporten in Berlin zuständig sein soll. Der Ton ist rau, wie Schreiben zeigen, die dem rbb exklusiv vorliegen. Von Angela Ulrich

Iris Spranger ist genervt. Die SPD-lnnensenatorin beschwert sich über ein "krudes Durcheinander", "unterschiedliche, voneinander unabhängige Aspekte", die "vermengt" würden, und meint damit ein Schreiben ihrer Gesundheitskollegin Ulrike Gote (Grüne). Der Brief an sie verkenne zudem "grob die Rechtslage".

Was ist passiert? Gote hat sich schriftlich bei Spranger beschwert. Es geht um die Zukunft von Krankentransporten in Berlin. Bisher vermittelt die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin solche Transport-Anfragen, wenn sie über die zentrale Rufnummer 116117 einlaufen oder vor Ort durch den ärztlichen Bereitschaftsdienst beauftragt werden.

Doch die KV kündigte schon im vergangenen Dezember an, diesen Vermittlungs-Dienst einzustellen. "Es ist immer mehr geworden, wir können das nicht mehr stemmen", heißt es bei der KV, ohne dass konkrete Zahlen genannt werden. Ende Januar soll Schluss sein.

"Ungesteuerte" Beanspruchung der 112?

Was kommt aber stattdessen? Gesundheitssenatorin Gote sorgt sich nun, laut Schreiben, dass dann "ungesteuert" der ohnehin überlastete Berliner Rettungsdienst auch für Krankentransportfahrten in Anspruch genommen würde, also die Notruf-Nummer 112 angerufen würde. Das "sollte unbedingt verhindert werden", schreibt die Gesundheitssenatorin und wirft ihrer Ressort-Kollegin Spranger vor, sich nicht tatkräftig genug für eine Lösung einzusetzen.

In Sprangers Haus wird gerade noch an der endgültigen Antwort gearbeitet, doch der Entwurf des Schreibens liegt dem rbb vor. Darin schreibt die Innensenatorin, dass sie sehr wohl "an einer schnellen und tragfähigen Lösung" für einen funktionsfähigen Krankentransport interessiert sei - aber dass ihr Haus dafür schlicht nicht zuständig sei.

Streit um Zuständigkeiten

Das sieht die Gesundheitsverwaltung anders und verweist auf das Berliner Rettungsdienstgesetz (RDG). In § 1 Absatz 1 ist da zu lesen: "Der Rettungsdienst umfasst die Notfallrettung und den Krankentransport". Und der Rettungsdienst liege nun mal in der Zuständigkeit der Senatsinnenverwaltung. Daher bitte man, schreibt Gote, "die bedarfs- und fachgerechte Versorgung mit Leistungen des Krankentransportes" sicherzustellen.

Spranger kontert, dass ihr Haus eben nicht zuständig sei für den Betrieb einer Krankentransportleitstelle. Dies müssten die privaten Transportunternehmen sowie die Kostenträger, wie zum Beispiel die Krankenkassen, selbst organisieren. Dafür findet sich ebenfalls ein Beleg im Rettungsdienstgesetz, unter § 5: Die Berliner Feuerwehr müsse nur einspringen, wenn die privaten Unternehmen zu Krankentransporten "nicht bereit oder in der Lage sind". Dies gelte, so Spranger, aber gerade nicht, wenn die Kassenärztliche Vereinigung die bisher freiwillige und unentgeltliche Vermittlung einstelle. Dann müssten sich die Versicherten selbst ein geeignetes Transportunternehmen suchen.

Es gab Gespräche, aber keine Lösung

Eine koordinierte Vermittlung sei aber besser, sind sich die Senatorinnen eigentlich einig. Und Gespräche über die Zukunft von Krankentransporten hat es bereits gegeben - zwischen den Senatsverwaltungen Gesundheit und Inneres sowie Hilfsorganisationen. Ende Dezember und im Januar gab es Treffen. Dort hat der Landesverband Berlin des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) angeboten, gemeinsam mit anderen Organisationen eine neue Leitstelle für die Vermittlung von Krankentransporten einzurichten – allerdings gegen Bezahlung. Die KV Berlin hat bisher kostenlos vermittelt. Und da ist die Frage: Wer zahlt? Woher soll das Geld kommen?

Laut DRK Berlin geht es aktuell um rund 80 bis 100 Krankentransportfahrten am Tag, die vermittelt werden müssen. 96 private Transportunternehmen stehen laut DRK dafür in Berlin bereit. Dabei geht es beispielweise um Fahrten von Patienten, die gehbehindert sind, aber eine Praxis erreichen müssen. Oder die nach Operationen Unterstützung brauchen – planbar und ohne Notfall.

Sollte das DRK die Koordinierung solcher Fahrten übernehmen, rechnet Sprecher Karsten Hintzmann damit, dass allein sechs bis acht Mitarbeitende nötig sind, um in der Kernzeit von 6 bis 22 Uhr telefonisch ansprechbar zu sein. Einen konkreten Kostenrahmen will Hintzmann nicht nennen. Im Rettungsdienstgesetz ist keine Bezahlung solcher Tätigkeit vorgesehen. Sollte sich das ändern, stellen sich auch vergaberechtliche Fragen, betont die Innenverwaltung.

Ich würde ich mir wünschen, dass die Gesundheitssenatorin sich um Probleme in ihrer eigenen Zuständigkeit kümmert.

Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD)

Wie soll es weitergehen?

Klar ist: Die Zeit drängt. Auch wenn die Kassenärztliche Vereinigung zunächst weiter Krankentransportfahrten vermitteln wird. "Wir warten jetzt, ob die nächsten Gespräche Ergebnisse haben", heißt es von der KV. Aber bei dem angekündigten Ausstieg aus der Vermittlung bleibe es auf jeden Fall. Und damit bleibt auch der Druck auf Innen- und Gesundheitsverwaltung, eine Lösung zu finden, damit sich künftig Berlinerinnen und Berliner nicht tatsächlich selbst um Krankentransporte kümmern müssen.

Was zu zusätzlichen Spannungen zwischen den beiden Häusern führt: In ihrem Schreiben an Spranger holt Gote einen alten Vorschlag heraus, mit dem sie vorher schon abgeblitzt ist. Sie will den Rettungsdienst in die Gesundheitsverwaltung holen – bisher ist die Feuerwehr, und damit die Innenverwaltung, zuständig. Damit könne man "den Themenkomplex ambulante, rettungsdienstliche und stationäre Notfallversorgung in die Zuständigkeit und Verantwortung der Gesundheitsverwaltung" überführen, schreibt Gote.

Spranger lehnt postwendend ab und entgegnet harsch: Das "pauschale Angebot" zeuge von "Unkenntnis der Strukturen und Abläufe der Berliner Feuerwehr einschließlich ihres Rettungsdienstes". Und die Innensenatorin wird noch deutlicher: Da eines der Probleme die überlasteten Rettungsstellen sind, die im Zuständigkeitsbereich der Gesundheitsverwaltung liegen, "würde ich mir wünschen, dass die Gesundheitssenatorin sich um solche Probleme in ihrer eigenen Zuständigkeit kümmert".

Beitrag von Angela Ulrich

27 Kommentare

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  1. 27.

    Kompetenzstreitigkeiten auf dem Rücken von Hilfe suchenden auszutragen ist unverantwortlich.
    Es sollte schleunigst eine Lösung gefunden werden.

  2. 26.

    "Bitte Neuwahlen absagen. Berlin gehört unter "Verwaltung" - ohne Berliner und Zugezogene."

    Nein aber nicht unter die Verwaltung von 100 %igen DDR Systemtreuen, die deshalb von 1986 bis 1991 Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin studieren durften.

    Schon der vorherige Innensenator hatte ein SED Parteibuch. Solche Leute haben in der Politik nichts zu suchen. Bezeichnenderweise befinden sich in den ehemaligen Blockparteien, der sPD und der NSAfD mehr SED Kader als in der angeblichen Nachfolgepartei. Sowas dürfte niemals ein hohes Amt bekleiden.

    Von mir aus Schriftführer beim Kaninchenzüchterverein aber doch keine Innensenatoren.

  3. 25.

    Kann allerschlimmste Erfahrungen beisteuern. Mit 70 Bein gebrochen. Neidisch junge Patienten bewundert, die mit 2 Krücken munter selbst Treppen schafften . Alte Frau konnte sich für 2 Monate nur dank Rollstuhl bewegen . Wie kommt man/ Frau dann zur wöchentlichen Kontrolle ins UKB und dann zum Eingriff mit Narkose, bei dem die Schrauben wieder rauskommen?
    Sie hätte vor jeder Fahrt in der Geschäftsstelle der Kasse einen Schein abholen müssen...nur wie kommt sie dahin????

  4. 24.

    Mir fallen nur drei Dinge ein, die ich gerne aus der DDR übernommen hätte:
    1. SERO,
    2. Fahrpreise der Öffis
    3. Öffnungszeiten der Kita

    Insbesondere der Bildungsbereich war übel mit der steten Agitation, Überwachung und Härte gegenüber anders denkenden, Studium nur bei "Staatstreue" Gedanken-Freiheit und Förderung sieht anders aus.
    Gesungheitssystem? Impfpflicht!
    Die zahnärztliche Versorgung in der DDR war unzureichend (Mir fällt da sofort das Gebiss von Lothar de Maizere ein)

  5. 23.

    Stimme für die damalige Zeit zu, aber es wurde leider ,aus meiner Sicht, spät reagiert.
    Ich war Mitte der 90er Jahre Wachführervertreter an der FuRw Wandsbek (F21), wir bekamen für einge Zeit "Einquartierung" von 3 Berliner Kollegen, die sich an der Landesfeuerwehrschule über die in Hamburg seit Anfang der 90 er eingeführte Ausbildung zum Rettass informieren sollten. Die Jungs waren angenehm überrascht, was an Ausbildung auf den Einzelnen zukommen wird.
    Einem Foristen sei gesagt, Feuerwehr und Notfallrettung gehören schon zusammen. Nichts wäre schlimmer, an einer Einsatzstelle zwar die technischen Handgriffe zu beherrschen, aber den Zustand des Patienten nicht beurteilen und entsprechend handeln zu können. Ich rede nicht von der Ersten Hilfe von Führerschein-Inhabern, sondern von hoch professioneller Hilfe, hin bis Zugang legen etc.

  6. 22.

    Mir schwillt der Hals an, wenn ich lese: "was zu DDR-Zeiten gut war" und dabei auch noch die Bildung hervorhebt! Wie kann eine ideologisierte Bildung gut sein, die noch dazu nach dem Gesetz des Parteibuches entschieden wurde!? Nach 32 Jahren Wiedervereinigung immer noch einer Diktatur hinterherzuheulen ist schon verwunderlich!

  7. 21.

    Alle Bekommen mehr Dürfen mehr doch wir sind die Deppen in dem Spiel die alles Ausbaden müssen!!!
    Der Senat Scheißt Wortwörtlich auf die Menschen!!!
    Wollt Ihr Beweise dann kommt Gucken ich Zeig euch das Wahre Bla Bla vom Senat und Inneres so wie Justiz.
    Verstecken sich hinter Lügen und Absurden Ausreden!!!

  8. 20.

    Ja, Berlin ich liebe Dir,
    Du bist ne schöne Chaosstadt,
    und viele haben Dich schon satt.
    Da sieht man wieder, dass die Politik
    in Berlin nichts zustande bringt.
    Man kann nur hoffen, dass dieser Senat
    abgewählt wird und neue Kräfte tätig werden

  9. 19.

    Wieder Mal Streit und keine Verantwortung in Sicht.Bei Berlin denke ich immer an die Chaostheorie, viele verzweifeln,die noch ein geordnetes miteinander kennen.Aber in dieser Stadt wird nach Esoterischen,moralischen.ethmischen,sozialgesellschaftlichen,politischen Parteien,fähigen und unfähigen Politikern,kriminellen,abgehängten,verwendenden,verzweifeln den,Wohnungslosen,kriminellen Dealern,kriminellen Asylanten und Wirtschaftsflüchtlingen........"Minderheiten" beeinflusst..Ach fast hätte ich's vergessen und Nostalgiker einer alten sozialistischen Ordnung,wo vieles Unrecht war aber manches wenige gut lief und die Nähe zum Ostblock.In diesem Chaos lässt sich für viele gut leben und verdienen.Hamburg hat auch seine Probleme, aber vieles läuft dort für viele Bürger gut.

  10. 18.

    Ich versteh nicht, warum die Patienten nicht einfach selber bei den KTs anrufen und ihre Termine mit denen sellbst abstimmen. Wer einen ktw regelmäßig braucht, kennt dich seine Transportfirma und braucht keine Vermittler…. Kopfschütteln

  11. 17.

    Warum schließen Sie von sich auf alle anderen und machen die gesamte Feuerwehr schlecht? Also ich fühlte mich für die damalige Zeit gut ausgebildet und habe qualifizierte Arbeit abgeliefert.

  12. 16.

    Bis vor 15 Jahren hatte Berlin mit Abstand den schlechtesten Rettungsdienst. 3 Feuerwehrbeamte auf dem Rettungswagen die mit dem Tragestuhl alle fleißig transportiert haben. Oder eben auch nicht. Ein Delikt aus Westberliner Zeiten.
    Feuerwehr und Notfallrettung gehören getrennt.

  13. 15.

    Diese Eskalation ist beispielhaft für die Arbeit der Innenverwaltung auf diesem Gebiet. 2022 wurde die Inkompetenz in Sachen Rettungsdienst deutlicher denn je. Erst ignoriert man den höheren Bedarf an Rettungswagen. Dann fährt man mit der Feuerwehrführung die Notfallrettung an die Wand. Folglich gibt es Zank mit der Kassenärztlichen Vereinigung. Und nun bekommt man selbst die Krankentransporte nicht organisiert um Feuerwehr und Kassenärztliche Vereinigung vernünftig arbeiten zu lassen.

  14. 14.

    Man könnte auch einfach mal über den Tellerrand schauen... (Ich weiß, Berlin tut sich da besonders schwer)
    Die einzige Großstadt, die es wieder nicht hinkriegt!
    Es wäre auch die Chance, den ganzen "Wildwuchs" in der KT-Branche mal auf eine Linie zu bringen.
    Für die Qualität (man nennt das ja auch qualifizierten KT - nur in Berlin...) könnte man es sich nur wünschen!

  15. 13.

    Ich halte den Vorschlag von Frau Gote für sinnvoll, dass die Gesundheitsbehörde zuständig ist. Warum die Innensenator das ablehnt, ist mir unklar. Ach ja, es herrscht Wahlkampf Modus in der Stadt.

  16. 12.

    Was zu DDR-ZEITEN gut war musste ja alles kaputt gemacht werden ob Gesundheitswesen, Bildung und Krankentransport.

  17. 11.

    Leider ist Ihre Antwort nicht ganz richtig.
    In der britischen Besatzungszone wurde der Rettungsdienst den Feuerwehren übertragen, in der amerikanischen Besatzungszone dem DRK/BRK .
    Nach und nach zogen z.T. Städte im Süden nach und die Feuerwehr übernahm den RD.
    Zur Organisation in Hamburg, die Behörde für Inneres
    ist Aufsichts- und Genehmigungsbehörde für den RD.
    Diese Aufgabe wurde der Feuerwehr mit entsprechender Personalausstattung übertragen.
    Wie sagte ihr ehemaliger Bürgermeister Müller bei
    M.Lanz, "Ich blicke manchmal neidisch nach Hamburg über die Organisation der Stadt ".

  18. 10.

    Privatversicherte müssen ihre Krankentransporte auch selbst organisieren.
    Sind gesetzliche Versicherte einfach nur dümmer?

  19. 9.

    Bitte Neuwahlen absagen. Berlin gehört unter "Verwaltung" - ohne Berliner und Zugezogene.

  20. 8.

    Volksvertreter , ich lach mich schlapp.
    Wenn man so etwas liest, zweifelt man an der Demokratie.

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