Barometer für Hygiene - Berliner Gastronomen und Bezirke kritisieren "Saubere-Küchen-Gesetz"

Sa 14.01.23 | 08:17 Uhr | Von Anja Herr
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Symbolbild: Ein Lebensmittelkontrolleur überprüft bei einer Betriebskontrolle die Küche eines Restaurants. (Foto: Uwe Anspach/dpa)
Video: rbb24 Abendschau | 13.01.2023 | Anja Herr | Bild: Uwe Anspach/dpa

Schluss mit Ekel-Küchen, her mit Transparenz bei Restaurant-Besuchen: Das verspricht das sogenannte Lebensmittel-Überwachungs-Transparenzgesetz. Eine Rot-Gelb-Grün-Skala am Einlass soll für Klarheit sorgen. Nicht umsetzbar, klagen die Bezirke. Von Anja Herr

Die Blechbilder-Bar in Friedrichshain. Inhaberin Leyla Köprüglügil spült Gläser und schüttelt den Kopf. "Nein", sagt sie, "das glaube ich nicht, dass die "Transparenz-Barometer" eine gute Sache sind", sagt sie. Die Idee dahinter sei vielleicht gut, aber nicht realisierbar. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Bezirk dafür Personal hat. Die kommen doch ihren Aufgaben jetzt schon nicht nach. Wie sollen sie jetzt noch mehr Aufgaben schaffen?", fragt sie in den leeren Raum. Geöffnet wird erst in einer Stunde.

Nicht, dass sie es den Gästen nicht gönnen würde. Aber bis alle Läden im Bezirk – Cafés, Imbissbuden, Supermärkte, Restaurants, Bäckereien – kontrolliert seien und mit dem Farbbalken im Eingangsbereich ausgestattet, "das dauert ewig", ist sie sicher. Berlinweit seien es 50.000 Betriebe. Ungerecht sei es auch: Weil einige dann schon kontrolliert würden und mit Barometern ausgestattet, andere aber noch nicht. "Das führt zu Wettbewerbsverzerrung", stellt sie fest.

Es geht um das "Saubere-Küchen-Gesetz", das der Senat vor 1,5 Jahren für Restaurants und Co. beschlossen hatte. Ein "Transparenz-Barometer" in den Farben von Grün über Gelb bis Rot soll anzeigen, wie die Hygiene-Kontrolle des Gesundheitsamtes in einem Betrieb ausgegangen ist. Die Betreiber müssen dieses Ergebnis in Zukunft gut sichtbar für die Kunden aushängen, es wird auch im Internet veröffentlicht.

Stadträtin Schrod-Thiel: "Wir können nicht loslegen"

Was Kneipenbesitzerin Leyla Köprüglügil mutmaßt, bestätigen die Bezirke. Aus Friedrichshain-Kreuzberg heißt es, das Gesetz könne aus personellen Gründen nicht umgesetzt werden. Man warte auf Nachbesserungen seitens der Senatsverwaltung, um tätig werden zu können. Es existiere noch immer keine gültige Verordnung zur Durchführung des Gesetzes.

Auch die Bezirke Pankow, Treptow-Köpenick und Charlottenburg-Wilmersdorf kritisieren die Senatsverwaltung dafür, nicht die notwendigen Voraussetzungen geschaffen zu haben. "Wir können nicht loslegen", beklagt auch Julia Schrod-Thiel, die zuständige Stadträtin in Reinickendorf. Zugesagte Gelder für Personal und Sachleistungen seien nicht im Bezirk angekommen. Notwendige Schulungen für Mitarbeiter habe es auch noch nicht gegeben.

Senatsverwaltung sieht keine Probleme - erste Barometer sollen noch im Januar hängen

Die Senatsverwaltung für Verbraucherschutz widerspricht. Man habe seit 2017 den Bereich der Lebensmittel- und Veterinärämter in den Bezirken um 37 Prozent aufgestockt - das seien ungefähr 75 Stellen, sagt Verbraucherschutz-Staatsekretär Markus Kamrad der rbb24 Abendschau. Richtig sei, dass das Gesetz bereits im Juni 2021, noch unter der vorherigen Regierung und dem damaligen Verbraucherschutzsenator Dirk Behrendt (Grüne), beschlossen wurde.

Kamrad könne die Aufregung jetzt nicht nachvollziehen. So habe aus rechtlichen Gründen das Gesetz erst inkrafttreten müssen, bevor die dazu passende Durchführungs-Verordnung an den Start gehen könne. Andersherum wäre sie ungültig gewesen, betont der Staatssekretär.

Zum 15. Januar soll sie nun kommen. Kamrad betont, dass die Verordnung mit den Bezirken besprochen, das Personal bereits in der vergangenen Legislaturperiode zur Verfügung gestellt und die Gastronomen informiert worden seien, so der Staatssekretär weiter. Seiner Ansicht nach ist die Verordnung auch nicht kompliziert. Lebensmittelkontrollen fänden ohnehin statt - nur mache man die jetzt transparent. Und wenn es eine Gesundheitsgefährdung gebe, werde der Betrieb ohnehin geschlossen. Die ersten Barometer sollen nach Kamrads Dafürhalten "im Laufe des Januars ausgehängt werden".

Hotel- und Gaststättenverband: "Gesetz ist nicht zu Ende gedacht"

Thomas Lengfelder, Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbands, überzeugt dies aber nicht. Schon bei Gesetzbeschluss habe es damals viele Gespräche gegeben. Lengfelder verbirgt nicht, dass er sauer ist. Denn der Verband hatte damals darauf gedrängt, dass Unternehmen das Recht auf eine Nachkontrolle haben, bevor ein Negativ-Ergebnis veröffentlicht wird. Das Gesetz sieht zwar vor, dass gegen Bezahlung eine Nachkontrolle beantragt werden kann, die innerhalb von zwei Monaten erfolgen soll. Zunächst einmal hängt aber das schlechte Ergebnis im Eingang. Schwarzer Pfeil auf Rot.

"Für einen Unternehmer und für Arbeitsplätze ist das schädlich", sagt Lengfelder. Eine Kontrolle sei ja nur eine Momentaufnahme. "Eine Kennzeichnung bringt dem Verbraucher meines Erachtens nicht viel. Man kann daraus nicht schließen, wie in dem Unternehmen langfristig gearbeitet wird."

Zu wenige Kontrollen

Viel wichtiger als die Einführung eines Barometers sei es, dass flächendeckend Kontrollen stattfinden. Das sei aber nicht gegeben. "Wir wissen, dass wegen Personalmangel in vielen Bezirken über längere Zeiträume gar keine Kontrollen stattfinden", sagt Lengfelder.

So sieht es auch Gastronomin Leyla Köprüglügil. "Bei manchen Läden frage ich mich schon, warum da nicht mal kontrolliert wird", sagt sie. Wichtig fände sie, dass Restaurantbetreiber regelmäßig zu Hygiene-Schulungen verpflichtet würden. "Das würde Sinn ergeben", sagt sie. Aber Transparenz-Barometer? Grün, Gelb, Rot. Sie habe jetzt keine Zeit, darüber nachzudenken. Es ist gleich 15 Uhr, dann macht sie das Lokal auf. Dann kommen die ersten Gäste.

Sendung: rbb24 Abendschau, 13.01.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Anja Herr

47 Kommentare

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  1. 47.

    Einfach das dänische System übernehmen, Smileys mit dem Ergebnis sichtbar am Eingang. Ist bestens bewährt und sorgt für saubere Küchen. Wer Hygiene als Empfehlung ansieht, die man nur mal kurz macht, weil eine Nachprüfung stattfinden soll, hat dann eben Pech. Dann kann die Kontrolle auch gleich vorher angekündigt werden, damit man noch schnell putzen kann. Wegen der Übergangszeit nimmt man einfach die vorhandenen Ergebnisse der letzten Prüfung und startet die Aushangpflicht in einem Jahr. Bis dahin kann man Betriebe mit Mängeln noch mal nachkontrollieren. Die Branche sollte selbst das größte Interesse daran haben, das schwarze Schafe sich nicht mehr hinter Datenschutz verstecken können.

  2. 46.

    Ich hatte nicht von mehr Gestzen geschrieben sondern von mehr Hygiene Kontrollen und zwar unangemeldet ich weiß von was ich schreibe habe fast 50 Jahre in der Gastronomie und Lebensmitteln Industrie gearbeitet.

  3. 45.

    @ Daniel, ein Schreibtisch sieht nach Feierabend anders aus, als 8 h vorher. Wenn das die Leute wissen, ist alles kein Problem. Aber viele wissen ja gar nicht wie ihre Küche zu Hause aussieht weil der/die Partner/in sie nutzt.
    P.S. Ich bin kein Gastronom sondern bestenfalls nur Gast. Aber inzwischen glaube ich (auch durch das lesen vieler Kommentare hier bei rbb24) das Urteilsvermögen anderer zu kennen.

  4. 44.

    Viele Spätis akzeptieren ja schon Kartenzahlung ab einem gewissen Betrag, da es sich sonst nicht lohnt. Dieser liegt bei meinem Haus- und Hof-Späti bei 10€. In Restaurants dürfte dieser Betrag recht schnell erreicht sein, bei Dönerbuden o. ä. vielleicht nicht unbedingt. Es dürfte aber auch im Interesse von Restaurantbetreibern sein, Kartenzahlung zu akzeptieren. Denn mal ab von der Pandemiezeit, die ja ein ziemlicher Downer für das Gastrogewerbe war und auch einige Gäste ob des Wechselgeld Hin-und-her-Geschiebes abgeschreckt haben dürfte, sind internationale Gäste, von der die Berliner Gastro ja auch zu gutem Teil lebt, oftmals K-Zahlung gewohnt.

    Zur Hygiene-Ampel meine ich, dass diese als Konzept sicher gut gedacht ist. Nur muss man dann eben auch regelmäßig kontrollieren und ggf. umampeln. Und dahingehend habe ich doch Zweifel, ob das in Berlin ähnlich wie in hier schon mal genannte beschaulichen Dänischen Städtchen umzusetzen ist. Aber gut, irgendwo muss man ja mal anfangen.

  5. 43.

    Kontrollen sind grundsätzlich unangemeldet, so ist es von der EU vorgegeben. Und die Rückrufe sind vorbeugender Verbraucherschutz, die Zunahme ist ein Zeichen der verbesserten Überwachung seitens der Industrie.

  6. 42.

    Es gibt genügend Regelungen, und zwar:

    - EU Verordnung (EG) Nr. 852 / 2004 zur Gesetzesgrundlage für Hygienevorschriften (seit 2006)
    - ergänzt in Deutschland seit 2007 durch die Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von Lebensmitteln

    Es macht einfach keinen Sinn, immer wieder neue Gesetze und Verordnungen zu erlassen, wenn die bisherigen nicht mal umgesetzt werden. Laut Wikipedia gab es 2022 in der BRD insgesamt 1.773 Bundesgesetze mit 50.738 §§ und 2.795 Bundesrechtsverordnungen mit 42.590 §§, dazu Gesetze und Rechtsverordnungen der Bundesländer.
    Nur immer noch neue Gesetze aufzusetzen, schafft nur mehr Intransparenz, weil kein Mensch mehr durchsieht. Gut für Juristen, schlecht für den Bürger. Das ist so, als würde ich nie aufräumen, sondern immer noch was oben drauf packen. Wichtiger wäre es, bestehende Gesetze zu überprüfen, die heutigen Maßstäben nach nicht mehr genügen.

  7. 41.

    Die Gastronomin hat nicht behauptet, Sie hätte keine Zeit über Transparenz in der Hygiene oder überhaupt Hygiene nachzudenken, sondern über das geplante Barometer. Was war denn an diesem Satz falsch zu verstehen? "Aber Transparenz-Barometer? Grün, Gelb, Rot. Sie habe jetzt keine Zeit, darüber nachzudenken." Und selbst wenn sie darüber nachdenken würde, was würde es ihr bringen? Ihr wird eine neue Verordnung vorgesetzt und sie muss sich dran halten, egal wieviel sie drüber nachdenkt.

  8. 40.

    Genau das muss ein Gastronom aber heute schon befürchten. Die Anforderungen der Hygiene und der gesetzlichen Regelungen wie der Lebensmittelhygiene-Verordnung LMHV sind sehr hoch und es muss jederzeit mit Kontrollen gerechnet werden. Scheinbar finden die nicht statt. Oder wie lässt es sich sonst erklären, dass es vielleicht manche Gastronomen nicht so genau mit der Sauberkeit nehmen? Was wird sich durch einen Aufkleber an der Tür daran ändern, dass es kein Personal für Kontrollen gibt? Nichts vermutlich. Wie sieht es außerdem mit Bestechung aus? Wird der eine oder andere sich sein Schildchen vielleicht erkaufen können? Etikettenschwindel im wahrsten Sinn des Wortes. Es gibt so viele Probleme in der Stadt und die Politik serviert uns alten Wein in neuen Schläuchen.

  9. 39.

    Ganz genau so sehe ich es auch das Problem ist das Kontrollpersonal was nicht vorhanden ist.

  10. 38.

    Ich finde dieses Gesetz super Sauberkeit und Hygiene sind das A und O in der Gastronomie. Dort werden Gäste bewirtet mit Speisen und Getränken da haben Dreck und Keime nichts zu suchen. Es müssten viel mehr Hygiene Kontrollen in der Gastronomie und Lebensmitteln Industrie sowie Verkaufsstellen durchgeführt werden UNANGEMELDET denn hätten wir auch nicht immer wieder Rückruf Aktionen.

  11. 37.

    Im Prinzip gute Idee! Aber: Eine
    temporäre Kontrolle bringt es nicht. Die schafft nur Ungerechtigkeit. Für mehr fehlen die Mitarbeiter. Es ist höchste Zeit das endlich mal die Grundvoraussetzungen zur Eröffnung eines gastronomischen Betriebes geändert werden. Aktuell setzt sich der zukünftige Gastronom in eine ca. Einstündige Schulung bei der IHK. Es ist völlig egal was der oder die vorher gemacht hat. Es gibt keine Prüfung und es ist völlig egal ob derjenige überhaupt deutsch spricht und somit versteht was ihm da vermittelt werden soll. Da ist die DEHOGA, Senat und ggf. der Bund gefordert dies dringend zu ändern!

  12. 36.

    Welch ein Schwachsinn mit einem blödsinnigen Gesetz das wieder einmal ohne Sinn und Verstand in die Welt gesetzt wurde. Wenn es kein Personal zur Durchführung gibt was soll das?
    Wenn durch die Prüfung eine Küche als unhygienisch erkannt wurde ist sie zu schliessen. Alles andere ist Augenwischerei.

  13. 35.

    Es genügt eine Registrierkassen mit Bonpflicht. Wurde so vor Jahren in Italien eingeführt. Die kleinen Kneipen mit ihrer "Zettelwirtschaft" müssten dann etwas transparenter arbeiten.

  14. 34.

    Und aufgrund welcher Rechtsgrundlage möchten sie das?
    Kartenzahlung kosten den Geschäftsinhaber jedesmal Abgaben, was macht also jemanden der das nicht möchte in ihren Augen verdächtig?

  15. 33.

    Stimmt, jede Prüfung ist eine Momentaufnahme. Ich denke jedoch, jeder Prüfer ist in der Lage zu unterscheiden, ob der Schmutz in der laufenden Arbeitssituation entstanden ist oder ob die Küche schon länger versifft ist. Fleisch vergammelt schließlich nicht innerhalb von Stunden in der Kühltruhe. Bezüglich des Punktesystems sind wir uns ja offenbar einig: statt einen roten Punkt zu vergeben, kann man auch gleich (zumindest bis nachgebessert wurde) schließen.

  16. 32.

    Wäre auch schön wenn Restaurants mit "nur Barzahlung" vom Finanzamt unter die Lupe genommen werden.

  17. 31.

    "Typisch grünes Politikverständnis. Wunschdenken mit Sprachregelung und dabei die eigenen Möglichkeiten, den Wunsch zu realisieren, einfach ausblenden. Wie unsinnig sind denn Vorschriften, deren Einhaltung man nicht kontrollieren kann!?!?"

    Die Bezirke hatten 1,5 Jahre Zeit sich vorzubereiten, die Zeit hat man verstreichen lassen. Interessant ist wer hier protestiert und behauptet man wäre überlastet.

    Julia Schrod-Thiel, Reinickendorf, cDU
    Manuela Anders-Granitzki. Pankow, cDU
    Bernd Geschanowski, Treptow-Köpenick. AfD
    Oliver Schruoffeneger, Charlottenburg-Wilmersdorf, Bü90/Grüne

    Was fällt auf? Wir sind mitten im Wahk(r)ampf den cDU Bezirksfürsten auf Kosten der Bürger spielen, der Bezirksstadtrat der rechtesextremen AfD hat sich schon früher als unfähig erwiesen und Charlottenburg-Wilmersdorf spiel eine Sonderrolle, da dort berlinweit die meisten Restaurants zu finden sind.

  18. 30.

    "Wenn eine gastronomische Einrichtung nicht den Hygienestandards entspricht, muss sie sofort geschlossen werden." Nein! Die Prüfer kommen ja auch mal im dicksten Geschäft und dann ist mal nicht alles pikobello. Normalerweise gibt's dann eine Verwarnung und eine zeitnahe Nachprüfung. Die Prüfung ist eine Momentaufnahme, es soll auch Unternehmer geben, die ihre Standarts verbessern und denen kann man nicht einfach die Existenzgrundlage entziehen. Da hängt dann jahrelang n roter Punkt an der Tür? Das kommt der Schließung gleich.

  19. 29.

    Na da hat wohl jemand was zu verbergen ansonsten wenn man sauber ist und ein reines Gewissen braucht man doch nichts befürchten.

  20. 28.

    Genau, dann wählen wir einfach eine Partei, die alle Gesetze unwirksam macht, die kontrolliert werden müssen. Welche wäre das?

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