Fall Kantstraße - Müssen Berliner Pop-up-Radwege jetzt verlegt werden?

Di 05.11.24 | 11:13 Uhr
  29
Archivbild: Der Radweg in der Kantstraße in dem Berliner Stadtteil Charlottenburg führt zwischen parkenden Autos und dem Fußgängerweg entlang. (Quelle: dpa/Deckwerth)
Bild: dpa/Deckwerth

Der Pop-up-Radweg auf der Kantstraße soll aus Brandschutzgründen seinen Platz mit den links daneben parkenden Autos tauschen. Radfahr-Verbände kritisieren das. Droht anderen Pop-up-Radwegen Berlins das gleiche Schicksal?

Auf der Kantstraße können Radfahrende aktuell auf einem geschützten Radweg fahren. Er wurde vor rund vier Jahren als Pop-up-Radweg unter dem rot-rot-grünen Senat geschaffen.

Das Besondere: Obwohl der Radweg durch eine Straße mit viel Autoverkehr führt, düsen hier an den Radfahrenden keine SUVs oder Kleinwagen direkt vorbei. Dieser Radweg liegt eingebettet zwischen Bürgersteig und parkenden Autos. Also von rechts nach links: Gehweg, Radweg, Parkstreifen und dann die Spur für den fließenden Autoverkehr.

Doch das soll sich nun ändern: Die parkenden Autos und der Radweg sollen die Plätze tauschen. Laut Bezirksstadtrat Christoph Brzezinski (CDU) ist der Radweg zu schmal für Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr: Im Falle eines Brandes könnte sie keine Drehleiter aufstellen und Menschen aus den oberen Stockwerken retten.

Fahrradverband bemängelt Sicherheitsverlust

Doch von der Idee, den Radweg und die parkenden Autos die Plätze tauschen zu lassen, hält Karl Grünberg gar nichts. Er ist Pressesprecher des Landesverbands Berlin des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). "Dadurch entsteht eine große Gefährdung der Radfahrenden, dies sich dann wieder ungeschützt auf der Kantstraße befinden würden", sagt Grünberg.

Die Kantstraße habe aber unter anderem ein großes Raser- und Poserproblem, bemängelt Grünberg. "Der Radstreifen wäre die einladende, zweite Spur für die Rennen. Außerdem gäbe es dann wieder das Problem mit den Zweite-Reihe-Parkern. Dann müssten sich die Radfahrenden wieder in den fließenden Verkehr eingliedern, was gefährlich für sie ist." Er sehe keinen vernünftigen Grund, warum die Radfahrer gefährdet werden sollten. "Man muss sich fragen, was ist dem Senat wichtiger: die Gefährdung von Parkplätzen oder die von Radfahrenden?"

Grünberg ist überzeugt: "Sicherheit für Radfahrende und genug Platz für die Feuerwehr geht zusammen, man muss es nur wollen."

Brandschutzprobleme auch ohne Radweg

Tatsächlich scheint die Feuerwehr auch andernorts Platzprobleme durch zu enge oder zugeparkte Straßen zu haben - unabhängig von Radwegen.

So heißt es zum Beispiel von der Bezirksstadträtin Saskia Ellenbeck aus Tempelhof-Schöneberg, eine Abfrage bei der Berliner Feuerwehr habe ergeben, dass es große Defizite in den Nebenstraßen des Bezirks gebe. "Insbesondere in den dichten Wohngebieten wird die Mindestbreite auf den Straßen zum Teil unterschritten", erklärte Ellenbeck. Die Feuerwehr melde regelmäßig Straßen mit besonders gravierenden Mängeln. "Der zuständige Fachbereich prüft daraufhin die Situation vor Ort und erlässt entsprechende Maßnahme. So wurde beispielsweise in diesem Monat die Parkordnung in der Werfelstraße geändert. Außerdem hat die Einrichtung einer Fahrradstraße in der Handjerystraße auch zur Verbesserung der Situation für die Feuerwehr geführt", sagte die Bezirksstadträtin.

Wann der Pop-up-Radweg auf der Kantstraße den Platz mit den parkenden Autos tauschen soll, ist noch nicht klar. Der für Straßen zuständige Bezirksstadtrat Oliver Schruoffenegger (Bündnis90/Die Grünen) sagte der rbb24 Abendschau kürzlich, er habe noch keine verkehrsrechtliche Anordnung des Senats erhalten, auch keine Förderzusage. Es gebe dementsprechend noch keine Ausschreibung. Außerdem sehe er es als problematisch an, eine neue Fahrbahn-Markierung im Winter aufzubringen, weil die Farbe nicht hält.

Auch in der Bülowstraße und der Kleiststraße in Tempelhof-Schöneberg, der Stromstraße in Mitte, der Hermannstraße in Neukölln und dem Kottbusser Damm, der Kottbusser Straße und der Lichtenberger Straße in Friedrichshain-Kreuzberg sind Radwege so angelegt wie in der Kantstraße. Dass sie aus Brandschutzgründen das gleiche Schicksal ereilt, scheint aber unwahrscheinlich.

Vom Bezirk Mitte hieß es, man habe "die Belange der Feuerwehr, insbesondere die Aufstellflächen für Hubrettungsgeräte berücksichtigt". Auch Bezirksstadträtin Saskia Ellenbeck aus Tempelhof-Schöneberg versichert, dass man die Bedürfnisse der Feuerwehr beim Anlegen der Radwege in der Bülow- und Kleiststraße bereits eingerechnet habe. Auch von den Bezirksämtern Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln heißt es, dass keine Beschwerden der Feuerwehr vorliegen würden.

Auf die Frage, ob der Feuerwehr für diese Radwege Brandschutzprobleme bekannt seien, teilte die Pressestelle der Berliner Feuerwehr schriftlich mit: "Die Berliner Feuerwehr ist in dieser Sache nicht die aktenführende Stelle und kann daher leider keine Aussage treffen, da uns die Informationen zu dem in der Baugenehmigung beauflagten Rettungswegkonzept nicht vorliegen."

Sendung: rbb24 Abendschau, 28.10.2024, 19:30 Uhr.

Kommentar

Bitte füllen Sie die Felder aus, um einen Kommentar zu verfassen.

Kommentar verfassen
*Pflichtfelder

Aus datenschutzrechtlichen Gründen werden Kommentare, bei denen die E-Mail-Adresse in den Feldern Name, Wohnort oder Text geschrieben wurde, nicht freigegeben. Mit Nutzung der Kommentarfunktion stimmen Sie unserer Netiquette sowie unserer Datenschutzerklärung (Link am Ende der Seite) zu. Wir behalten uns vor, Kommentare, die nicht zu einer konstruktiven Diskussion beitragen, nicht freizugeben oder zu löschen. Wir geben keine Auskunft über gelöschte oder nicht freigegebene Kommentare. Mit der Abgabe eines Kommentars erklären Sie sich mit diesen Regeln und den Kommentarrichtlinien des rbb einverstanden.

29 Kommentare

  1. 29.

    Den normalen Verkehr?! Das sind doch alle. Mich stören Autos (Laut, gefährlich, groß,…) sollen jetzt auch alle nur noch dahin, wo sie nicht stören? Sowas von ideologisch.

  2. 28.

    Warum sollte man die Parkplätze zu Gunsten der Fahrräder opfern. Das ist absolut falsch die Menschen haben ein echt und Parkhäuser gibt es da nicht. Tauscht die Spuren und gut ist. Es ist nicht fair einfach ersatzlos Parkplätze alles auf Kosten der Pkw jetzt für grüne zu ändern. Fahrräder können entspannt die Nebenstraßen verwenden da ist es Verlehrsruhig und kann sicher genauso befahren werden hoch und runter parallel der Kantstraße. Also mit der jetzigen Dummen Lösung und hin zu Vernunft.

  3. 27.

    PopUp-Radwege endlich wieder abschaffen, da sie nur Öökopopulisisch Gefordert sind und nur einer kleinen Minderheit nutzen zum Nachteil der breiten Masse.

  4. 26.

    guten Tag und vielen Dank, Ihrer Beitrag spricht mir aus dem Herzen. Fahrradwege gehören dort hin, wo sie nicht stören. Und an vielen (den meisten) Straßen stören sie massiv den normalen Verkehr. Am besten die Stadt wird weiter untertunnelt, natürlich mit Fahrradwegen, damit dieses Fahrradfahrergeplärre irgendwann mal wieder verstummt.

  5. 24.

    Dass der CDU Parkplätze wichtiger sind als Wohnungen und die Menschen darin, ist nun offensichtlich.

    Die sinnvolle Lösung für diese Straße wäre, dass man den Fahrradstreifen dort belässt wo er ist. Der Parkstreifen wird durch eine Busspur ersetzt. Dann ist die Feuerwehr und auch alle anderen glücklich.
    In der Umgebung gibt's schließlich Parkhäuser.

  6. 22.

    Zu viele Autos, zu viele Autos, zu viele Autos.

    Aber CDU und FDP, egal ob Senat oder Bundesregierung, werden unsere Mittel schon an die Großindustrie umverteilen, damit wir noch mehr Autos, Autos und mehr Autos in unsere Städte bekommen. An lebenswerte Städten hat in Deutschland niemand von CDU und FDP Interesse. Die Leichtigkeit des MIV hat Vorrang vor allen.

  7. 21.

    Was ist mit Mittelstreifen, dienen sie doch als Refugium wenn man die Straße überqueren will? Sie sind bereits jetzt zu schmal!

  8. 20.

    Sie IST absurd. Dabei ist die Lösung einfach. Aus dem Vorgängerthread:

    "Wenn die Anwohnenden auf den Stellplatz vor dem Haus verzichten, könnten sie weiter die Wohnung nutzen. Das müsste wiederum der Senat anordnen – aber dagegen sperrt sich seine Parteikollegin, Senatorin Bonde (CDU)."

    Was macht die Feuerwehr eigentlich bei Bränden auf dem Hinterhof? Laut Brzezinski müßten diese Wohnungen ja gesperrt werden.

  9. 19.

    Einfache Lösung: Radweg verbreiten sodass Einsatzfahrzeuge darauf passen.

    Was unternehmen die Ordnungsmächte gegen sogenannte illegale Autorennen und illegale Poserei?

  10. 18.

    PopUp Radwege haben grundsätzlich zu verschwinden.

  11. 17.

    Die Kantstraße ist ein Schnellschuss von Günther gewesen, bei anderen Radwegen hat man hoffentlich sorgfältiger geplant. Fuß e.V. aber auch Ellenbeck kritisiert, weil sie den Radweg auf der Schöneberger Hauptstraße am Richard-Weizsäcker-Platz konfliktsteigernd mit den ÖPNV-Nutzern hat anlegen lassen.

  12. 16.

    Mehringdam in südlicher Richtung ist es doch auch so und es klappt super. Anders als in der Hasenheide, was jetzt ähnlich der aktuellen Kantstr gebaut ist.

  13. 14.

    Das ist doch eine müßige Diskussion. Die Verteilung des öffentlichen Raums ist ein demokratischer Prozess und in diesem ist nun mal vereinbart worden, dass auch das Abstellen von Fahrzeugen aller Art ein Berechtigtes Anliegen ist und daher Berücksichtigung findet. Das gilt es erst mal zu akzeptieren, auch wenn mir das persönlich auch nicht immer und überall gefällt. Das Parken am Straßenrand hat schon auch seine Berechtigung und ist zumindest in Teilen auch für das dortige Gewerbe unabdingbar. Parkhäuser sind zwar oft, aber nicht immer eine sinnvolle Alternative. Speziell in der Kantstraße entstand das aktuelle Problem ja erst durch die Verschiebung der Verkehrsströme, weil man den Parkstreifen nach links verschoben hat. Durch den begrünten Mittelstreifen verbleibt dadurch aber zu wenig Stellfläche für die Rettungsleitern der Feuerwehr und das führt dazu, dass der zwingende zweite Fluchtweg entfällt. Daher hätte es die Umgestaltung nie geben dürfen, weil nicht genehmigungsfähig.

  14. 12.

    Das Ganze ist ein Schildbürgerstreich von Brzezinski.

    "Man muss sich fragen, was ist dem Senat wichtiger: die Gefährdung von Parkplätzen oder die von Radfahrenden?"

    Die Antwort ist leider sehr einfach.

  15. 11.

    Ich bin für den Abriss der Vorderhäuser.
    Dann ist genug Platz für Radwege und die Feuerwehr kommt mit den Leitern auch an die Hinterhäuser.
    ...

  16. 10.

    Kantstraße neu machen:
    - Mittelstreifen weg, viel mehr Platz für
    - je eine Fahrspur Autos
    - je ein Radweg
    - Minimale Anlieferzonen bei Geschäften von 9-11 und 16-19 Uhr,
    - KEINE Dauerparkplätze.
    DAs geht schon, muss man nur wollen - und es ist wie immer nicht kostenlos!

Nächster Artikel