Flüchtlinge in Ostprignitz-Ruppin - Unterkünfte dringend gesucht
Die Landkreise in Brandenburg stehen bei der Flüchtlingsunterbringung vor enormen Herausforderungen. Immer neue Hilfsbedürftige kommen, doch die Plätze sind knapp. Überforderung macht sich breit. So auch in Herzberg. Von Björn Haase-Wendt
Dicht gedrängt sitzen die Herzberger an diesem Abend im Gemeindezentrum und hoffen auf Informationen. Denn seit zwei Wochen brodelt die Gerüchteküche im Ort, nachdem der Landkreis Ostprignitz-Ruppin angekündigt hat, 75 Geflüchtete in Herzberg unterbringen zu wollen. Die Kreisverwaltung in Neuruppin hat dazu das leerstehende Hotel "Weißes Haus" am Ortsrand für zunächst fünf Jahre angemietet.
"Wir wurden so ein bisschen im Dunkeln gelassen und wurden vor vollendete Tatsachen gestellt", kritisiert Dorothea Wolf, eine junge Frau, die zur Einwohnerversammlung gekommen ist.
Kitas und Busse voll
Ein Teil der 100 Herzberger, die gekommen sind, fürchtet eine Überforderung. 75 Geflüchtete bedeuten für den kleinen Ort zehn Prozent mehr Einwohner. Aber schon heute ist die Kita im Ort voll, es gibt Wartelisten. Auch seien die Schulbusse nach Neuruppin überfüllt. Ein Supermarkt fehlt in Herzberg. "Wie soll das erst werden, wenn die Flüchtlinge zu den Integrationskursen fahren müssen", fragt ein Herzberger in der Versammlung.
Lösungen haben die Vertreter der Kreisverwaltung dafür ad hoc nicht. Aber sie versichern, die Probleme mitzunehmen. Für die Kinderbetreuung könne der Landkreis in der Unterkunft einen Spielkreis einrichten, auch wenn dies nicht einer Kitabetreuung gleichkäme. Das Problem der vollen Busse sei hingegen neu. Es sollen aber Gespräche mit der Busgesellschaft geführt werden, sagt Andreas Liedtke, der Leiter des kreislichen Amtes für Soziales dem rbb. "Ich verstehe die Bedenken gut. Die sind völlig klar, denn man weiß nicht, was auf einen zukommt."
Platz für 877 Flüchtlinge gesucht
Doch andere Optionen hat die Kreisverwaltung bei den Unterbringungen der Geflüchteten kaum noch. Im vergangenen Jahr hatte Ostprignitz-Ruppin 1.400 Menschen aufgenommen, in diesem Jahr sollen es 877 sein. So sieht es das Aufnahmesoll vor. Hinzukommen Hilfsbedürftige aus Sonderprogrammen wie afghanische Ortskräfte oder Erdbebenopfer aus der Türkei, die Deutschland derzeit aufnimmt.
Freie, bezahl- oder nutzbare Wohnungen findet der Landkreis für sie aber kaum noch. "Von Wohnungsbaugesellschaften bekommen wir de facto keine Wohnungen mehr angeboten", sagt Amtsleiter Liedtke. Das habe unterschiedliche Gründe. Zum einen gebe es in einigen Orten die Vorgabe, keine Wohnungen für Flüchtlinge bereitzustellen, in anderen Orten gebe es keinen Leerstand oder die Wohnungen seien in einem Zustand, der nicht nutzbar sei. "Es hat ja wenig Sinn, Wohnungen anzumieten, wo die Fußböden und Zwischenwände weg sind."
Also ergreift der Landkreis die Chancen, die sich ihm bieten - wie in Herzberg. Dort steht das frühere Hotel leer, schon 2015 sollte es zur Unterbringung von Geflüchteten genutzt werden. Aktuell wird es umgebaut, voraussichtlich Mitte Mai sollen die ersten Menschen einziehen.
Geflüchtete kommen über die Balkanroute
In der Diskussion stellt sich immer wieder die Frage der Herkunft. Im Ort gebe es das Gerücht, dass vor allem junge tschetschenische Männer untergebracht werden sollten, sagt eine Anwohnerin. Die Sozialdezernentin von Ostprignitz-Ruppin, Waltraud Kuhne, weist dieses Gerücht zurück. In diesem Jahr seien noch keine Tschetschenen im Landkreis aufgenommen worden. "Aber ja, wir als Landkreis wissen auch erst drei bis zehn Tage vorher, wer aus den Erstaufnahmeeinrichtungen zu uns kommt. Im Moment kommen viele Flüchtlinge über die Balkanroute, das heißt Menschen aus Syrien, Libyen und den Regionen", sagt Liedtke im rbb-Gespräch.
Die Herzberger überzeugt das nur teilweise. "Ich kann nun ruhiger schlafen und man kennt die Zusammenhänge", sagt Jürgen Brandenburg. Anders sieht das Alexandra Rimpau: "Ich hätte mir gewünscht, zu wissen, wer hier einzieht, um eine Sicherheit zu haben. Ich bin der Meinung, wir wurden einfach nur beruhigt."
Die Gemeindevertreterin Dörthe Hering, die 2016 bereits Geflüchtete unterstützt hatte, appelliert derweil an die Offenheit der Herzberger: "Nicht einfach alles wegweisen, sondern geht auf die Leute zu."
Sendung: Antenne Brandenburg, 29.03.2023, 17 Uhr