Abschiebungen und Unterkünfte - Brandenburger CDU und Grüne streiten über Flüchtlingspolitik

Mi 01.03.23 | 06:20 Uhr | Von Markus Woller
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Migranten gehen über das Gelände der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber (ZABH) des Landes Brandenburg. (Quelle: dpa-Zentralbild/Patrick Pleul)
Audio: Antenne Brandenburg | 01.03.2023 | O-Ton Innenminister Stübgen | Bild: dpa-Zentralbild/Patrick Pleul

Dass die Kommunen bei den aktuell hohen Flüchtlingszahlen Unterstützung brauchen, darin sind sich die beiden Brandenburger Koalitionsparteien CDU und Grüne einig. Bei den Themen Abschiebungen und Unterbringung gibt es aber Streit. Von Markus Woller

  • Innenminister verschärft den Ton in Flüchtlingsdebatte
  • Grüne: Ruf nach Abschiebungen hilft nicht
  • Opposition sieht Ping-Pong-Spiel

Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) ist verbal voll im Alarmmodus. In der jüngsten Landtagdebatte holt er zum Rundumschlag aus: Das Land stehe kurz vor dem Migrationskollaps, es drohe ein massives Integrationsversagen. Als Reaktion brauche es nun eine Rückführungsoffensive und eine Begrenzung in der Zuwanderung durch den Bund.

Objektiv kann man attestieren: Immer mehr Kommunen melden, dass sie beim Thema Aufnahme von Geflüchteten an die Grenzen kommen, sei es bei der Schaffung von Wohnraum oder bei der Integration in Schule, Kita oder Arbeit.

39.000 Menschen wurden im vergangenen Jahr in den Landkreisen und kreisfreien Städten verteilt. 2023 haben die Zahlen zwar etwas an Dynamik verloren. Offiziell rechnet das Land aber immer noch mit rund 25.000 Geflüchteten bis Jahresende.

CDU beflügelt von Berliner Wahlergebnis?

Die Debatte darum, wie das Land mit dem anhaltenden Zustrom umgeht, hat allerdings mächtig an Dynamik gewonnen. Vor allem die CDU legt da das Tempo vor - offenbar angefeuert durch steigende Umfragewerte im Bund und den Wahlerfolg in Berlin.

Beides erklären Experten unter anderem mit dem schärferen Ton der CDU gegenüber Migranten nach den Silvester-Krawallen in der Hauptstadt. Die Brandenburger CDU scheint daraus lernen zu wollen: Stübgens Rede vor dem Parlament ist dafür beispielhaft. Aber auch der kommende starke Mann in der Partei, Jan Redmann, bemühte sich bei seiner Bewerbungstour um die Parteispitze jüngst um eine Profilschärfung in der Geflüchteten-Debatte.

Die Linie der Partei: Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive nicht mehr auf die Landkreise verteilen, sondern in den Erstaufnahmeeinrichtungen halten. Außerdem soll konsequenter abgeschoben und die Zuwanderung beschränkt werden.

Budke: Stübgen vergiftet das Klima

Als Widerpart dazu versteht sich in Brandenburg immer noch der Koalitionspartner von Bündnis 90/Grüne. Im Gebälk der Koalition knarzt es in diesem Zusammenhang deshalb gerade immer mal wieder laut. Fraktionschefin Petra Budke spricht von "unabgestimmten Vorschlägen" der CDU und macht klar, dass es mit den Grünen eine Abschiebe-Initiative nicht geben werde. "Brandenburg bleibt weltoffen", macht sie klar. Abschiebungen würden zudem kaum helfen, weil in die Hauptherkunftsländer Russische Föderation, Irak, Syrien und Afghanistan aus humanitären Gründen gar nicht abgeschoben werde.

Den schärferen Ton in der Debatte sieht man bei den Grünen gar als Gefahr für den sozialen Frieden im Land. Man dürfe die gesellschaftlichen Verwerfungen nicht befördern. "Das tut der Innenminister, wenn er Begriffe in den Mund nimmt wie ‚Asyltourismus‘. Das vergiftet das Klima und schürt Ängste", sagt Budke.

172 Abschiebungen im vergangenen Jahr

Die Fakten zeigen: Brandenburg hat weiter Potenzial für Abschiebungen. 10.700 Menschen waren laut Innenminister zum Ende des letzten Jahres offiziell ausreisepflichtig. Bei 4.500 davon sind alle Rechtsmittel ausgeschöpft, was für die Abschiebung eine Voraussetzung darstellt. Nur rund 2.000 davon könnten aber tatsächlich abgeschoben werden, unter anderem, weil sie nicht aus Kriegsgebieten oder gefährlichen Regionen stammen. Tatsächlich ausgereist sind im vergangenen Jahr aber nur 480 Personen. 308 haben das Land freiwillig verlassen, 172 Personen wurden laut Innenministerium abgeschoben.

Noch CDU-Chef Stübgen nimmt, ob der angespannten Lage in den Kommunen, die Grünen aber in die Pflicht. Integrationsministerin Ursula Nonnemacher müsse Lösungen finden. Stübgen forderte sie jüngst auf, das Landesaufnahmegesetz zu ändern, um Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive länger in der Erstaufnahme unterbringen zu können. Dass Nonnemacher dies mitmacht, gilt als ausgeschlossen.

Linke und AfD kritisieren Regierungsarbeit

Die migrationspolitische Sprecherin der Linken, Andrea Johlige, sieht die grüne Ministerin in einer schwierigen Position. Die grüne Partei versuche, auf Ebene der Landespartei die humanitäre Flüchtlingspolitik als Ziel hochzuhalten. In der Koalition könne sich die Ministerin mit ihren Vorstellungen aber kaum Gehör verschaffen. Johlige spricht außerdem von einem Ping-Pong-Spiel zwischen CDU und Grünen, das dazu führe, dass wichtige Entscheidungen immer wieder verschoben würden.

AfD-Chef Hans-Christoph Berndt beklagt, die Koalition spiele mit unterschiedlichen Rollen. "Fakt ist: Sie tut nichts, um die Probleme zu lösen." Berndt fordert eine schnellere Abschiebung.

In der kommenden Woche hat der Innenminister nun zu einer Konferenz zum Flüchtlingsthema geladen. Mit dabei ist neben den Landräten auch die grüne Ministerin Nonnemacher. Hier muss sich zeigen, wie CDU und Bündnis90/Grüne trotz ihrer Differenzen zu wirksamen Lösungen kommen wollen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 01.03.2023, 08:00 Uhr

Beitrag von Markus Woller

25 Kommentare

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  1. 25.

    Berliner - die bei sich schon genug zu tun haben - verbringen scheinbar den ganzen Tag auf RBB24 mit Kommentieren...
    Alle keine Arbeit oder was?

  2. 24.

    Es gäbe noch Platz in den Wohngebieten von Politikern. Große Gärten die Platz für Container bieten oder leere Häuser. In den privaten Kitas und Schulen sind auch noch Kapazitäten für die Kinder von Geflüchteten, mit reichlich Fachpersonal.
    Mit gutem Beispiel voran gehen würde die Akzeptanz enorm verbessern. Nur so ein Gedanke.

  3. 23.

    "Haben die Grünen in Brandenburg überhaupt irgendetwas zu sagen?"
    Ja, noch! ZZt. liegen sie bei etwa 7%.
    Aber der Weg zu 4,9%, siehe FDP in Berlin, kann verdammt schnell gehen.
    2024 wird gewählt!

  4. 22.

    Haben die Grünen in Brandenburg überhaupt irgendetwas zu sagen?

  5. 21.

    Entschuldigung, Sie haben meinen Beitrag nicht mal ansatzweise erfasst.

  6. 20.
    Antwort auf [Sommer] vom 01.03.2023 um 13:42

    Weil die EU nichts kann. Außer teuer!

  7. 19.

    Völlig egal ...die Grünen sind RAUS

  8. 18.

    Liebe Grüne, seht ihr es wirklich nicht oder wollt ihr es nicht sehen!? Die Landkreise und Kommunen sind an die Grenzen gekommen. Und Probleme kann man nur ändern, wenn man sie auch Benennen kann / darf, und nicht aus parteipolitischen Gründen verschweigt!

  9. 17.

    "Flüchtende oder sonst eine woke Wortneuschöpfung. (...)

    Beschäftigen Sie sich erst einmal mit Ihren Affekten und Reflexen. Ist Eingangsvoraussetzung in den Kreis sachlich-inhaltlicher Diskutantinnen und Diskutanten.
    Wollen Sie reaktionäre Diskurse über "Wokeness" führen, tun Sie das in deren Clubs. Es handelt sich um einen energiereich gefütterten Nebenkriegsschauplatz jener Milieus, die über Sachgrundlage, Kontext, Haltungsänderung zu vielen Themen nicht sprechen wollen. Weil die Folgen dieser Änderungen /Perspektivwechsel für die Aushandlungsprozesse, das zusammen Leben und den gegenseitigen Respekt verhindert werden soll.
    Ich bezeichne Sie auch nicht als "Kommentarling" oder "Sesshaftling"
    Ist einfach eine Entwicklung in der Sprache. Menschen als Subjekt und aus ihrer Perspektive wahrnehmen denken und respektieren. Auch wenn die anders als man selbst sind.
    Statt sie zum (verniedlichten) Objekt zu machen.
    Schlimm mit der "Wokeness" Die hat schon "Fräulein" abgeschafft...

  10. 16.

    Das ist so nicht ganz korrekt und entspricht auch nicht der von Ihnen zitierten Definition. Ein Flüchtling ist ein solchger, wenn er sein Heimatland bzw. das Land seines dauerhaften Aufenthaltes wegen Verfolgung verlassen muss, weil dieser Staat ihn nicht davor schützt oder selbst der Verursacher der Verfolgung ist. Leider definiert die Genfer Flüchtlingskonvention nicht genau, wie lange dieser Status anhält und ab wo sich der Status zum Migranten ändert. Dies mag historische Gründe haben, weil es zur Entstehungszeit dieses Abkommens schlicht nicht die Möglichkeiten gab, größere Strecken durch mehrere Länder zurück zu legen. Dies war oft logistisch, fast immer aber auch finanziell, unmöglich. Daher verschwimmen hier Flucht und Migration und die genaue Anerkennung und Definition erfolgt über das jeweilige nationale Asylrecht und die Definition von "Sicherheit". Dieses wird in Deutschland extrem großzügig ausgelegt, weit über die Anforderungen nach dem Völkerrecht hinaus.

  11. 15.

    Quelle: UNHCR:
    Wer ist ein Flüchtling?
    Artikel 1 der Genfer Flüchtlingskonvention definiert einen Flüchtling als Person, die sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt oder in dem sie ihren ständigen Wohnsitz hat, und die wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung hat und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht vor Verfolgung nicht dorthin zurückkehren kann.

    Ein großer Teil der nach Deutschland eingereisten der einen Asylantrag gestellt hat, wäre somit kein Flüchtling. Man sollte endlich klarer in Migranten, Asylsuchende und Flüchtlinge unterscheiden und auch die Verfahren und das Bleiberecht bzw. die Bedingungen hierfür anpassen.

  12. 14.

    Das können Sie gerne tun. Es bleiben nach internationalem Standard und Völkerrecht trotzdem Flüchtlinge und nicht Schutzsuchende, Flüchtende oder sonst eine woke Wortneuschöpfung. Es heißt nicht umsonst "Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen", denn diese Bezeichnung ist die einzige, die den Status dieser Menschen klar, deutlich und verwechslungsfrei beschreibt. Ein Schutzsuchender kann sich auch vor einem Regenschauer ins Innere flüchten. Ein Flüchtender kann vor der Polizei, einem Hund oder einer Horde Neonazis weglaufen. Ein Flüchtling dagegen ist ein klar definierter, völkerrechtlich anerkannter Status.

  13. 13.

    Unsere Infrastruktur ist für soviele Menschen einfach nicht ausgelegt. Es fehlt an Schulen/Kitas, Lehrer, Wohnungen, Ärzten, Pflegekräfte, Handwerker usw usw! Wir alle spüren es doch jeden Tag.
    Das Problem wird von Monat zu Monat größer und wer hier von 90 Millionen Menschen plus X spricht scheint nicht zu wissen wie der Stand der Dinge ist.
    Wenn dann auch noch Betriebe schließen wie z.B. AMAZON werden sich die Probleme noch beschleunigen.
    https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2023/02/amazon-schliesst-logistikzentrum-brieselang.html

  14. 12.

    Hier muss Brandenburg umgehend handeln, im Interesse seiner Bürger. Ausreisen müssen umgesetzt werden.

  15. 11.

    Da, wo der Flughafen steht, gehört auch logisch ein Abschiebegewahrsam hin. Das ist Fakt

  16. 10.
    Antwort auf [Georg Hemzal] vom 01.03.2023 um 06:50

    Danke

  17. 9.

    Seit 2015 wurden mehrere Gesetze erlassen, die auch Menschen mit Duldung einen permanenten Aufenthalt ermöglichen. Daher bist du auf dem Holzweg.

  18. 8.

    Ich weigere mich das Wort Flüchtlinge zu verwenden.

  19. 7.

    Landen sie nicht. Die nehmen bei Landsleuten oder anderswo einen Minijob an und erhalten somit den vollen Zugang zum Sozialsystem, Wohnungen und Kindergeld.

  20. 6.

    Die Rückkehr zu Sachleistungen und Unterkunft, statt Vollversorgung mit Bargeld und Wohnungen/Häuser könnte schon mal ein Anfang sein.

  21. 5.

    Ich gewinne immer mehr den Eindruck, weder die Grünen oder die Linke, haben ein finanzielles Verständnis für die Haushaltslage des Landes und der Kommunen. Im Land BB fehlen Lehrkräfte, die Schulen müssen modernisiert werden (und das nicht nur digital), Kitaplätze fehlen, Wohnraum fehlt. Wie soll also eine erfolgreiche Integration geschaffen werden? Und Ausreisepflichtige sollten auch das Land verlassen, anstatt bei den Menschen falsche Erwartungen zu schüren. Es gehen immer mehr Menschen, die sich mit der Flüchtlingspolitik überfordert fühlen auf die Straße. Wir täten gut daran, die Fluchtursachen zu bekämpfen und nicht die Verantwortung vom Bund auf die Länder und somit auf die Kommunen zu delegieren. Frau Johlige spricht von Ping Pong, sie sollte sich mal fragen warum das so ist, eventuell an einer verfehlten Integrationspolitik?

  22. 4.

    Problematisch finde ich die Wirtschaftsflüchtlinge, die nicht aus Kriegsgebieten kommen, bedingt durch die offenen EU-Grenzen, z,B, aus Rumänien, Bulgarien und Ex-Jugoslawien, z.T. auch aus Polen. Diese Menschen landen meist obdachlos auf der Straße oder werden unter Umständen kriminell (z.B. Roma-Banden). Das geht gar nicht!

  23. 3.

    Über 360.000 abgelehnte Asylbewerber sind mittlerweile unter der Ampel ausreisepflichtig und kommen dieser Verpflichtung nicht nach. Abschiebungen ist Ländersache, aber der Bund und damit Faeser SPD haben die Rahmenbedingungen zu schaffen damit die Abschiebungen durchgeführt werden können. Faeser sitzt diese Situation bekanntlich aus, ja im Gegenteil. Faeser stellte sich in Brüssel gegen ALLE anderen EU-Partner die Druck auf die Herkunftsländer ausüben wollten damit die Ihre Kandidaten wieder zurücknehmen (wozu diese nebenbei gesagt völkerrechtlich verpflichtet sind). Würde hier mehr abgeschoben, würde dies sicherlich etwas zur Entspannung der Situation beitragen.

  24. 2.

    Da gibt es nichts zu streiten. Die Abschiebungen müssen verschärft vollzogen werden. Wir wollen unser Leben wiederhaben. Was gehen und die von den Konzernen in fremden Ländern verursachten Probleme an? Die Regierung nutzt das Flüchtlingsproblem für ihre Aggression in Afrika und Süd- und Osteuropa gegen dortige Mendchen aus.

  25. 1.

    Immerhin wird endlich über Flüchtlingspolitik gestritten und nicht mehr das ewige Mantra "Wir schaffen das schon!" unreflektiert als alternativlos hingenommen...

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