Bezahlkarte für Geflüchtete - Einigkeit in Brandenburg - nur nicht in der Koalition
In Brandenburg soll bis Herbst flächendeckend eine Bezahlkarte für Geflüchtete eingeführt werden. Darauf haben sich Landesregierung, Landkreistag sowie der Städte- und Gemeindebund geeinigt. Das Thema Bargeld spaltet die Koalition auch weiterhin. Von Michael Schon
• Kommunen wollen Bezahlkarte bis Herbst einführen
• 50 Euro Bargeld für Erwachsene, 25 Euro für Kinder
• Grüne: Einigung ist der falsche Weg
Dietmar Woidke ist kein Mann großer Inszenierungen. Wenn Brandenburgs Ministerpräsident Bilder erzeugen will, die eine wichtige Einigung dokumentieren, dann greift er nicht selten zum Klassiker: Kugelschreiber auf Papier - Menschen, die eine Erklärung unterschreiben.
Auch am Dienstag war das so. Gemeinsam mit dem parteilosen Vorsitzenden des Landkreistages, Siegurd Heinze, und mit dem Vertreter der kreisfreien Städte, Steffen Scheller, dem CDU-Oberbürgermeister von Brandenburg an der Havel, besiegelte Woidke eine Absichtserklärung. Darin ist festgehalten, dass Kreise und kreisfreie Städte bis Herbst die Bezahlkarte für Geflüchtete einführen wollen. Vor allem aber: Wieviel der maximal 460 Euro Sozialleistungen ab dann als Bargeld zur Verfügung stehen soll. Für Erwachsene sind es 50 Euro, für Minderjährige unter 18 Jahren 25 Euro.
Nonnemacher: Entscheidung schadet der Integration
Wegen dieser Zahlen fehlt eine Unterschrift unter dem Dokument: Das Autogramm der für Integration eigentlich zuständigen Ministerin Ursula Nonnemacher. Die bündnisgrüne Politikerin kritisiert die Einigung stattdessen scharf. Die festgelegten Bargeldbeträge seien "der falsche Weg", schadeten allen Integrationsbemühungen und würden Geflüchtete von der sozialen und kulturellen Teilhabe ausschließen. Gerade im ländlichen Brandenburg sei es schwer vorstellbar, dass beispielsweise auf Wochenmärkten mit Bezahlkarte eingekauft werden könne. Klassenfahrten, Schulfest, Busfahren, Eintritte für ein Schwimmbad mit 25 Euro Bargeld für Kinder und Jugendliche seien "schwer zu verwirklichen".
Nonnemacher wollte Geflüchteten deshalb den gesetzlich festgelegten Betrag für den so genannten notwendigen persönlichen Bedarf als Bargeld zur Verfügung stellen, 184 Euro für Erwachsene und 137 Euro für Kinder. Dies sei ein "rechtssicherer und bürokratiearmer Ansatz", so Nonnemacher.
Zuständig sind Landkreise und kreisfreie Städte
Allerdings hat die Landesregierung in Wirklichkeit keinen Einfluss auf die Auszahlung von Sozialleistungen in den Kommunen. Kreise und kreisfreie Städte entscheiden darüber selbst. Offenbar wusste Ministerpräsident Woidke, sich dies zunutze zu machen und seine Kabinettskollegin Nonnemacher auszubooten. Die kleine Unterschriftszeremonie ließ ihn als Chefvermittler zwischen Landkreisen und kreisfreien Städten erscheinen, ohne dass er dafür einen Kabinettsbeschluss brauchte. Denn die Festlegung auf 50 Euro Bargeld ist eine Entscheidung der Kommunen.
Das hinderte Woidke nicht daran, die Einigung wenige Monate vor Landtagswahl als seinen Erfolg zu verkünden: "Wenn die kommunale Ebene die Freiheit hat, selber zu entscheiden, wie sie mit diesen Fragen umgeht, müssen wir Wege finden, wie wir Einheitlichkeit herstellen", sagte der Ministerpräsident, womit er seinen Anteil am Wir offenbar unterstreichen wollte.
Woidke: Sozialleistungen nicht an Schlepper überweisen
Die Bezahlkarte sei Teil eines Dreiklangs, um die Zahl der Asylbewerber und Flüchtlinge zu reduzieren – zusammen mit den im Herbst eingeführten temporären Grenzkontrollen, die sich bewährt hätten, und Maßnahmen zum Schutz der EU-Außengrenzen und auf europäischer Ebene abgestimmten Asylverfahren. Es gehe einerseits darum, Anreize für eine Flucht nach Deutschland zu reduzieren, so Woidke. Andererseits bedeute weniger Bargeld auch, dass Sozialleistungen nicht mehr an Schlepper abflössen oder an Familien im Herkunftsland überwiesen werden könnten. Gerade Letzteres sei auch ein Anreiz für Geflüchtete, so schnell wie möglich eine Arbeit aufzunehmen.
Die Kritik der Grünen nannte Woidke "irritierend", die Diskussion lasse ihn "manchmal auch ein bisschen ratlos". Alle müssten wissen, dass es bei der Migration "einen Änderungsbedarf" gebe.
Landkreistags-Chef Heinze betonte, es handele sich bei der Vereinbarung um eine Absichtserklärung, die rechtlich nicht bindend sei. Ziel der Kreise sei es jedoch, bis Herbst "Einheitlichkeit" bei Einführung und Ausgestaltung der Bezahlkarte herzustellen. Darauf hätten sie sich einstimmig geeinigt.
Landeshauptstadt Potsdam muss noch diskutieren
Ob das auch für alle kreisfreien Städte gilt, konnte deren Vertreter Scheller am Dienstag nicht sagen. In einer informellen Abstimmung hätten die Oberbürgermeister von Cottbus und Frankfurt (Oder) signalisiert, die Erklärung zu unterzeichnen. In Potsdam habe die Stadtverordnetenversammlung allerdings eine andere Auffassung. Die Landeshauptstadt müsse "die Diskussion noch führen", so Scheller.
Fest steht allerdings, dass die Einführung der Bezahlkarte evaluiert werden soll. Eine Korrektur des Bargeldbetrags nach oben ist dann ebenso möglich wie Einschränkungen bei der Kartennutzung, falls sich herausstellen sollte, dass es Missbrauch gibt.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 14.05.2024, 19:30 Uhr