Abzug vor 30 Jahren - Hilfspakete, Panzer und Gelage - Alliierte Kontrolle an der kalten Kriegsfront

So 25.08.24 | 08:19 Uhr | Von Stefan Ruwoldt
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Lenin-Denkmal am Leninplatz in Berlin-Friedrichshain- 1970 errichtet von Nikolaij Tomski; 1991 abgetragen - aufgenommen am 01.06.1992. (Quelle: Picture Alliance/akg-images)
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Video: rbb Retro/Abendschau | 26.10.1961 | Bild: Picture Alliance/akg-images

In fast fünf Jahrzehnten Besatzung veränderten die vier Alliierten das Leben der Berliner. Sie schufen eigene Strukturen in der Stadt und prägten die Entwicklung des Nachkriegsberlins. Die Spuren ihrer Macht verblassen - man muss sie suchen. Von Stefan Ruwoldt

Vier Siegerarmeen, aber nur eine Stadt: Berlin wurde mit der Durchsetzung der "Berliner Deklaration" Anfang Juni 1945 eine Stadt der vier Mächte - der UdSSR, der USA, Großbritanniens und Frankreichs. Hier in Berlin wurde die Vierteilung Deutschlands noch einmal im Kleinen vollzogen. Sowjets, Amerikaner, Briten und Franzosen übernahmen die Regierungsgewalt - alle vier mit Befugnissen über mehrere Bezirke, grob festgelegt auf der Alliierten-Konferenz in Jalta im Februar 1945 und kurz nach Kriegsende umgesetzt.

Luftaufnahme des Strassenzugs in ganzer Laenge von der Mauer am Brandenburger Tor bis zum Platz der Republik. - Foto, 1967. (Quelle: akg-images)
Die Berliner Mauer im Jahr 1967. | Bild: dpa/akg-images

Tiefe Prägungen und viele Hinterlassenschaften

Knapp 50 Jahre wachten diese vier Mächte über Berlin. Ihr Abzug im Sommer 1994 beendete die offizielle Administration. Ihre Spuren blieben. Dieser Einfluss über Jahrzehnte ist zu erkennen an tiefen Prägungen, großen und kleinen Hinterlassenschaften. Es sind Denkmäler, Erinnerungstafeln und Büsten, luxuriöse Villen und wohnliche Hauskomplexe ebenso wie merkwürdige Begriffe und unaussprechliche Straßennamen - 30 Jahre liegt der Abzug nun zurück. Eine Spurensuche.

Die tiefste Spur dieser Besatzung ist die Mauer. Sie kam nicht sofort, sondern war die Eskalation einer Einteilung der Welt in Ost und West mit der Front in Berlin-Mitte.

Ein Pressefotograf sitzt auf einer Leiter vor einer Auswahl von Objektiven am Grenzübergang Checkpoint Charlie in Berlin, 28.10.1961. (Quelle: Picture Alliance/UPI)
Ein Pressefotograf sitzt am 28. Oktober 1961 am Grenzübergang Checkpoint Charlie vor einer Auswahl von Objektiven auf einer Leiter. | Bild: Picture Alliance/UPI

Ein Streit zwischen den Alliiertenadministrationen über die Kontrollbefugnisse der Ostberliner Grenzer am 26. Oktober 1961 an der Grenzübergangsstelle Friedrichstraße geriet fast außer Kontrolle. Die DDR-Gendarme hatten einem amerikanischen Militär die unkontrollierte Durchfahrt verwehrt. Nationale und internationale Kamerateams dokumentierten dann das Anrücken amerikanischer Panzer am Checkpoint. Es war eine Art Prüfung der großen Mauerbefestigung des Ostens: Die einstigen Alliierten standen hier nun nicht mehr zusammen gegen Deutschland sondern drei Verbündete standen einem Ex-Verbündeten gegenüber: Ost gegen West und umgekehrt.

Sowjetische (hinten, T 54) und amerikanische (vorn) Panzer stehen sich am 28.10.1961 an der Berliner Sektorengrenze in der Friedrichstraße gegenüber. (Quelle: dpa)
Sowjetische (hinten, T 54) und amerikanische (vorn) Panzer stehen sich am 28.10.1961 an der Berliner Sektorengrenze in der Friedrichstraße gegenüber. | Bild: dpa

Berlin als Probefeld des weltweiten Kalten Kriegs

Zwei Monate vor diesem Panzeraufmarsch, am 13. August 1961, hatte die DDR-Führung begonnen, die Mauer zu bauen. Das Vorgehen der DDR-Regierung, also deren Politik der kompletten Abschottung gegen den Westen, war unterstützt von den sowjetischen Besatzungstruppen und offenbar hingenommen von den West-Alliierten. Von nun an war Berlin eine Art Probefeld des weltweiten Kalten Kriegs: Im Osten die Machtsphäre der Sowjetunion, gegenüber standen die Westmächte.

Kurz nach dem Sieg der Alliierten am 8. Mai 1945 war das zunächst noch anders. Die sowjetischen Truppen starteten wenige Wochen vor dem vereinbarten Einzug der Westalliierten nach Berlin im Tiergarten den Bau eines Denkmals für ihre Gefallenen und weihten es dann im November ein - auf dem Besatzungsgebiet der Briten.

Zunächst war der Wechsel zwischen den Sektoren noch leicht

Nach dem Eintreffen der Westmächte im Juni waren die Sektorengrenzen zwar kontrolliert, aber für alle - auch die Alliierten - passierbar. Doch separierte sich über die ersten 15 Jahre der Besatzung bis zum Mauerbau das Leben Schritt um Schritt in "Ost" vs. "West".

Zunächst wurden nur Schilder errichtet und die Administrationen arbeiteten getrennt, die Menschen aber gingen weiter zu ihren Jobs in Ost und zu ihren Wohnungen in West und umgekehrt. Eine Flucht - vor allem in die Westsektoren - hatte schon da begonnen, doch der Wechsel zwischen den Zonen war möglich.

Ab Juni '48 aber war dieser gemeinsame Alltag vorbei: In den drei Westsektoren wurde die Westmark eingeführt. Interzonal einzukaufen war für den Osten nun kaum mehr möglich. West-Artikel wurden zur teuren Begehrlichkeit.

Die Währungsinsel wurde zur Versorgungsinsel

Bis heute in der Umgangssprache - vor allem der Alten - blieb eine Hilfsleistung der Amerikaner für Europa vor allem aus den Monaten nach dieser Währungsreform in den Westsektoren: Die Carepakete.

Die Sowjets hatten im Juni 1948 als eine Art Antwort auf die Währungsreform die Landwege nach Westberlin abgeschnitten. Per Luft wurde Westberlin von den Amerikanern versorgt. "Hier sind sie gelandet, mit ihren Carepaketen", erzählen die Alten beim Vorbeifahren am Denkmal in Tempelhof. Kleine Köstlichkeiten, von den Flugzeugen abgeworfen oder als größere Pakete nach dem Verladen verteilt, waren auch im Osten begehrt, schon allein wegen der Konsumexotik: Kaugummis, Schokoladen und Konserven mit dem Geschmack der weiten Welt.

Doch bereits vor den Carepaketen hatte die Alltagskultur der Amerikaner Berlin erreicht - etwa in Form von Popcorn und Cola im Kino. Ebenso wichtig wie die Verpflegung im Kino waren dabei die Filme - auch für die in Berlin lebenden Amerikaner: Sie wollten ihre Filme im Original genießen, weshalb sie aber auch die Briten und Franzosen eigene Kinos einrichteten. Erhalten sind bis heute das Columbia oder das L'Aiglon der Franzosen und am Theodor-Heuss-Platz das Summit House der Briten im ehemaligen Funkhaus.

Ähnliche Sehnsuchtsorte wie die Kinos und Casinos der Westalliierten waren die Etablissements der Sowjets kaum. Zwar wurde auch dort gefeiert und angestoßen. Konzerte und Feste aber bekamen schnell einen überaus offiziellen Anstrich. Statt kleiner Freuden, gabs im Ost-Sektor eher Zeremonien. Gefeiert wurde hier sehr separiert.

Russisches Haus an der Friedrichstraße, Haus der sowjetischen Wissenschaften und Kultur, Berlin-Mitte, aufgenommen am 30.03.2010. (Quelle: dpa/imageBROKER/Thomas Robbin)
Das Haus der sowjetischen Kultur und Wissenschaften an der Friedrichstraße 2010. | Bild: dpa/imageBROKER/Thomas Robbin

Eine Kulturbotschaft der UdSSR

Das Haus der sowjetischen Kultur und Wissenschaften wurde erst spät, in den 80ern auf der Friedrichsstraße errichtet. Die Veranstaltungen und Filme, der Laden mit russichsprachigen Büchern und wenigen Souvenirs aus der Sowjetunion - all das wurden keine Sehnsuchtsorte. Es ging um Pracht und Inszenierung - die Feiern und Konzerte des Hauses konnten dann aber trotzdem gut werden. Der verfallene Zustand heute, drückt die Wertschätzung des Ortes und der Nationenverbundenheit aus - es ist irgendwie übrig geblieben.

Überhaupt gehörte zum Konzept vor allem der Amerikaner, die Berliner mitzunehmen. Musik, Film und Pepsi waren leichter verdaulich, als die im Osten als Kulturaustausch gepriesenen Brieffreundschaften nach Kasachstan oder Karelien.

Diese Spuren haben die Alliierten in Berlin hinterlassen

Vier Siegermächte, vier Infrastrukturen

Neben den Begegnungsstätten sind in Berlin hunderte Orte erhalten, saniert oder einfach noch da, Häuser, die Alliierte beherbergten, wo sie also einst untergebracht waren, feierten oder sich trafen. Viele Gebäude hatten die Truppen nach ihrem Einmarsch konfisziert und ihnen eine neue Funktion verpasst, etwa der Koordinierungsstab der Westalliierten, der vom Haus des Sport im Olympiapark aus operierte. Kasernen, Sprengplätze, Überwachungsstationen, Übungsplätze, Flughäfen, eigene Bahnhöfe und Kulturhäuser, Clubs und natürlich Friedhöfe - vier Siegermächte und vier Infrastrukturen.

Die Topografie der einstigen Teilung war dabei ausgeklügelt, nach dem Abzug aber schwer vernachlässigt und oft verfallen. Wer sie entdecken will, muss viel in Grünanlagen, Höfen und hinter verschlossenen Toren wühlen. Die Amerikagedenkbibliothek in Kreuzberg findet sich leicht, auch die sowjetischen Ehrfriedhöfe sind in Schuss, der mützenlose Steinlenin vom einstigen Leninplatz aber wurde im Forst in Köpenick verbuddelt.

Die kleinen Freakigkeiten aus dem geteilten Berlin

Was übrig geblieben ist, sind vor allem die Häuser. Man kann sie ablaufen und abfahren und sich kleine Geschichtsbrocken aus einer Museumsapp abspielen lassen. Lebhaft oder nachvollziehbar ist die Besatzungsgeschichte dabei aber nur schwer. Es fehlen die kleinen Landmarken über die Freakigkeiten dieser zweigeteilten Alliiertenherrschaft: ein Mini-Intershop vielleicht, oder ein Denkmal für die Deckadressen der Ostpostkarten an den Westhörfunk. Wo sind die Aussichtstürme auf der Westseite der Mauer geblieben, wo alle immer so schön rüberglotzen konnten auf die Freaks in der Zone? Und noch viel wichtiger: Wo sind die ganze Hirschwandteppiche aus dem Russenmagazin?

Besucher in den späten 1980er Jahren auf einer Aussichtsplattform beim Blick über die Mauer nach Osten. (Quelle: akg-images / Pansegrau)Besucher in den späten 1980er Jahren auf einer Aussichtsplattform beim Blick über die Mauer nach Osten.

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Beitrag von Stefan Ruwoldt

21 Kommentare

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  1. 21.

    Von welchem "NATO Osterweiterungspakt", der angebl. weiterhin missachtet wird, schwafeln Sie hier? Es existiert kein Vertrag zwischen der NATO und der Sowjetunion/Russland, der eine Mitgliedschaft von an Russland grenzende Staaten ausschließt. Und Sie, wie auch "Marv" und "Micha", wollen doch nicht etwa behaupten, dass der Nato Beitritt der drei Baltischen Staaten im Jahre 2004 der eigentliche Kriegsgrund für Russlands Überfall auf die Ukraine ist?

  2. 20.

    Es gab nie einen "NATO Osterweiterungspakt". Jedenfalls nicht schriftliches. Es wäre mit neu dass man Staatsverträge mit Handschlag wie bei einem Pferdekauf besiegelt.

    Ironie der Geschichte: Mit seiner aggressiven Politik hat Putin höchstselbst dafür gesorgt dass immer mehr Länder der NATO beigetreten sind.

    Abgesehen davon, dass souveräne Staaten immer noch selbst entscheiden können welchen Bündnis sie angehören.

  3. 19.

    "...NATO Osterweiterungspakt...missachtet.." ===> Ist eine Art russisches Dauernarrativ. Dafür gibt es den Begriff "moderne Legenden". Insofern wird man auf einen Nachweis lange warten müssen.

  4. 17.

    "der NATO Osterweiterungspakt weiterhin missachtet wird"

    Wann wurde dieser ominöse "Pakt" unterzeichnet und von welchen Staaten?

  5. 15.

    Dem kann ich nur beipflichten. Selbst G.Gysi hat vor fast 10 Jahren prophezeit, was eintreten wird, so der NATO Osterweiterungspakt weiterhin missachtet wird. Und so geht es munter weiter, das Ende der Fahnenstange ist bald erreicht, aber man kann sich natürlich so ziemlich alles schön reden.

  6. 14.

    Warum sollte Marv lachen, das ist doch die Wahrheit was er schreibt. Will bloß keiner hören

  7. 13.

    "Es wäre mir lieber wenn wir dankbar an diese Zeit zurückdenken" Dann sind Sie Weltmeisterin im Verdrängen. Wäre irgendein 100%iger in der Sowjetunion durchgedreht und das Drücken des berühmten Knopfes wäre die Folge gewesen, dann wäre Deutschland zu allererst aufgeraucht gewesen.

  8. 12.

    "Die anderen drei Alliierten sind nach wie vor noch da" Sooo? In welchen Kasernen denn? Oder als Touris?

  9. 11.

    "Wir" haben nichts geschaffen und der NATO treten Länder freiwillig und einstimmig bei.

  10. 10.

    "Geschichte hat immer mindestens zwei Sichtweisen, die es zu beleuchten gilt."

    Dann beleuchten sie mal und werfen keine Schlagwörter in den Raum. Beleuchten sie ganz offen und ehrlich, nur frei raus! Keine Sorge, sie kommen nicht für 20 Jahre ins Gefängnis.

  11. 8.

    Die anderen drei Allierten sind auf expliziten Wunsch Deutschlands im Land und nicht als "Besatzer". Aber das wissen sie selbst ganz genau.

  12. 7.

    Der "Sieger" hat seine Sichtweise, wer soll dann die "andere" Seite beleuchten?
    So z.B. gibt es keine umfassenden Lehrabschnitte zur Geschichte der DDR weder an Schulen noch an Universitäten. "Untersuchungen" und Abhandlungen beschränken sich auf SED-Regime und Stasi. Der Rest wird abgerissen oder verdrängt.

  13. 6.

    Wir fühlten uns sicherer und die deutschen Politiker hatten noch Krieg erlebt damals. Die waren nicht großmäulig und zukunftsverdrossen wie heute. Die hatten auch alle eine Berufsausbildung und Militärdienst erlebt. Es wäre mir lieber wenn wir dankbar an diese Zeit zurückdenken den aktuell sind wir auf einem Kurs wie 1933, damit meine ich nicht die blaue Partei, die tut nichts dazu und entscheidet nichts - leider

  14. 5.

    Am Ende ist die NATO den russischen Truppen bis an deren Staatsgrenze gefolgt und agiert nach dem Muster des kalten Krieges weiter. Man kann den UA-Krieg verurteilen, aber die Ursachen dafür haben wir geschaffen weit vor 2022

  15. 4.

    Jein. Das Besatzungsstatut endete für alle. Britische, amerikanische und französische Truppen gibt es auf dieser Grundlage in Deutschland nicht mehr. Es sind NATO Truppen, die auf anderer Grundlage (Ich glaube NATO-Truppenstatut) hier stationiert sind. Vergleichbar mit unserem Bundeswehrkontingent in Litauen.

  16. 3.

    Vielleicht sollte man in diesem Artikel auch auf die historischen Hintergründe der Eskalation eingehen:

    Der Plan "Unthinkable" von Churchill (1945), der Plan "Charioteer" von Truman (1948) und diie Sechsmächtekonferenz in London, die Währungsreform und später die Ablehnung der "Stalinnote" durch die Westmächte. Dadurch wurde die Teilung Deutschlands vollzogen, im Gegensatz zu Österreich, welches ebenso besetzt war und rechts schnell in die Freiheit entlassen wurde.

    Truman: "Die UdSSR ist die einzigeste große Bedrohung der USA in naher Zukunft." (1948)

    Geschichte hat immer mindestens zwei Sichtweisen, die es zu beleuchten gilt.

  17. 2.

    Sehr interessanter Beitrag,
    es gibt aber einen Fehler.
    Die einzigen die 1994 abgezogen sind, dass waren die Truppen der Sowjetarmee.
    Die anderen drei Alliierten sind nach wie vor noch da.

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