Fazit nach Unions Trainingslager - Sonne, Schweiß und ein neues System

Mi 11.01.23 | 15:30 Uhr | Von Jakob Rüger
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Union-Trainer Urs Fischer im Trainingslager in Spanien (Quelle: IMAGO/Matthias Koch)
Audio: rbb24 Inforadio | 11.01.2023 | Jakob Rüger | Bild: IMAGO/Matthias Koch

Zehn Tage lang hat sich der 1. FC Union im spanischen Campoamor auf die zweite Saisonhälfte der Fußball-Bundesliga vorbereitet. Trainer Urs Fischer tüftelte an einer neuen Taktik, wurde dabei auch mal laut. Doch am Ende steht ein positives Fazit. Von Jakob Rüger

Es rumort in Urs Fischer, das ist sichtbar. Er geht in die Hocke, schüttelt mit dem Kopf, bearbeitet den Schirm seines schwarzen Basecaps. Der Trainer ist unzufrieden und genau das bekommen seine Spieler lautstark an diesem Nachmittag zu hören. Über den ganzen Platz schallt die tiefe Stimme des Schweizers, dem es bei der Übung nicht schnell genug geht. "1.000 touches!", brüllt Urs Fischer seine Abwehrspieler vorwurfsvoll an.

Es geht um den Spielaufbau aus der eigenen Hälfte gegen das hohe Pressing und darum, sich aus dem Druck des Gegners zu befreien. "Im Mittelfeld haben wir uns gegen den Druck schwergetan", erklärt Fischer einen Tag später seinen Wutausbruch bei der Übungseinheit. "Da gilt es anzusetzen. Da wo die Räume eng sind, hast du Druck, den musst du aushalten, sonst wird es schwierig, die gegnerische Linie zu überspielen."

Endlich intensiv trainieren

Der 1. FC Union will sich weiterentwickeln und stellt sich auf tief stehende Gegner ein, die den Köpenickern das Spiel überlassen. Die Arbeit mit dem Ball stand deshalb vermehrt im Mittelpunkt des Trainingslagers. "Es geht darum, zu fördern aber auch zu fordern, um weitere Schritte zu machen", so der Trainer. Immer wieder simulierte Urs Fischer bei blauem Himmel und strahlendem Sonnenschein Spielsituationen.

Trainingsarbeit, die in der ersten Saisonhälfte aufgrund des engen Spielplans kaum möglich war. "Wenn du alle drei Tage ein Spiel hast, dann kannst du nicht ans Limit gehen", so Fischer, dem vor allem die Intensität wichtig war. "Je höher der Druck ist, umso schwieriger ist die Übung." Die Profis des 1. FC Union kamen an ihre Grenzen. Der Schweiß floss in Strömen.

Die Viererkette ist zurück

Die Fans hatten es da am Spielfeldrand gemütlicher. Bis zu 200 Anhänger begleiteten die Eisernen an die Costa Blanca. Sie konnten auch beobachten, wie der 1. FC Union ein neues Spielsystem einstudierte. Die Köpenicker, die seit dem Bundesligaaufstieg 2019 fast ausschließlich mit Fünferkette agierten, trainierten eine Viererkette. "Im Spiel kann viel passieren, wenn der Gegner sich auf uns einstellt, müssen wir vorbereitet sein", erklärt Kapitän Christopher Trimmel die Systemanpassung. "Es ist gut, wenn dann jeder die Abläufe kennt und wir so den Gegner vielleicht überraschen können."

Gegen Hoffenheim im ersten Bundesligaspiel des Jahres (21. Januar, 15:30 Uhr) wird Union aber wie gewohnt mit Fünferkette auflaufen. Ein neues System etabliert man "nicht in zwei, drei Wochen", sagt Urs Fischer. Bei den beiden Testspielsiegen gegen Augsburg (1:0 und 4:1) setzte seine Mannschaft vieles von dem um, was er sehen wollte.

Trimmel verlängert Vertrag

Der Trainer genoss in Spanien sichtbar die spanische Sonne auf der Terrasse des Golf-Ressorts, auch wenn er wenig Zeit dafür hatte. Trainingsvorbereitung, Nachbereitung, Gespräche mit Spielern und Videoanalysen prägten den Tagesablauf des Trainerteams.

Der Spaß kam trotzdem nicht zu kurz. Hier mal ein lockerer Spruch in Richtung Sheraldo Becker, der übrigens allen Wechselgerüchten eine Absage erteilte, da mal ein Lacher mit Kapitän Christopher Trimmel. Der verlängerte in Campoamor seinen auslaufenden Vertrag. Damit geht der Österreicher im Sommer in seine zehnte Union-Saison, außergewöhnlich im heutigen Fußballgeschäft. Die Fans waren jedenfalls begeistert, dass ihr Kapitän bis mindestens 2024 an Bord bleibt. "Der passt einfach zum Verein, er lebt und liebt ihn und er ist Fan-nah", ist der mitgereiste Mario aus Lichtenberg begeistert.

Auf einen Drink mit den Profis

Die Anhänger dürften Trimmel auch beim Fanabend ihre Begeisterung klar gemacht haben. Die Fans luden die Mannschaft zum Essen ein. In kleinen Gruppen wurde den ganzen Abend fast drei Stunden gequatscht. "Hat Spaß gemacht, war auch mal schön für uns Spieler mal rauszukommen", so Trimmel. "Ich glaube, es hat jedem gefallen."

Laut Aussagen der Anhänger fühlten sich die Profis sichtlich wohl und waren interessiert am Verein, den Stadionumbauplänen oder der Union-Geschichte. Das habe man auch schon anders erlebt, hieß es am Trainingsplatz. Zum Abschluss des Trainingslagers gab es noch ein gemeinsames Foto der Mannschaft mit den Fans.

Die Dreifachbelastung wartet

Am 21. Januar wird es wieder ernst für Fans und Spieler, dann wartet zum Bundesliga-Restart die TSG Hoffenheim. In der Liga hoffen die Fußballfans auf einen spannenden Meisterschaftskampf, den Namen Union will Trainer Urs Fischer dabei aber nicht hören. "Hören Sie mir auf mit dem Herausforderer", wiegelt Urs Fischer jede Frage zu Unions Ambitionen in der Meisterschaft ab. Es sei nicht der Anspruch des Vereins, den FC Bayern herauszufordern, erklärt Fischer in Spanien in einem Interview mit der "Berliner Morgenpost" [Bezahlschranke].

Viel mehr beschäftigt den Trainer der Pflichtspielstart. Auf den 1. FC Union wartet die Dreifachbelastung mit DFB-Pokal, Europa-League und Bundesliga. "Du hast eine Vorbereitung, viele Dinge laufen gut, du bist zuversichtlich und dann kommt das erste Spiel und du denkst, wow, da habe ich mich getäuscht", warnt der Trainer, für den ein gutes Trainingslager kein Garant für einen guten Start in die zweite Saisonhälfte ist. "Nein, ich glaube, entscheidend ist, dass du das Ganze positiv angehst, dass du zuversichtlich bist und dass du weißt, dass du viel gemacht hast in der Vorbereitung." Dafür hat der Trainer in den zehn Tagen von Campoamor gesorgt. Trotz seines Wutausbruches war Urs Fischer am Ende des Trainingslagers sehr zufrieden mit seiner Mannschaft und der investierten Arbeit.

Sendung: rbb24 Inforadio, 11.01.2023, 11:15 Uhr

Beitrag von Jakob Rüger

4 Kommentare

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  1. 4.

    ... oder eben der andere unangenehme und großkotzige Verein, der seit Jahren nach Katar reist.
    Da unterscheidet sich der BCC so gar nicht von Bayern München. Außer eben der Tabellenplatz.

  2. 3.

    Warum muss es immer ein Ausland sein?
    Aber wenigstens ist es nicht Florida!
    Übrigens, ich möchte auch mal wieder Sonne genießen, dies als kleiner Hinweis an Petrus ;-)

  3. 2.

    Hübscher Artikel, der Laune auf die Rückrunde macht. Danke dafür, Jakob Rüger.

    Der FCU schwebt seit dem Aufstieg auf einer Erfolgswelle, die durch das perfektionierte, aber doch rel. wenig variable Konzept für -unerwartete- Furore sorgte. Dieses bisher bewährte Spiel des stringenten Verteidigens mit schnellem Umschalten und Effektivität vorm Tor, das alleinig keine "Dauerlösung" sein kann, nun moderat um "Ballbesitzfußball" zu erweitern, ist eine logische Konsequenz unseres (leicht grummeligen :)) Schweizers.

    Und ich habe sehr viel Vertrauen in die sportliche Führung dahingehend, dass das Spiel des FCU auch weiterhin die Balance zwischen Kampffußball und zunehmend dem sog. Ballbesitzfußball auf den Rasen bringen wird.

  4. 1.

    Es ist geradezu ein erfrischender und auf dem Boden des Machbaren gebliebener Bericht.
    Schön, mal etwas anderes zu lesen, was im Fußball passiert, als das Überhebliche, das völlig an der Realität, den Möglichkeiten vorbei agierenden BCC.

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