Talent Nova Kienast - Wenn Hammerwerfen einfach aussieht
Gerade hat die 15-jährige Nova Kienast den Jugendrekord im Hammerwurf gebrochen. Ihr Trainer traut ihr zu, einmal die Weiten von Betty Heidler zu erreichen. Auch abseits des Sportplatzes zeigt die Schülerin Topleistungen.
Die Kugel nimmt Fahrt auf. Nova Kienast lässt das Wurfgerät dreimal über ihren Kopf kreisen, immer schneller, dann sinkt der Wurfhammer ab, etwa auf Brusthöhe. Es sieht so aus, als ob die Athletin mit der Kugel Karussell fährt, drei Umdrehungen. Sie lässt los und der Hammer fliegt über den Aschenplatz des Berliner Schul- und Leistungssportzentrums (SLZB).
Beäugt wird Kienast von ihrem Trainer Thomas Brack, der hinter dem grünen Schutznetz steht und zufrieden wirkt. Andere Urteile scheinen derzeit allerdings auch vermessen angesichts Kienasts Leistungen. Beeindruckende 70,91 Meter hat sie die 3-Kilo-Kugel im Mai bei den Meisterschaften in Fränkisch-Crumbach geschleudert, deutscher Rekord der unter 18-jährigen Frauen. Damit rangiert sie nun auch auf dem ersten Platz der U-18-Weltrangliste. Ach ja: Nova Kienast vom SV Preußen Berlin ist gerade einmal 15 Jahre alt.
Abwurf wie in Zeitlupe
Kienast habe ein besonderes Bewegungsgefühl mit dem Hammer, versucht sich ihr Trainer in einer Erklärung für die Topleistungen seiner Leichtathletin. "Sie erlebt die Drehung und den Wurf in Zeitlupe." So jedenfalls habe Kienast ihm einmal ihren Ansatz erklärt. Ein schönes Bild, die Zeitlupe - ausgerechnet dieser rasend schnelle, ultrakomplexe Ablauf des Hammer-Abwurfs. "Damit kann man arbeiten als Trainer", sagt Brack mit einem Grinsen. "Das ist toll."
Dabei bringt Kienast nicht nur im Abwurfring Topleistungen - in der Schule hat sie eine Klasse übersprungen. Biologie hat sie am angeschlossenen Sportgymnasium als Leistungskurs gewählt. Ihr Lehrer zeigt sich beeindruckt von ihrem Grundwissen, welches sich möglicherweise dadurch erklären lässt, dass sie seit ihrem siebten Lebensjahr bereits regelmäßige, faszinierte Besucherin des Berliner Naturkundemuseums ist.
Neben dem Sport "noch die Anforderungen zu erfüllen, um in der Schule gut abzuschneiden, ist schwierig" sagt Biolehrer Clemens Harder. Denn gerade am Leistungssportzentrum hätten die Schüler einen vollen Stundenplan. "Nova hat die Leistungsfähigkeiten in beiden Bereichen."
Auf den Spuren von Betty Heidler
Als Kind habe sie den Traum gehegt, Astronautin zu werden, berichtet Kienast. Und heute? "Ich habe kleine und große Ziele", antwortet sie. Zunächst wolle sie zur U-20-Europameisterschaft nach Jerusalem (7.-10. August). Es sei "ein kleiner Traum, weil es mein erster internationaler Wettbewerb wäre", erzählt sie. Und der große Traum? "Mein Hobby irgendwann zum Beruf zu machen."
Das SLZB in Berlin-Alt-Hohenschönhausen gilt als eine der erfolgreichsten Sportschulen in Deutschland. Hammerwerferin Betty Heidler – ehemalige Hammerwurf-Rekordhalterin – war hier Schülerin, Wasserspringer Patrick Hausding ebenfalls, Diskus-Olympiasieger Christoph Harting trainiert heute noch auf dem Gelände.
80 Meter scheinen möglich
Diese großen Vorbilder würden ihr einen zusätzlichen Push verleihen, sagt Kienast. Am Leistungsstützpunkt spüre man, dass alle ähnliche Ambitionen hätten. "Man kann sich austauschen, das hilft sehr."
"Unter Laborbedingungen kann man sagen: Sie bringt alles mit für große Weiten", sagt Trainer Thomas Brack. Sogar für die 80 Meter, die als Schallmauer gelten. Wichtig sei nun allerdings, Kienast behutsam aufzubauen. "Wenn Sie ins Erwachsenenalter kommt, dann interessiert es keinen mehr, was sie in der U18 gemacht hat." Dann erst komme es wirklich darauf an, welche Leistungen sie abzurufen in der Lage ist.
Dann schwingt die Leichtathletin wieder ihre Eisenkugel, der Bewegungsablauf wird immer schneller, Kienast dreht eine Pirouette, lässt den Hammer los. Der landet bei 68 Metern. Nur zwei Meter hinter ihrem just gebrochenen U-18-Rekord - bei einem Trainingseinheit.
Sendung: MiMa, 13.07.2023, 13 Uhr