Interview | Makkabi-Trainer Sandhowe - "Die Jungs rauchen Shisha zusammen, aber auf dem Platz geht die Post ab"

Fr 11.08.23 | 06:35 Uhr
Makkabi-Trainer Wolfgang Sandhowe jubelnd nach dem Landespokalfinale (Quelle: IMAGO / Matthias Koch)
Audio: rbb24|Inforadio | 11.08.2023 | Tabea Kunze | Bild: IMAGO / Matthias Koch

Mit Makkabi Berlin spielt am Sonntag zum ersten Mal ein jüdischer Klub im DFB-Pokal. Entscheidenden Anteil am Erfolg hat auch Kult-Trainer Wolfgang Sandhowe. Ein Gespräch über seinen Fußball-Ansatz, eine Kindheit auf dem Bauernhof und Religion.

Wolfgang Sandhowe, 69 Jahre, kommt mit dem Fahrrad auf die Julius-Hirsch-Anlage von Makkabi Berlin vorgefahren. Er trägt einen Traingsanzug und eine blaue Kappe. Sandhowe gilt als temperamentvolles Trainer-Original. "Ich hatte mal eine Zeit, da hatte ich drei Monate lang keinen Job", berichtet er. "Da hat meine Frau zu mir gesagt: 'Bitte, bitte, geh wieder und mach Training, du brauchst das Gras unter den Füßen.'"

Seit vier Jahren trainiert er Makkabi. Die größten Erfolge in dieser Zeit: der Aufstieg in die fünftklassige Oberliga sowie der Gewinn des Berliner Landespokals, durch den sich das Team für die erste Runde des DFB-Pokals gegen den VfL Wolfsburg qualifizierte (Sonntag, 15:30 Uhr).

rbb|24: Herr Sandhowe, Sie gelten als bunter Hund im Fußball, waren in den vergangenen vier Jahrzehnten unter anderem Assistenztrainer in der Türkei bei Galatasaray Istanbul sowie bei mehreren Klubs in ganz Deutschland. Wie würden Sie Ihren Ansatz beschreiben?

Wolfgang Sandhowe: Ich bin ein ehrlicher, verrückter Trainer, das ist die beste Bezeichnung. Ich bin ein Freund von sehr vielen Kulturen. Für mich ist entscheidend, dass der Mensch, mit dem ich arbeite, in Ordnung ist. Darauf kommt es an.

Was sagen die Spieler über Sie?

Wenn ich über die weiße Linie gehe, beim Training, dann sagen die Spieler, dass ich zum Tier werde. Ich bin eben Fußballlehrer und Diplom-Sportlehrer. Ich will, dass wir von außen sauber flanken. Ich will nicht, dass einer unmöglich dribbelt, dann geht der Ball an die andere Farbe. Ich habe bestimmte Prinzipien. Das dauert so eine bestimmte Zeit, bis die Jungs das nachvollziehen können. Aber dann setzen die das auch um, und deshalb sind wir auch so erfolgreich. Das sind manchmal so die Kleinigkeiten, die den Fußball entscheiden. Und da arbeite ich auch dran.

Welche Prägung war wichtig für Ihre spätere Fußballarbeit?

Ich bin aufgewachsen im Münsterland, auf einem Bauernhof. Wir hatten kein Geld, überall hat es reingeregnet, im Winter haben wir drinnen gefroren. Aber wir hatten hatten einen Onkel, der hat mir jedes Jahr einen Ball geschenkt. Damit haben wir den ganzen Tag auf der Ranch Fußball gespielt. Die Nachbarschaft kam dazu, wir haben Gerd Müller nachgespielt und wie sie nicht alle hießen. Das hat die Grundlage gelegt.

Bei Makkabi gehen Sie jetzt ins vierte Jahr. Was macht den Verein besonders?

Es ist ein Multikulti-Verein. Und wir sind eine große Familie. Egal was ist, wir halten zusammen. Das macht den Erfolg in diesem Verein aus. Es gibt Spieler, die wollen gar nicht mehr weg von uns. Die Jungs rauchen Shisha zusammen, wir grillen zusammen. Aber auf dem Platz, da geht natürlich die Post ab. Das muss so sein. Da bin ich unerbittlich.

Sie sprachen es an, der Klub vereint zahlreiche Nationalitäten und Religionen. Wie gehen Sie damit um?

Wir geben jedem seine Glaubensfreiheit. Man kann Sabbat feiern jeden Samstag. Jeder kann es so machen, wie er will. Das halte ich für entscheidend wichtig. Wir wollen nie jemanden umpolen.

Wie wichtig ist Ihnen Erfolg?

Ich liebe den Erfolg. Vor zwei Jahren habe ich gesagt, wir steigen auf. Da haben Sie alle gelacht. Und wir haben es geschafft, sind aufgestiegen in die Oberliga. Der schönste Moment war der Erfolg im Pokal gegen Sparta Lichtenberg. Und wie der Präsident und ich da aufeinander zugelaufen sind. Das werde ich nie vergessen. Da läuft mir noch heute ein Schauer über den Rücken, wenn ich darüber nachdenke.

Ihr Sohn Leon spielt auch bei Makkabi. Wie ist das für Sie?

Mein Junge hat es schwer. Ich stelle ihn manchmal nicht auf, weil er nicht so trainiert, wie ich das will. Bei Türkiyemspor (Anm.: 2018/2019) hatte ich mal den Fall, da kommt der Kapitän zu mir und fragt: "Trainer, wieso stellen Sie Leon nicht auf? Der ist doch gut." Da habe ich gesagt: "Ich tue mich da schwer, meinen Sohn aufzustellen. Der muss da schon eine Klasse besser sein." Ich will mir nicht nachsagen lassen, dass ich ihn nur aufstellen würde, weil ich sein Vater bin. Das tue ich nicht.

Wie spricht Sie die Mannschaft Sie eigentlich an?

Mit "Sie". Ich bin doch über 50, da muss man "Sie" zu mir sagen. Es sei denn: Wer mit mir aufsteigt und über 30 ist, der darf "Du” sagen. Da gibt es jetzt schon vier Spieler in der Mannschaft. Ich muss langsam aufpassen, was ich sage. Ich glaube, als nächstes muss ich sagen: "Wer mit mir Meister wird und Pokalsieger und über 30 ist, nur der darf mich duzen."

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Uri Zahavi, rbb Sport.

Sendung: rbb, Sonntag 13.08.2023, 22 Uhr

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