Frauen-Basketball-Bundesliga - Wie Alba Berlin vom Aufsteiger zum Titelkandidaten wurde
Im Sommer 2022 sind Albas Basketballerinnen in die Bundesliga aufgestiegen - anderthalb Jahre später sind sie dort Titelkandidatinnen. Starken Strukturen, einer im Frauen-Basketball seltenen Konstanz und viel Selbstvertrauen sei Dank. Von Jakob Lobach
Der Sommer dieses Jahres hatte noch nicht einmal richtig begonnen, als die Basketballerinnen von Alba Berlin einen höchst ungewöhnlichen Vorgang publik machten. Im Juni verschickte der Klub eine Pressemitteilung mit dem Titel "Neun Vertragsverlängerungen in Albas DBBL-Team". Die Abkürzung DBBL stand und steht dabei für die Damen-Basketball-Bundesliga, in der Alba aktuell seine zweite Saison spielt.
Die neun recht nüchtern verkündeten Vertragsverlängerungen waren nicht weniger als eine kleine Sensation: Schließlich standen sie für eine Konstanz, die in der DBBL ähnlich außergewöhnlich ist, wie es eine zehn Spiele lange Siegesserie von Albas Männermannschaft in der Euroleague aktuell wäre. Sie standen für eine Konstanz, die hauptverantwortlich dafür ist, dass Albas Frauenteam bereits in seiner zweiten Bundesligasaison ein echter Titelkandidat ist.
Viel Konstanz im Kader
Mit sechs Siegen aus den ersten acht Saisonspielen liegt Alba in der DBBL aktuell auf Tabellenplatz zwei. Ihre einzigen beiden Niederlagen kassierte die Mannschaft von Trainer Christo Cabrera gegen den noch ungeschlagenen Tabellenführer Keltern und den Tabellendritten Hannover – gegen Keltern mit einem, gegen Hannover mit zwei Punkten. Es sind Zahlen, die Albas schnellen Aufstieg zu einer Spitzenmannschaft des Frauenbasketball belegen. Ein Aufstieg, der ähnlich erklärbar ist, wie es auch Albas Aufstieg in die Bundesliga vor anderthalb Jahren war.
Dabei dreht sich alles um die besagte Konstanz, die zeitgleich das Ergebnis und der Ausgangspunkt verschiedener Entwicklungen bei Alba ist. Während zahlreiche andere Teams in der DBBL Sommer für Sommer und teils auch im Laufe einer Saison regelmäßig mehr als eine Handvoll Spielerinnen austauschen, konnte Alba mit seinen neun sommerlichen Vertragsverlängerungen ausnahmslos alle Leistungsträgerinnen der Vorsaison halten. Die 28-jährige Topscorerin Laina Snyder verlängerte erstmals in ihrer Karriere einen ihrer Verträge, Centerspielerin Maggie Mulligan blieb genauso wie Publikumsliebling und Defensivspezialistin Deeshyra Thomas und auch die deutschen Routiniers Lena Gohlisch und Steffanie Grigoleit blieben an Bord. Sie alle hätten nach ihrer starken letzten Saison in Berlin vermutlich auch andernorts in Europa oder der Welt Basketball spielen können – dennoch gelang es Alba, sie von einem Verbleib zu überzeugen.
Die Argumente des Klubs waren dabei zahlreich. Die Stadt Berlin an sich, ein Gehalt, das komfortabel zum Leben reicht, Wohnungen und WGs für die Spielerinnen, sehr professionelle Trainingsbedingungen, Heimspiele vor 1.000 bis 2.000 Fans in der Sömmeringhalle – Alba hat in den letzten Jahren Strukturen geschaffen, die es im Basketball der Frauen nur selten, in Deutschland gar nicht gibt. Ohne diese Strukturen wäre die Konstanz des vergangenen Sommers nahezu unmöglich gewesen. Und ohne diese Konstanz würde Alba aktuell wohl wiederum nicht bei einer Bilanz von sechs Siegen aus acht Ligaspielen stehen.
Ein neues Selbstverständnis
"Es hilft natürlich, dass wir als Team zusammengeblieben sind", sagte Albas Kapitänin Lena Gohlisch nach dem jüngsten 77:70-Heimsieg gegen Marburg am Samstag. "Dieses Jahr haben wir viel mehr Selbstbewusstsein", sagt Gohlisch und ergänzt: "Wir sind ganz anders an die Saison herangegangen als letztes Jahr." Die erste gemeinsame Saison war für Albas aktuelle Mannschaft eine Spielzeit zum Akklimatisieren, zum Herantasten an das sportliche Niveau der Bundesliga. In der zweiten gemeinsamen Saison spielt Alba nun nicht mehr mit dem Selbstverständnis eines Aufsteigers, sondern mit dem einer eingespielten Mannschaft, die in der Vorsaison nur einen Sieg vom Finale entfernt war.
Trainer Christo Cabrera hat seine Mannschaft zu einer Einheit geformt, die nicht nur abseits von Spielen und Trainingseinheiten auf einer Wellenlänge ist, sondern allen voran auch auf dem Parkett mittlerweile ungemein gut harmoniert. Besonders defensiv überzeugt Alba mit einem gut abgestimmten Druck, der in der DBBL heraussticht. Defensive Rotationen, die in der Vorsaison mitunter noch etwas ungenau waren, sind mittlerweile ungleich besser abgestimmt, und auch offensiv kennen Albas Akteurinnen die Stärken und Vorlieben ihrer Mitspielerinnen nicht nur besser, sondern wissen auch, wie sie sich diese zunutze machen können. "Dazu haben wir zwei tolle Verstärkungen in Theresa und Marie bekommen, die uns nochmal Tiefe im Kader geben", sagt Lena Gohlisch.
Mit "Theresa" ist Theresa Simon gemeint, seit diesem Monat Albas erste A-Nationalspielerin. Marie heißt mit Nachnamen Bertholdt und hat vor einigen Jahren ebenfalls 16-Länderspiele absolviert. Während Simon ihrem neuen Team allen voran defensiv zusätzliche Qualität verschaffte, ist Bertholdt mit aktuell rund 12 Punkten pro Spiel prompt zweitbeste Scorerin der Berlinerinnen geworden. Beide Verpflichtungen zeugen von Albas neuem Standing im Frauenbasketball und sind sich des großen Potenzials ihres neuen Klubs sehr bewusst. "Ich wusste, dass ich hier um die Meisterschaft spielen kann", beantwortete Marie Bertholdt am Samstag die Frage nach den Gründen für ihren Wechsel zu Alba.
Der Titel eine Frage der Zeit?
Tatsächlich scheint es angesichts der strukturellen Möglichkeiten bei Alba, der organisch gewachsenen und in Deutschland einzigartigen Jugendarbeit und auch der finanziellen Möglichkeiten des Klubs nur eine Frage der Zeit zu sein, bis dieser auch sportlich zur stärksten Kraft im deutschen Basketball der Frauen wird. Bleibt die Frage, ob es schon in dieser, Albas erst zweiter Saison in der DBBL soweit sein könnte?
"Wir wollen mit einem Heimvorteil in die Playoffs gehen", gab Lena Gohlisch am Samstag zunächst einen Platz unter den ersten vier nach der Hauptrunde aus. Neuverpflichtung Theresa Simon hingegen sagte mit einem Grinsen: "Deutscher Meister zu werden ist auf jeden Fall drin – das ist unser Traum und unser großes Ziel."
Sendung: rbb24 Inforadio, 20.11.2023 12:15 Uhr