Windkraft-Ausbau in Brandenburg - Ein Ort stimmt gegen Windräder - und bekommt vielleicht trotzdem welche
Im Großprojekt Energiewende hat eine kleine Brandenburger Gemeinde wenig mitzureden. Und so kommt es, dass in Münchehofe bald Windräder gebaut werden könnten, obwohl eine Mehrheit im Ort dagegen ist. Von Carl Winterhagen
- Unternehmen will sechs Windräder bei Münchehofe (Dahme-Spreewald) bauen
- Zwei Drittel der Einwohner stimmen dagegen – aber die Entscheidung liegt nicht in der Hand der Gemeinde
- Bislang gibt es noch keinen Regionalplan für die Region Lausitz-Spreewald, der die Flächen für Windräder festlegt
Windkraft- oder Solaranlagen in Münchehofe? "Am liebsten keins von beidem", meinten knapp zwei Drittel der Einwohner, die am Sonntag ihre Stimme abgegeben hatten. Die Wahl diente laut Bürgermeister Ralf Irmscher dazu, sich ein Meinungsbild aus dem Ort zu verschaffen. Anlass der Abstimmung waren Pläne von Unternehmen, in einem Landschaftsschutzgebiet östlich von Münchehofe (Dahme-Spreewald) Fotovoltaik-Anlagen und Windräder zu errichten.
Bürgermeister und Gemeinderat haben angekündigt, sich gemäß des Votums der Einwohner zu verhalten und sich dafür einzusetzen, dass die Anlagen nicht so gebaut werden wie geplant. Bei den Solaranlagen ist das einfach möglich, denn an den Planungen ist die Gemeinde direkt beteiligt.
Verträge mit Eigentümern sind bereits unterzeichnet
"Bei der Windkraft ist das Problem: Wir werden gar nicht mehr gefragt", sagt Ralf Irmscher gegenüber dem rbb. In der Tat ist die Angelegenheit bei Windrädern komplexer, denn die Entscheidung liegt nicht in der Hand der Gemeinde, auch wenn ihre Zustimmung den Bau erleichtert hätte.
Das Brandenburger Unternehmen Energiequelle plant nach derzeitigem Stand, sechs Windräder in Münchehofe zu bauen. Dafür hatten Vertreter im Frühjahr bei Info-Veranstaltungen im Ort geworben. Die Zustimmung der Eigentümer der Flächen hat das Unternehmen schon: Alle Verträge seien unterzeichnet, teilte Energiequelle dem rbb mit. Bei den Eigentümern handelt es sich um Landwirte aus der Region und Anwohner, die ihre Grundstücke an die Landwirte verpachtet haben.
Er respektiere das Wahlergebnis aus Münchehofe, sagt Vincent Wahrenburg. Er ist Projektleiter beim Unternehmen Energiequelle und zuständig für die Planungen in der Gemeinde. Die Entscheidung bedeute aber nicht, dass die Planungen gestoppt werden. Gutachten und Genehmigungsverfahren liefen derzeit weiter. "Aktuell ist es möglich, dort Windkraftanlagen zu errichten, weil kein gültiger Regionalplan in der Planungsregion Lausitz-Spreewald existiert", betont Wahrenburg.
Windräder könnten gebaut werden – ohne oder wegen Regionalplan
In einem Regionalplan wird unter anderem festgelegt, wo und wieviel Fläche für Windräder zur Verfügung gestellt wird. Dass dieser Plan fehle, sei ein Problem, sagt Benjamin Raschke, der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Brandenburger Landtag: "Alle arbeiten mit Hochdruck daran, dass neue Gebiete ausgewiesen werden, damit Planungssicherheit herrscht und nicht Investoren kommen und wild bauen können." Der erste Entwurf für den Regionalplan soll am 14. September vorgelegt werden. Vorher wollte sich die zuständige Planungsgemeinschaft dem rbb gegenüber nicht äußern.
In Münchehofe blickt Bürgermeister Ralf Irmscher mit Spannung auf den kommenden Entwurf: "Ich weiß nicht, was da drinstehen wird. Wir werden uns das sehr genau angucken."
Es könnte nämlich sein, dass in dem Regionalplan genau die derzeit beplanten Flächen im Landschaftsschutzgebiet als potenzielle Windkraftstandorte auftauchen, wenn die Planungsgemeinschaft sie für geeignet hält. Dagegen kann die Gemeinde dann Widerspruch einlegen – mit ungewissen Erfolgsaussichten. Ralf Irmscher gibt sich trotzdem noch nicht geschlagen: "Ganz zahnlos sind wir nicht! Ein paar juristische Möglichkeiten gibt es, die werden wir dann sicherlich beraten und ausschöpfen." Sollte das nicht funktionieren, erhofft sich die Gemeinde eine finanzielle Kompensation.
Gemeinde würde von Windrädern finanziell profitieren – "aber nicht genug"
Wobei Münchehofe auch so von der Windkraft profitieren würde: 0,2 Cent pro vor Ort erzeugter Kilowattstunde würden laut Energiequelle an die Gemeinde gehen. Um die 200.000 Euro würde die Gemeinde durch die kommunale Beteiligung pro Jahr an den Windrädern verdienen, rechnet Projektleiter Vincent Wahrenburg vor.
Das sei aber gerade einmal die Summe, die gesetzlich vorgeschrieben sei, kritisiert Bürgermeister Ralf Irmscher und sagt: "Die Frage ist: Wiegt Geld die Lebensqualität auf?" Seiner Ansicht nach müsste die gesamte Gemeinde stärker von der Windkraft profitieren. Die Münchehofer scheinen das ähnlich zu sehen, wie bei der Wahl am Sonntag deutlich wurde.
"Für mich ist das Abstimmungsergebnis ein Signal, dass wir noch nicht genügend Aufklärungsarbeit betrieben haben", kommentiert Brandenburgs Wirtschafts- und Energieminister Jörg Steinbach (SPD) die Wahl vom Wochenende. Einerseits sei offenbar nicht deutlich geworden, welche enormen Vorteile eine Kommune davon haben könnte. Andererseits müsse sich jede Kommune klarmachen, dass Stromerzeugung Daseinsvorsorge sei, die man nicht nur den Nachbarn überlassen könne, so Steinbach.
Ähnlich äußert sich auch Grünen-Fraktionsvorsitzender Benjamin Raschke und betont, dass es darum ginge, die Bürger zu beteiligen und zu gucken, welche Lösung für die Gemeinden jeweils passe.
"Ökogemeinde" plant eigenes Energiekonzept
In Münchehofe schmieden die Verantwortlichen derzeit eigene Pläne. Bereits 2012 hatte sich Münchehofe vorgenommen, eine "Ökogemeinde" zu werden. Seitdem sei einiges passiert, sagt Bürgermeister Irmscher: "Wir sind nicht gegen erneuerbare Energien." Inzwischen gebe es im Dorf fast 40 Solaranlagen, in der Gemeinde werde mehr Strom produziert als verbraucht. In den Leitsätzen von 2012 heißt es, im Ort solle ein ökologisches Energiekonzept erarbeitet und umgesetzt werden.
Nun haben die Gemeindevertreter am Donnerstag vor der Abstimmung – offenbar in Erwartung des Ergebnisses – beschlossen, 70.000 Euro aus dem Kreisstrukturfonds zu beantragen. Damit soll geprüft werden, welche Art der Energieerzeugung für das Dorf am sinnvollsten und profitabelsten ist. Und wenn dabei herauskommt, dass sich Windkraftanlagen gut eignen würden? "Dann ist das so", sagt Ralf Irmscher. Vielleicht könne man die Anlagen mit der Unterstützung vom Land dann auch ohne großen Investor bauen, hofft er. Auf welchem Weg auch immer: Es würde ohnehin noch einige Jahre dauern, bis sich Windräder in Münchehofe drehen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 05.09.2023, 14:25 Uhr