100 Jahre Frankfurter Paulinenhofsiedlung - Auf den Spuren eines Bahn-Architekten
Raus aus dem Klassenzimmer und rein in die Nachbarschaft! Das ist das Motto der Klasse 9b des Frankfurter Gauß-Gymnasiums, denn die Schüler beschäftigen sich intensiv mit der Paulinenhof-Siedlung und dem Architekten Martin Kießling.
Ein- bis zweigeschossige Häuser in kräftigen Gelb- und Rot-Tönen prägen das Bild der Paulinenhof-Siedlung. Einige Hauseingänge sind mit Ornamenten verziert. Die Siedlung macht einen ruhigen Eindruck. Für die Geschichte der Bauten und den Architekten Martin Kießling (1879-1944) interessiert sich auch die Klasse 9B des Gauß-Gymnasiums.
Im Unterricht auf historischen Stadtspuren
Das Gauß-Gymnasium liegt gleich neben der Siedlung. Für ein Unterrichtsprojekt forschen die Schülerinnen und Schüler auch außerhalb des Klassenzimmers. Angesichts des 100-jährigen Bestehens sei die Bürgerinitiative Paulinenhofsiedlung und die Stadt Frankfurt auf die Schule zugenommen, berichtet Tim Jäkel. Der Geschichts- und Politikwissenschaftslehrer betreut das Projekt. Ziel sei es, die Informationen zu einer Broschüre zusammenzutragen, so Jäkel. Da in der 9. Klasse Themen wie Architektur und die Weimarer Republik im Lehrplan stehen, passe das Projekt gut in den Unterrichtsplan.
"Ich finde es spannend, dass so eine Siedlung so lange überlebt, denn es gibt ganz viele Häuser, die müssen neu gebaut werden, und das hat die Paulinenhofsiedlung überstanden", sagt Schülerin Helena. An einem Eingangsportal am großen Torbogenhaus haben sie beispielsweise eine Inschrift entdeckt, die darauf hinweist, dass vor über hundert Jahren mit dem Bau der Paulinenhofsiedlung begonnen wurde.
Berliner Architekt prägte das Stadtbild der 1920er Jahre
Helena und ihre Mitschüler sind überrascht, dass Kießling so viele Spuren in Frankfurt (Oder) hinterlassen hat. So fanden sie heraus, dass Kießling aus Berlin-Niederschönhausen stammt und an der Technischen Hochschule Charlottenburg Architektur studierte. Ab 1908 war er als Regierungsbaumeister bei der preußischen Eisenbahndirektion Köln tätig. Von August 1921 bis zum Sommer 1924 leitete er in Frankfurt (Oder) die umfangreichen Bauten der Reichsbahndirektion Osten, die aus Posen nach Frankfurt verlegt wurde.
Für 300 Familien der nach Frankfurt versetzten Bahnmitarbeiter wurde in den 1920er Jahren nach Kießlings Plänen die Paulinenhof-Siedlung in der Nuhnenvorstadt errichtet. Die Anlage besteht aus ein- und zweigeschossigen Einfamilienhäusern sowie einigen Mehrfamilienhäusern und steht unter Denkmalschutz. Der Architekt Martin Kießling prägte mit seinen Bauten für Eisenbahner somit das Frankfurter Stadtbild der 1920er Jahre.
Schüler waren beeindruckt
Die Schüler des Gauß-Gymnasiums haben sich die Original-Baupläne von damals angeschaut, erzählt Hanna-Charlotte. Sie hat Anwohner zu Hause besucht und Interviews geführt. "Es waren sehr viele Infos auf einmal. Generell, die ganzen Häuser auch von innen mal zu sehen, das war schon eine Erfahrung. Von innen sehen die Häuser sehr schön aus, aber von außen haben sie etwas schlossartiges", berichtet sie.
Auch ihre Freundin Haley Hannah ist fasziniert, wie viel Geschichte in den Häusern steckt: "Ich finde an der Architektur besonders, dass Kießling eine ganz besondere Raumaufteilung hatte. Und zwar hatte er immer große, hohe Räume mit zwei Türen und besonderen Fenstern, die es so nur bei ihm gab und das fand ich eigentlich am interessantesten", erklärt Haley.
In Sozialen Medien und in einer Infobroschüre wollen sie ihr Wissen veröffentlichen
Was die Schüler rausgefunden haben, posten sie auch in den Sozialen Medien. Außerdem arbeiten sie an einer Info-Broschüre. Die soll bis September fertig sein, denn dann feiert die Kießling Siedlung ihr 100-jähriges Bestehen.
Sendung: Antenne Brandenburg, 08.06.2023, 14:10 Uhr