Gang vor Europäischen Gerichtshof angekündigt - Polen will Deutschland wegen illegalen Mülls verklagen

Di 13.06.23 | 16:44 Uhr
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Archiv: Polnische Feuerwehrleute versuchen im Mai 2018 ein Feuer auf einer illegalen Müllhalde im Zentrum des Landes zu löschen. (Foto: Grzegorz Michalowski/PAP/dpa)
Audio: Antenne Brandenburg | 13.06.2023 | Martin Adam | Bild: Grzegorz Michalowski/PAP/dpa

Das Verhältnis zwischen Polen und Deutschland war schon mal besser, nun will das Umweltministerium des Nachbarlandes die Bundesrepublik verklagen. Es geht um tausende Tonnen illegalen Mülls.

Das polnische Umweltministerium wirft der Bundesregierung vor, sich nicht um 35.000 Tonnen illegal in Polen verklappten Müll aus Deutschland zu kümmern. So frage die polnische Seite seit Jahren bei verschiedenen staatlichen Stellen an, etwas zu unternehmen, so das Umweltministerium gegenüber dem rbb. Jedoch fühle sich im deutschen Föderalismus niemand hierfür verantwortlich. Deshalb plane das polnische Umweltministerium, Deutschland vor dem europäischen Gerichtshof (EuGH) zu verklagen.

Westpolnisches Dörfchen erstickt an illegalem Müll

Doch so klar scheint die Ausgangslage gar nicht zu sein, wie ein Blick in das westpolnische Dorf Sarbia zeigt. Es liegt etwa 200 Kilometer von der deutsch-polnischen Grenze entfernt.

Das schmucke Dorf verfügt über viele kleine Häuser, die sich wie auf einer Perlenschnur an einer Straße aufreihen. Dazu gibt es einen kleinen Teich. Es ließe sich hier ganz nett leben, wenn da nicht die riesige Müllhalde wäre. "Für uns ist der Müll ein gewaltiges Problem, denn ganz in der Nähe der Halde ist unsere Wasserentnahmestelle. Wenn es regnet, sickert alles in den Boden und dann irgendwie auch in unser Grundwasser. Das Wasser ist schlechter geworden. Ungekocht kann man es nicht mehr trinken", erklärte Gemeindevorsteherin Longina Vika.

Im Ballen gepresst liege der Müll schon seit 2018 am Dorfrand und niemand wisse so ganz genau, was sich in der Halde alles noch an Giftigem versteckt, sagte sie, denn der Müll sei illegal hier verklappt worden.

Umweltministerium sieht Deutschland in der Pflicht und klagt

In Warschau will man jetzt dafür auch einen Schuldigen gefunden haben. Das polnische Umweltministerium hat vor kurzem einen Film veröffentlicht. Zu sehen sind erst der Deutsche Bundestag und dann die polnischen Müllhalden.

8.700 Tonnen illegalen deutschen Mülls seien es allein in Sarbia, 35.000 Tonnen sollen es insgesamt auf illegalen Halden in Polen sein. Und die Bundesregierung weigere sich, ihn zurückzunehmen, erklärte unlängst der stellvertretende Umweltminister Jacek Ozdoba. Polen werde Deutschland deshalb vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen.

Deutsche Firmen hätten illegal Müll nach Polen gebracht, erklärte Ozdoba. "Deutschland will diesen weder zurückholen noch die Beseitigung finanzieren. Es kann nicht sein, dass ein Staat, der behauptet, pro-europäisch und pro-ökologisch zu sein, seinen Müll in ein anderes Land bringt", so der stellvertretende Minister. Grenzüberschreitende Abfalltransporte seien klar geregelt. "Aber wenn man Deutschland auffordert, seine Pflichten zu erfüllen, bekommt man eine Antwort zur Länderpolitik und zu Kommunikationsproblemen", so der polnische Politiker weiter.

Deutsche Firmen beauftragen polnische Firmen

Mehrfach habe man sich an die deutschen Behörden und Ministerien gewandt, aber immer ohne Erfolg, erklärte Ozdoba. Schriftlich teilte das Ministerium mit, man habe die Transportpapiere und deutsche Etiketten, um zu beweisen, dass der Müll wirklich aus Deutschland stammt.

Tatsächlich ist Deutschland europaweit größter Exporteur von Kunststoffmüll. In Polen sorgen illegale Mülldeponien seit Jahren für Schlagzeilen - allerdings weniger, weil die Suche nach Verantwortlichen am deutschen Föderalismus scheitert.

In der Regel beauftragen deutsche Unternehmen polnische Entsorger - wegen der niedrigen Preise. Nur der Müll wird dann oft nicht recycelt, wie vertraglich zugesichert, sondern irgendwo verklappt oder schlimmer noch, am Ende angezündet. Das hindert die deutschen Exporteure allerdings nicht daran, stetig Müll nachzuschicken. 130 Deponien brannten allein im Jahr 2018, als auch der Müll nach Sarbia kam.

Gemeindevorsteherin sieht Müll-Mafia als Schuldigen

Die Müll-Mafia sei verantwortlich, findet dann auch Gemeindevorsteherin Vika und die polnischen Behörden, die nicht so genau hinschauen. "Das Gelände gehört der Straßenverwaltung. Sie haben das auch genehmigt, dem zugestimmt. Ich vermute, sie haben ziemlich viel Geld dafür bekommen, dass der Müll hier gelagert werden durfte", so Vika. Warschau müsse handeln, verlangte die Gemeindevorsteherin.

In Warschau hieß es dazu, Berlin müsse handeln. Jetzt soll es der Europäische Gerichtshof sein, der handelt.

Sendung: Antenne Brandenburg, 13.06.2023, 14:10 Uhr

Mit Material von Martin Adam, Warschau

27 Kommentare

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  1. 27.

    Schon die Schlagzeile, die über dem Artikel steht ist eindeutig!
    Auch im Artikel selbst ist die Rede vom illegal importierten Müll aus Deutschland, und wegen des Föderalismus in Deutschland, wo jedes Bundesland für Müll eigenverantwortlich ist, wird es wohl von den Bundesländern ausgenutz, und keines will es gewesen sein, und so bleibt derweil Polen auf den. Müll bis dato sitzen..
    Lesen Sie bitte auch meinen Beitrag #19, da erfahren sie, über den illegalen Müllexport aus Deutschland mehr, und da zu noch einen Verweis wo es darüber noch mehr zu erfahren gibt.

  2. 26.

    „Da es sich um illegalen Müllexport handelt“
    Das geht aus dem Artikel aber gar nicht so eindeutig hervor. Da ist die Rede von illegaler Entsorgung aber nicht von illegalem Export. Deutsche Transportpapiere gibt es ja anscheinend, was auch immer da drauf steht und darin geprüft ist.
    Daher gut wenn sich die Justiz der Sache annimmt und hoffentlich klärt.

  3. 25.

    Und das Ergebnis der gegenseitigen Klagen bzw. Vorwürfen und weiter Hochschaukeln ist dann wie beim Korridor?

  4. 24.

    Sie schreiben drauf los ohne den Artikel richtig gelesen zu haben, und darüber hinaus ohne Ahnung vom Thema zu haben.

    Grundsätzliches: Müll ist keine Handelsware, und bedarf zu Ausfuhr immer einer Geehmigung des jeweiligen Bundeslandes einerseits, und andererseits eine Einfuhrgenehmingung des empfangendes Landes.
    Da es sich um illegalen Müllexport handelt, fehlen diese Genehmigungen, und Deutschland ist verpflichtet. diesen Müll zurück zu nehmen.
    Übrigens, auch zum diesen Thema gibt es EU - Richtlinien und andere verpflichtende Vereinbahrungen!

  5. 23.

    Beiderlei Erfahrung mache ich auch.
    Immer etwas Luft rauslassen.

    Bundespräsident Steinmeier agiert da ganz gut und hat nach meiner Empfindung sehr viel von Polen verstanden.

  6. 22.

    Im polnischen Wahlkampf kann man punkten, wenn man dem großen Nachbarn mal die Zähne zeigt. Auf die Goldwaage würde ich das nicht legen. Die können auch "ganz lieb" sein. Wenn man direkt auf sie trifft.

    Das Auftreten unserer Politiker generell im Ausland hat auch einen Einfluss darauf, ob man noch hin fahren kann...

  7. 21.

    Dann also hoffentlich Klärung der Verantwortlichkeit vor Gericht. Nichtsdestotrotz sollte Deutschland endlich Polen für die Versalzung der Oder verklagen. Geredet ohne greifbare Ergebnisse wurde genug. Polen hält sich ja zudem auch nicht mal an die Entscheidung seiner eigenen Gerichte, siehe Stopp des Ausbaus der Oder.

  8. 20.

    Da stimme ich Ihnen (mal) zu.

    So berechtigt die Aufregung und Kritik an den Müllexporten grundsätzlich ist, so hat doch die Klage vor dem EuGH ein gewisses "Geschmäckle." Es ist (Vor)Wahlkampf in Polen.

  9. 19.

    Alle, die sich hier über Polen aufregen, die sollten sich über illegale Müllexporte aus Deutschland informieren, beispielsweise bei www.ndr.de in Pnorama3 Sendung von 22.02.22, und dort erfährt man, dass bei den deutschen Behörden hunderte von Ersuchen aus dem Ausland für Rückholungen von illegalen Müll vorliegen. Es ist nicht nur Polen, sondern auch Niederlande, Tschechien, Belgien, Österreich, Wales, Slowakei, Rumänien usw.
    Beispielsweise, Polen bemüht seit 2018 um Rückholungen dieses illegalen Mülls, aber vergeblich.

    Ergo, dann bleibt nur noch vor dem EuGH zu klagen.

  10. 18.

    Und wenn es gar nicht um den Müll geht?
    Das Auftreten und Moralisieren beider Seiten ist typisch für Nachbarn denen der richtige Umgangston fehlt?

    Eines steht fest: So kommt man nicht weiter, egal wie Gerichte entscheiden.

  11. 17.

    Es scheint mehrere Ebenen zu geben: Die eine ist, dass Müll einfach verschoben wird gemäß des Mottos "nach mir die Sintflut". Das betrifft Polen, aber auch viele andere Länder. Anstatt dem Müll mit Pfandsystemen zu begegnen, die teilweisen Einfluss auf die Müllvermeidung haben, feiert die Verpackungswut fröhliche Urständ, es ist ja schließlich ein Marketing-Instrument.

    Das andere ist das Verhalten des "Müllempfänger-Landes", hier Polen, früher die DDR vs. West-Berlin, bspw. am Nord- und Südufer des Griebnitzsees. Von daher verkörpert der Protest gegen Müllhalten eine zwiespältige Haltung: Öffentlichkeits- und publikumswirksam dagegen zu protestieren und gleichzeitig dem schnöden Geld hinterher zu sein.

  12. 16.

    Ja so isses ,

    In den 90ern führte man ein,dass 1 bis 5 Pfennig auf die Ware z.B.aus dem Supermarkt draufgeschlagen werden kann,damit dann die Firmen auch selbst für die Verwertung der Verpackungen ( grüner Punkt ) verantwortlich sind.

    Tolle Idee

    Der Rest der nicht in Polen landet,wird wahrscheinlich einfach schon aul auf den Meer aussortiert.
    Auch in Rumänien gibt es unzählige Abladungen, unter dem Deckmantel des Transits durch dieses Land.

    Es ändert sich nicht ,solange wir nicht als Verbraucher was ändern.
    Selbst in den Bioläden herrscht das Plastik, Hauptsache das Image stimmt!

  13. 15.

    Wenn polnische Firmen sich dafür bezahlen lassen, Müll (aus Deutschland) ordnungsgemäß zu entsorgen, ihn dann aber einfach auf illegalen Deponien abladen, liegt (im wahrsten Sinne des Wortes) genau dort und bei genau denen auch das Problem – und somit eben auch die Verantwortung dafür.

    Wenn Sie Müllgebühren an die BSR zahlen, damit diese Ihren Hausmüll ordnungsgemäß entsorgt, genau das dann jedoch nicht täte, sondern ihn stattdessen irgendwo illegal verklappen würde, läge die Verantwortung dafür doch schließlich auch nicht plötzlich bei Ihnen.

    Entweder müssen die Polen ihre Müll-Mafia in den Griff kriegen, oder die Ein- bzw. Ausfuhr von Müll nach Polen muss generell untersagt werden. Im Endeffekt wär’s sowieso besser, wenn „jeder seinen Scheiß selber wegmacht“ – und wir dann vielleicht auch endlich mal etwas deutlicher merken würden, WIE VIEL Müll wir ALLE denn eigentlich so durch unseren ganz alltäglichen Konsum produzieren …

  14. 14.

    Die Deutschen machen sich immer beliebter in Europa!

  15. 13.

    Wenn Frachtpapiere den polnischen Behörden vorliegen ist der Frachtführer, das heißt der Spediteur in Verantwortung zu ziehen und nicht die Bundesrepublik Deutschland. Es gilt das Verursacherprinzip. Wer den Schaden verursacht hat ihn zu beheben.

  16. 12.

    Schon lustig, Polen verbaut die Oder, polnische Unternehmen leiten unbeeinträchtigt Salze ein, aber für Müllberge soll Deutschland verantwortlich sein.

  17. 11.

    Ich glaube die verkaufen den Müll nicht, die bekommen Geld dafür, dass der Müll exportiert wird.

  18. 10.

    Mein und Dein hat nichts mit einem Staat zu tun. Der Müll, den ein Staat produziert, ist immateriell.

  19. 9.

    Wieso entsorgt nicht jedes Land seinen Scheiß alleine! Wir haben in D doch wohl genügend Verbrennungs-/ Recycling Anlagen und müssen unseren Müll nicht in Länder verkaufen( für mich eh fragwürdig, Müll verkaufen), wo dann vieles in der Natur/im Meer usw. landet! Der schnöde Mammon…..Aber dies wäre doch mal eine originäre Aufgabe für die Grünen? Aber die sind ja zu größerem berufen

  20. 8.

    Na ja, wenn illegal Müll aus Deutschland nach Afrika exportiert wird - genau wie nach Polen, dann sagt keiner die afrikanischen Staaten sind schuld, sie hätten es unterbinden müssen. Warum sollte das bei Polen jetzt anders sein? In beiden Fällen handelt es sich um Müll aus Deutschland, illegal, bzw. durch gezielte Ausnutzung von Gesetzeslücken in ein anderes Land exportiert. Entweder ist das Herkunftsland in beiden Fällen schuldig oder das Zielland.

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