Steigende Preise, längere Wartezeiten - Mietwagenfirmen für Uber, Bolt & Co nutzen Brandenburg zunehmend als Schlupfloch

Do 06.06.24 | 06:04 Uhr | Von Sascha Adamek und Jana Göbel, rbb24 Recherche
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Symbolbild: Autos fahren über die Glienicker Brücke. (Quelle: dpa/Jochen Eckel)
Video: rbb24 Abendschau | 06.06.2024 | Jana Göbel, Sascha Adamek | Bild: dpa/Jochen Eckel

Nachdem das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten den Mietwagenmarkt überprüft und 1.600 Fahrzeuge aus dem Verkehr gezogen hat, steigen Wartezeiten und Preise. Doch in Berlin gesperrte Firmen tauchen jetzt in Brandenburg auf. Von S. Adamek und J. Göbel

  • Zahl der Mietwagenfirmen aus dem Umland steigt
  • Kontrollen und Abstimmungen mit Brandenburg lückenhaft
  • Berliner Politiker fordern parteiübergreifend sofortigen Konzessions-Stopp für Mietwagenfirmen

Wer dieser Tage in Berlin ein Auto von Bolt, Uber, Freenow oder Bliq bestellt, muss Geduld mitbringen. Die Wartezeiten haben sich deutlich verlängert, seit etwa 1.600 Mietwagen gesperrt wurden. Das belegen auch Zahlen des Vermittlers Freenow, die rbb24 Recherche exklusiv vorliegen: Demnach haben sich die Wartezeiten für Fahrgäste um 50 bis 70 Prozent verlängert, die Preise seien um bis zu 20 Prozent gestiegen. Auch die Firma Bolt bestätigt diese Tendenz und führt als Grund an, dass der "vorhandenen Nachfrage derzeit nicht genügend Angebot gegenübersteht".

Die bislang häufig prekär bezahlten Chauffeure freut diese Entwicklung. Bei Testfahrten von rbb24 Recherche gaben sie Auskunft, wie sich ihre Situation verändert hat. Sie profitierten von dem Preisanstieg, weil damit ihre Provisionen pro Fahrt stiegen, berichteten mehrere. Die Chauffeure freut auch, dass die vielen "schwarzen Schafe" unter den Mietwagenfirmen aus dem Straßenbild verschwunden sind. "Es gab so viele Kontrollen, so viel Zoll, da haben viele aufgehört, sind einfach weg", sagt einer.

Behörden bestätigen Anstieg der Mietwagen-Anbieter aus Brandenburg

Gleichzeitig beobachten viele Fahrer eine Zunahme von Autos mit Kennzeichen aus dem brandenburgischen Umland – vor allem aus den Landkreisen Dahme-Spreewald, Teltow-Fläming und Barnim. Auf Anfrage von rbb24 Recherche schreibt der Landkreis Dahme-Spreewald: "Ein Zulauf an Konzessionsanträgen von Mietwagen-Firmen aus Berlin kann bestätigt werden." Auch die Direktorin des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (Labo), Kirsten Dreher, bestätigte diesen Trend in einer Anhörung des Innenausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus.

In einer sogenannten "Grundsatz-Vereinbarung" des Landesamtes mit Uber, Bolt, Freenow und dem neuen Anbieter Bliq wurde im März beschlossen, dass die brandenburgischen Zulassungsbehörden Informationen über gesperrte Mietwagenfirmen aus Berlin erhalten. Die Vereinbarung umfasst auch einen Informationsaustausch über Firmen, die sich in Berlin vergeblich um eine Konzession bemüht hätten.

Doch nach Informationen von rbb24 Recherche tauchen aktuell Geschäftsführer oder Gesellschafter von in Berlin gesperrten Mietwagenfirmen plötzlich in Brandenburg wieder auf - teils mit neuen Unternehmen.

Ein leerer Bürocontainer auf einem Autofriedhof

Ein Beispiel ist die Firma K, die gleich hinter der Stadtgrenze ihren Firmensitz hat. Sie wird über die Plattform Bolt vermittelt. Ein in Berlin tätiger Fahrer erklärte während einer Testfahrt, dass er hauptsächlich in Berlin unterwegs sei.

Fahrzeuge aus Brandenburg dürfen nur in Berlin tätig sein, wenn sie einen Fahrgast aus Brandenburg mitbringen. Unmittelbar danach dürfen sie auch Anschlussfahrten durchführen. Wer keinen Auftrag hat, darf aber nicht warten, sondern muss an den Brandenburger Betriebssitz zurückkehren – so sieht es das Personenbeförderungsgesetz vor. Die Firmen müssen dort Aufenthaltsräume, Parkplätze und Büros haben.

Aber hat die Firma K an ihrer Meldeadresse all dies? Ein Test vor Ort: Es gibt einen Container, in dem die Firma residieren soll. Der Container ist bei dem Besuch von rbb24 Recherche verschlossen, das Areal mit abgemeldeten Autos vollgestopft. Ein verbeulter Bolt-Wagen ohne Nummernschild ist der einzige Hinweis auf das Mietwagengeschäft. Ein junger Mann will wissen, wen wir suchen. Wir sagen, dass wir gern mit dem Geschäftsführer und Inhaber des Mietwagenunternehmens sprechen würden. Der sei nicht da, sagt der junge Mann. Vor Ort deutet nichts auf Aufenthaltsräume für die Fahrer oder Stellplätze für zurückkommende Fahrzeuge hin.

Ich glaube, die Brandenburger Behörden wissen noch gar nicht, was für eine Lawine auf sie zukommt.

Tino Schopf, SPD-Fraktion Berlin

Mietwagen-Firmenchef: "Belästigen Sie mich nicht weiter!"

Laut Handelsregister hatte der abwesende Geschäftsführer in Berlin bis Dezember 2023 die Mietwagenfirma A geleitet. Die A gehört zu den mittlerweile gesperrten Firmen in Berlin. Nach mehreren Versuchen, den Geschäftsführer telefonisch zu erreichen, meldet er sich und sagt, wir sollten ihn "nicht weiter belästigen". Weder zur gesperrten Berliner Firma, noch zur Firma K will er sich äußern.

Das zuständige Amt im Landkreis Dahme-Spreewald verweigert unter Verweis auf den Datenschutz jegliche Auskunft zur Firma K. Die Plattform Bolt indes bestätigt, dass das Unternehmen für sie tätig sei und auch die Erlaubnis habe, in Berlin zu fahren. Bolt bezieht sich nach eigener Aussage auf Informationen des Berliner Labo, wonach das Unternehmen eine gültige Konzession im Landkreis Dahme-Spreewald besitzt. Bolt dürfe deshalb Fahrten an das Unternehmen vermitteln.

Dass die Firma womöglich gegen die Rückkehrpflicht an den Brandenburger Betriebssitz verstößt, kommentiert Bolt nur kurz: "Wir weisen die Unternehmen, die Bolt nutzen, innerhalb der App auf ihre gesetzliche Rückkehrpflicht hin." Die Rückkehrpflicht greife aber nur, wenn nach einer Fahrt kein Folgeauftrag ergehe: "Aufgrund der konstant hohen Auslastung ist es deshalb auch Brandenburger Unternehmen möglich, ihre Dienste in Berlin regelkonform anzubieten."

Politiker von SPD, CDU und Grünen fordern nun Konsequenzen

Dass es an dem angeblichen Firmensitz regelkonform zugeht, bezweifelt Tino Schopf, SPD-Verkehrspolitiker im Berliner Abgeordnetenhaus und Experte für Mobilitätsplattformen. "Wenn ich am Betriebssitz niemanden antreffe, wirft das Fragen auf", sagt Schopf. "Die Kontrollbehörde hat darauf zu achten, ob die Rückkehrpflicht eingehalten wird."

Auch Antje Kapek von den Grünen hält den Fall für hochproblematisch: "Es ist natürlich ein Skandal und beweist, dass viele von diesen Firmen, die jetzt in Berlin aufliegen, in den Speckgürtel umziehen."

Das Behörden-Wirrwarr ist das perfekte Schlupfloch

Die Zulassungsbehörde im Landkreis Dahme-Spreewald schreibt, eine Prüfung der Rückkehrpflicht erfolge im Rahmen "der zur Verfügung stehenden personellen Kapazitäten." Nur bei "einer größeren Anzahl an beantragten Konzessionen" würden Büroräume überprüft.

Das Berliner Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (Labo) wiederum erklärt, man könne und dürfe den Brandenburger Behörden keine Vorschriften machen. Die Konstellation ist ein ideales Schlupfloch für kriminelle Machenschaften.

Folgerichtig fordert der CDU-Verkehrspolitiker Christopher Förster gegenüber rbb24 Recherche einen allgemeinen Datenabgleich aller bisher konzessionierten Mietwagenfirmen zwischen Berlin und Brandenburg. Wie seine Kollegen von SPD und Grünen fordert Förster vom Labo: "Alles ermitteln, auswerten, schwarze Schafe aus dem Markt holen, anstelle jetzt weiter Konzessionen zu vergeben."

Sein Koalitionskollege Tino Schopf teilt das: "Kriminelle Unternehmen, die wir hier in Berlin hatten, die wechseln jetzt natürlich die Seite, die gehen jetzt nach Brandenburg. Ich glaube, die Brandenburger Behörden wissen noch gar nicht, was für eine Lawine auf sie zukommt."

 

Sendung: rbb24 Abendschau, 06.06.2024, 19:45 Uhr

Beitrag von Sascha Adamek und Jana Göbel, rbb24 Recherche

39 Kommentare

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  1. 39.

    Na habe ich doch geschrieben, nur mit Video Erfassung an jeder Straße die nach Berlin reingeht. Da kostet nur der Aufbau, später ein paar Service Kräfte, den Rest macht der Computer. Da braucht man keine Mauthäuschen und Mindestlöhner.
    Übrigens, die Stadtautobahnen sind aussen vor,die Unterstehen dem Bund. Das zu den Kennzeichen hat ja ein anderer Forist schon beantwortet.

  2. 38.

    "Ziemlich einfach alle in B angemeldeten Fahrzeuge sind erfasst."
    In der heutigen, modernen Zeit kann jeder seit Januar 2015 !! sein Kennzeichen behalten wenn er umzieht, d.h. wer nach Berlin gezogen ist muß kein Berliner Kennzeichen haben.
    Nach ihrer Logik könnte dann auch Brandenburg für jeden, der durch Brandenburg fährt, Maut kassieren?
    Sorry das Ganze ist und bleibt Quatsch!!

  3. 37.

    So, wie sie die ersten beiden Punkte beschreiben, kenne ich es auch!

    Nr. 3 ist definitiv falsch. Sorry

  4. 36.

    Es ist mir neu, das Berliner Taxizentralen Säulenschlüssel und Aufträge an Brandenburger Taxis vermitteln.
    Seit wann ist das so, und woher haben sie diese Informatioinen?
    Und auch das inzwischen mehr als nur 400 BER-LDS-Taxen in Berlin laden dürfen. Auch da hätte ich gern mal etwas schriftliches dazu.
    Wäre sehr interessant, dies zu lesen!

    Danke schon mal,
    Semiramis

  5. 35.

    Ziemlich einfach alle in B angemeldeten Fahrzeuge sind erfasst. Wenn sich also ein anderes Kennzeichen in B bewegt wird über die schon vorhandene und erweiterbar LKW Mautstation erfasst und in Rechnung gestellt und moderne Fahrzeuge haben auch GPS Daten etc. Da gibt es viele Möglichkeiten da muss man nicht wie früher tausend Leute beschäftigen heute will soll ja auch alles per Karte sprich mobilphon bezahlt werden da gibt es ganz viele Varianten zur verknüpften Datenerfassung nur z. B...

  6. 34.

    "Ich bin für Maut in Berlin alles was rein will und nicht in Berlin gemeldet oder zugelassen ist......."
    Aha, dann müssen sie aber auch den Berlinern erklären warum ihre monatl. Kosten erheblich steigen wenn tausende von LKWs ihre Lieferungen in die Stadt bringen. Außerdem werden auch Touristen ausbleiben die mit PKW oder Bus nach Berlin wollen.
    Sorry aber ihr Vorschlag ist n.m.M. Quatsch!
    Außerdem sollten sie einen durchgeführten Volksentscheid und sein Ergebnis akzeptieren, nennt sich Demokratie!

  7. 32.

    Dann fangen Sie schon mal an Unternehmen zu finden die Preisgünstig die Videoüberwachung an jeder, in die Stadt führende,Straße ausführen. Ohne Video geht das nämlich nicht.

  8. 31.

    "Die Bundesländer sollten zusammengelegt werden, alles andere ist sowieso Unsinn."
    Das Thema ist glücklicherweise 1996 vom Wähler in einer Volksabstimmung abgelehnt worden.

  9. 30.

    Auch soviel mietwagen aus leipzig.kws.TF.LDS.Beer,Naun, arebeiten im Berlin ,wo ist der Ruckkeher pflicht denn

  10. 29.

    Yepp !

    Ehrlich gesagt hat mich die damalige Naivität schockiert !

    Geschäftsmodelle, die nur funktionieren, weil Steuerzahler, Mitbewerber und Sicherheit (vornehmlich weiblicher Fahrgäste) auf der Strecke bleiben hatte ich bisher immer auf anderen Kontinenten verortet.

    Und in der Kaskade dann eine Verantwortungsabwälzung bei der "Tönnies-Fleisch" vor Neid erblassen würde !

    Zum Beitrag, in dem Haushaltskürzungen als Hinderungsgrund genannt wurden, um das Problem zumindest abebben zu lassen: Wenn ich ein Feld einebben will, dann schaffe ich Regelungen, die nichts kosten, das geht !

    Von unten scheints dann einfacher als von oben: Keiner setzt sich in so ne Karre, wenn er als Fahrer damit rechnen muss, 1000 Sozialstunden zu leisten, bei eigenem Leistungsmissbrauch dann gleich derer 2000.

  11. 28.

    Und was war jetzt nochmal das Problem, einfach ein Berliner Taxi zu nehmen? Mache ich oft, kann ich nur empfehlen.
    Und nein, ich bin kein Taxifahrer, kenne auch keinen und bin mit keinem verwandt oder verschwägert... :-)

  12. 27.

    Tja war das einfach früher... Taxi, Öffis, PKW privat oder
    Eigenes Fahrrad... Und wir sind alle angekommen... Ich bin für Maut in Berlin alles was rein will und nicht in Berlin gemeldet oder zugelassen ist soll zahlen da BBG keine Länderehe will? Wenn ich nach Potsdam will muss ich dann eben auch evtl. Maut für dort bezahlen aber wenn ich die Berichte über das Zentrum dort lese was soll man dort? Für alle Pendler nach Berlin da Sie Ihre Steuern in BBG zahlen ist die Maut gerecht. Meine Ansicht.

  13. 26.

    Moment mal!

    1-Es ist genau umgekehrt,alle Taxis ohne Berliner Kennzeichen dürfen weder winckkunden befördern noch dürfen sie sich bereit halten und auch nicht mit eingeschaltetem Dachleuchte umher fahren
    2-Lds Taxis mit diversen Kennzeichen dürfen nur von ausgewiesenen Taxihalten Fahrgäste befördern
    3-Diese müssen an der Frontscheibe eine blaue Plakete angebracht haben

    3-Die Taxizentrale in Berlin ist den Taxlern in den Rückengefallen und vermittelt an die Lds,Kw-Taxis

  14. 25.

    Wie überraschend kommt das denn nachdem das LABO in Berlin den roten Teppich ausgerollt hatte für Famile Uber und Co.?
    Hat das Handeln dieser Unternehmen jetzt irgendjemand gewundert dachte irgendjemand in Berlin die besagten Firmen ziehen sich zurück?
    Brandenburg wird jetzt überrannt.
    Alles bleibt also beim alten.
    Die Machenschaften gehen weiter und die GenZ darf sich freuen.

  15. 24.

    Komisch, gestern wird noch von Einsparungen (i. H. v. 596 Mio. €) unter anderem in der Verwaltung, bei Personal und Digitalisierung gesprochen und nun soll plötzlich alles besser werden? Wie soll das gehen? Im öffentlichen Dienst wird an allen Ecken gespart und Digital wird es erst in 20 Jahren! Also, haben Kriminelle an allen Fronten freie Fahrt. Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern!!!!

  16. 22.

    Saskia: So ist es halt. Fahre regelmäßig mit Regiobus nach Berlin, nicht mit BVG, oder nehme die SBahn, die anteilig auch von BRB und von mir finanziert wird. Der ÖPNV wird von Berlinern und Brandenburgern finanziert. Meine Nachbarn arbeiten zum Teil auch in Berlin, Altenpflegerin, Krankenschwester, Verkäuferin. Muß man nicht mögen, ist aber auch gut so.

  17. 21.

    Dann bitte gleich bezüglich Geldwäsche nachschauen.
    Diese Art Geschäfte sind Goldgruben für die organisierte Kriminalität.

  18. 20.

    Umgekehrt: niemand, der bei Sinnen ist, will die sog. AfD wählen. Solange in Braundenburg mehr als 25% diese Bande wählen will, die sich ausdrücklich für Deportation und Vertreibung ausspricht und deren Landesvorsitzender klingt, als wäre die parlamentarische Demokratie die Wurzel allen Übels (Zitat: „Diese Parteienherrschaft muss abgeschafft werden!“), würde eine Fusion in einer Katastrophe enden.

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