Online-Petition - Anwohner wehren sich gegen neues Umspannwerk in Oranienburg

So 28.07.24 | 08:24 Uhr | Von Karsten Zummack
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Neben einem Umspannwerk steht ein Hochspannungsmast (Quelle: dpa/Sascha Steinach)
Audio: rbb24 Inforadio | 25.07.2024 | Karsten Zummack | Bild: dpa/Sascha Steinach

Keine Neuanschlüsse ans Stromnetz mehr! Mit dieser Ankündigung sorgte Oranienburg im April bundesweit für Aufsehen. Mittelfristig soll ein neues Umspannwerk die Misere beheben. Doch gegen das Projekt regt sich Protest. Von Karsten Zummack

Der tägliche Spaziergang zählt inzwischen zum Ritual für Bert Kollmann. Er lebt seit vier Jahren in der Eichenwegsiedlung am Rand von Oranienburg (Oberhavel). Die üppige Wiese vor Ort ist so etwas wie die grüne Oase der Anwohner. Doch diese Idylle sehen viele in Gefahr. Denn hier soll das neue Umspannwerk gebaut werden.

Sorgen vor Umweltschäden und Lärmbelästigung

"Uns wird ein Industriebau vor die Nase gesetzt", schimpft der 55-Jährige. Er befürchtet dadurch unter anderem einen Wertverlust der Grundstücke, elektromagnetische Strahlung, eine Verschandelung der Landschaft und Lärmbelästigung. "Es klackt, es zischt", sagt Kollmann mit Blick auf das alte Oranienburger Umspannwerk.

Er hat deshalb eine Online-Petition gegen den Neubau in direkter Nachbarschaft gestartet. Mehr als 200 Menschen haben in den ersten Wochen unterschrieben. Das Gros dürften Anwohner der Eichenwegsiedlung sein, die in den etwa 50 neuen Einfamilienhäusern leben. Das Bauschild steht aber schon am Rand der Wiese. Anfang kommenden Jahres sollen die ersten Bagger anrücken.

Probleme einer wachsenden Stadt

"Wir nehmen Petitionen und Bürgerbeteiligung sehr ernst", betont Bürgermeister Alexander Laesicke (parteilos) im Gespräch mit dem rbb. Doch die Proteste gegen das Umspannwerk seien der Klassiker, wie jedes Gemeindeoberhaupt wisse. "Jeder möchte die Grundschule, den Glascontainer, auch Strom aus der Steckdose. Aber es soll bitte nicht auf dem Nachbargrundstück geregelt werden", beklagt der Kommunalpolitiker.

In diesem Fall überwiegt wohl das öffentliche Interesse. Schließlich gebe es "ein großes Problem", so Laesicke. Eigentlich ist es ein Luxusproblem, denn Oranienburg wächst. In den kommenden Monaten dürfte die 50.000-Einwohner-Marke geknackt werden. Mehr Bevölkerung, mehr Wirtschaft, mehr Wärmepumpen, mehr Elektroautos: Dadurch steigt der Strombedarf immens. Deshalb musste die Stadt im April kurzfristig sogar die Notbremse ziehen. Zeitweise konnten keine Neuanschlüsse bereitgestellt werden. Das alte Umspannwerk reicht nicht mehr aus, deshalb wurde ein Neubau für rund 35 Millionen Euro auf den Weg gebracht.

Alternativ-Variante zu teuer

Die Stadtwerke Oranienburg hatten dafür ursprünglich zwei Standorte geprüft. Die Wahl fiel auf die Wiese an der Eichenwegsiedlung. Die zweite Variante, von der Anwohnerinitiative favorisiert, hätte drei Millionen Euro mehr verschlungen. "Der Gesetzgeber schreibt jedoch die Wahl der kostengünstigeren Variante vor, um die Gemeinschaft der Netznutzer vor einer finanziellen Zusatzbelastung zu schützen", teilten die Stadtwerke schriftlich mit.

Trotzdem sei das kommunale Unternehmen im Gespräch mit den Anwohnern. So seien bereits Dokumente zur Einhaltung aller Sicherheitsabstände, Lärmschutzgutachten und Netzpläne in den Runden offengelegt worden. Weitere Gespräche wurden vereinbart, "insbesondere zur Planung der Außenanlagen als Sichtschutz", heißt es in der Stellungnahme der Stadtwerke. Kollmann stellt das nicht zufrieden. Er hofft, den Bau an der Eichenwegsiedlung mit seiner Online-Petition noch verhindern zu können.

Der tägliche Spaziergang zählt inzwischen zum Ritual für Bert Kollmann. Er lebt seit vier Jahren in der Eichenwegsiedlung am Rand von Oranienburg (Oberhavel). Die üppige Wiese vor Ort ist so etwas wie die grüne Oase der Anwohner. (Quelle: rbb/Karsten Zummack)Bert Kollmann wehrt sich gegen den Neubau

Sendung: rbb24 Inforadio, 25.07.2024, 16:20 Uhr

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Beitrag von Karsten Zummack

35 Kommentare

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  1. 35.

    Not in my backyard!

    Wundervoll, wie hier an einem eindrucksvollen Beispiel das ganze Elend deutlich wird, an dem Deutschland leidet und weshalb es mit diesem Land so rasant bergab geht.

    Aber noch leben wir ja im fettesten Wohlstand und können unserer absoluten Lieblingsbeschäftigung nachgehen: dem Jammern.

  2. 34.

    Ist doch ganz einfach zu lösen: in Marzahn darf ein Gewerbepark nicht weiter genutzt werden, weil die Möglichkeit bestünde, dass dort seltene Amphibien vorkommen könnten... Grandioses Gerichtsurteil. Also auf die Wiese und "Möglichkeiten" suchen...

  3. 33.

    Wenn sie dort wohnen und dagegen sind, haben sie ganz sicher einen guten Vorschlag wo das Umspannwerk gebaut werden soll, wo der Strom künftig herkommen soll. Ihre wirklichen Gründe für die Ablehnung würden sicherlich nicht nur mich brennend interessieren.

  4. 32.

    Vielleicht spenden Herr Kollmann und genug seiner anderen Unterstützer einfach ihre Anschlussleistung für die Leute, die den Strom dringender brauchen, dann kommt man auch ohne Umspannwerk aus.

  5. 31.

    Ich würde die Aufregung ja verstehen, würden wir da über ein Umspannwerk der Dimension Neuenhagen, Thyrow o.ä. sprechen. Also für die überregionale Versorgung mit mehreren 380-kV-Leitungen und mehreren Hektar Flächenverbrauch.

    Aber so ein kleines 110-kV-Umspannwerk bekommt man auf vielleicht 75 x 75 m unter. Mal ganz abseits davon, dass das Umspannwerk wohl deshalb dort geplant wird, da ca. 200 m von der Eichenwegsiedlung entfernt schon jetzt die Hochspannungsleitung verläuft. Es ist also nicht so, als würde man da einen unversperrten Ausblick zerstören.

  6. 30.

    3 Mio Unterschied sind schnell weg, wenn die Anwohnerklagen laufen, sich das Projekt deswegen 5 Jahre verzögert, unterdessen die Baukosten inflationsbedingt in die Höhe schießen etc etc

    "NIMBY" ist heute typisch geworden, aber leider auch unsensibles Agieren seitens Ämter. Das war doch vorhersehbar...

    Und zu guter Letzt: die Bürger haben die gewählt, die jetzt in ihren Augen Mist bauen. Oder Umspannwerke. Aufgepasst bei der nächsten Wahl!!

  7. 29.

    Und die Moral von der Geschicht, nimm' das letzte Grundstück nicht. Auf der Wiese hinterm Zaun kann man auch 'n Trafo bauen.

  8. 28.

    Gasheizung und Verbrenner verbrauchen keine Energie? Oder geht es Ihnen nur um elektrische Energie? Dann lösen Sie doch bitte das Problem mit dem Treibhauseffekt.

  9. 27.

    Da müssen die Bauherren eben selber sehen, wo sie ihren Strom herbekommen. Die Stadt sollte keine entsprechenden Zusagen geben und besser auch keine neuen Baugebiete ausweisen.

  10. 25.

    >“ Wie reagiert ein Mensch mit einem Herzschrittmacher darauf?“
    Fröhlich, solange die Batterie von diesem Teil noch voll ist. Anfassen sollte man solche Leitungen natürlich nicht. Eine 110 kV Leitung und ein 110 kV Umspannwerk zu Niederspannung sind ja keine Hochspannungsteile von 500 kV.
    Ich finde es übrigens lustig, dass die Kritiker und Protestleute wegen der angeblichen Strahlung von Mittelspannung in 20 Metern Entfernung zum Sicherheitszaun, der auch noch mal 10 Meter von der eigentlichen Anlage weg ist, nen Fass aufmachen mit dem Handy in der Hosentasche dichte bei wichtigen Organen. Die Handystahlung ist dabei wohl gefährlicher.

  11. 23.

    Dann würde ich als Netzbetreiber dir den Strom abdrehen mit der Begründung es gibt keine Kapazitäten mehr für dich. Mal sehen wie lange du dann rumheulst.

  12. 22.

    €autos, Wärmepumpen, Klimaanlagen, Beleuchtung 24/7..

    Die Leute sollen doch einfach weniger Energie verbrauchen, dann reicht es für alle.

  13. 21.

    Doch, gibt es schon. Das Bundesministerium hat nach Feldversuchen für entsprechende Spannungsstärken Richtlinien herausgegeben bezüglich Abständen. Das schon vor Jahren! Ja was soll ich sagen… 110 kV Leitungen dürfen sogar über bewohntes Gebiet laufen. Nebenbei: In Neuruppin geht diese 110 kV Leitung mitten durch 2 Wohnkomplexe in so 100 Meter Entfernung vor den Balkonen der 4. und 5. Etage vorbei. Unglaublich, dass die vielen 100 Menschen dort noch leben und keine Komplexe haben, obwohl sie in solch einem leben mit der Hochspannungsleitung.

  14. 20.

    Genau, der Nimby Herr Kollmann hat erstens mit seinem und dem der anderen Häusleneubauten die Idylle zerstört und zweitens für knapp gewordene Stromanschlüsse gesorgt.
    Wer auf der grünen Wiese baut, muss damit rechnen, dass da notwendige technische Infrastruktur hin muss. Die Petitionsunterzeichner können ja ihre Stromanschlüsse abmelden und auf Selbstversorgung umsteigen, wenn sie sich von Strommasten gestört fühlen.

  15. 19.

    Und ne Idee Renate, wo das dringend benötigte Umspannwerk denn hin soll, ohne dass Sie die zusätzlichen 3 Mio selber bezahlen für den entfernteten Alternativstandort?

  16. 18.

    Nimby, aber Strom wollen Sie schon geliefert bekommen oder würden Sie ggf. darauf verzichten?

  17. 17.

    Dann vielleicht einfach den jetzigen Bewohnern den Strom abdrehen...

    Hier ist ja jeder gegen alles mittlerweile!

  18. 16.

    So einfach ist das nicht, da quantifizierbare Angaben fehlen. Ob eine Stromleitung die Gesundheit des Menschen beeinträchtigt, hängt grundsätzlich vom Abstand zur Leitung ab. Abhängig von ihrer Stärke können elektrische und magnetische Felder Auswirkungen auf den menschlichen Körper haben. Niederfrequente Felder erzeugen im menschlichen Körper zusätzliche elektrische Felder und Ströme. Als Folge davon können Nerven- und Muskelzellen gereizt werden.

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