Interview | "Tanzforum Berlin" - Was die geplante Kürzung des Kultur-Etats für die Tanzszene bedeuten könnte

Mi 16.10.24 | 08:32 Uhr
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Symbolbild:Tänzer:innen bei einem Stück im Rahmen der Tanztage Berlin in den Sophiensaelen.(Quelle:imago images/M.Müller)
Audio: radio3 | 15.10.2024 | Interview mit Doris Kolde | Bild: imago images/M.Müller

Seit 2008 präsentiert sich die Tanzszene auf der Webseite "Tanzforum Berlin". Trailer, Portraits, Interviews bilden ein stetig wachsendes Onlinearchiv: Das Projekt wurde in weiten Teilen vom Senat finanziert - bisher. Was ein Wegfall des Geldes bedeuten könnte, erklärt Leiterin Doris Kolde.

rbb: Frau Kolde, seit 2008 dokumentieren Sie Tanz in Berlin in all Facetten. Seit 2011 wird die Website senatsseitig gefördert. Seit ein paar Jahren beläuft sich die Fördersumme auf 78.000 Euro pro Jahr. Was passiert, wenn dieses Geld wegfällt?

Doris Kolde: Das "Tanzforum Berlin" bildet ein Schaufenster für den zeitgenössischen Tanz aus Berlin ab. Wir filmen seit vielen Jahren über 120 Tanz-Performances pro Jahr. Aus diesen Aufnahmen werden Videodokumentationen produziert, die den jeweiligen Künstler:innen online zur Verfügung gestellt werden. Diese sind aber auch für internationale Veranstalter:innen, Kurator:innen, sowie für die Online-Recherche, Forschung und Lehre zugänglich.

Wir richten uns damit auch direkt an das Publikum. Wir möchten Menschen zum Theaterbesuch anregen und gleichzeitig generieren wir zusätzliche Sichtbarkeit für die Künstlerinnen und Künstler und unterstützen sie damit bei der Promotion und Distribution ihrer Werke, sowie der Gastspielakquise.

Online gibt es kein vergleichbares Projekt, das in dieser gebündelten Form Videomaterial dieser speziellen Kunstsparte präsentiert. Wenn die Mittel wegfallen, dann fällt auch dieses Schaufenster weg.

Die Förderung soll nun zum Jahreswechsel eingestellt werden. Der Vertrag geht auch nur bis zum 31.12.2024. Sie haben, bevor Ihre Arbeit gefördert wurde, diese Webseite drei Jahre lang ohne Förderung der öffentlichen Hand gestemmt. Ist es denkbar, dass das wieder so funktioniert?

Das ist jetzt eigentlich nicht mehr denkbar. Nach so vielen Jahren, in denen wir das erfolgreich realisiert haben, denke ich nicht, dass wir persönliche Gelder da jetzt wieder reinstecken, um das Projekt fortzuführen.

Noch dazu gehört die Webseite in der Zwischenzeit dem Berliner Senat. Also wir können gar nicht darüber bestimmen, was dann tatsächlich damit passiert.

Müssen sich die Kompanien vielleicht künftig selbst um das Promomaterial kümmern?

Natürlich kümmern sich Künstler auch selbst um Promotionsmaterial. Das, was der Unterschied ist, ist die Bündelung dieses Materials. Auf "Tanzforum Berlin" finden sie eben diese große Zahl an Videos und das sind Künstlerinnen wie Florentina Holzinger, die Compagnie Toula Limnaios oder Christoph Winkler. Ganz etablierte Künstler stehen dort neben Newcomern und das ermöglicht eine Bündelung der Sichtbarkeit, die auf alle gleichzeitig positiv wirkt.

Das fällt natürlich weg, wenn jeder Künstler individuell seine Werke bewirbt. Das ist ein großer Unterschied, ob sie etwas bündeln und dadurch Interesse generieren oder ob sie individuell einfach versuchen, Zielgruppen zu erreichen. Das ist einfach ein sehr gebündeltes Angebot, das es in dieser Form in keiner anderen Metropole gibt. Das ist tatsächlich einzigartig.

Infos im Netz

Die Förderleistungen für Berliner Kultureinrichtungen sollen im Jahr 2025 um 10 Prozent gekürzt werden. Insgesamt sprechen wir von 120 Millionen Euro in der Kulturförderung für 2025. Natürlich machen die 78.000 Euro für das Tanzforum Berlin davon nur einen Bruchteil aus. Wo würden Sie sparen?

Bei der Tanzszene definitiv gar nicht.

Aber die Theaterszene sagt zum Beispiel auch: bei mir bitte auch nicht.

Ich bin jetzt nicht so firm in den Zahlen, die es da gibt. Aber was ich grob an Überblick kenne, sind alle anderen Kunstsparten wesentlich besser gefördert als der zeitgenössische Tanz. Es wird an Einsparmaßnahmen sicher auch den zeitgenössischen Tanz treffen. Und es wäre zum Beispiel auch möglich, das "Tanzforum Berlin"-Projekt zu skalieren und etwas geringer zu fördern. Also das wäre machbar. Es ist nur völlig unbegreiflich, warum ein derart erfolgreiches digitales Projekt komplett eingespart werden soll. Das ist uns bis jetzt zumindest ein Rätsel. Den Grund dafür kann ich Ihnen nicht sagen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview mit Doris Kolde führte Katja Weber, radio3. Der Text ist eine redigierte und gekürzte Fassung. Das komplette Gespräch können Sie oben im Audio-Player nachhören.

Sendung: radio3, 15.10.2024, 8:20 Uhr

10 Kommentare

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  1. 9.

    Weil ich oder irgend ein anderer sich gern Tanztheater anguckt, ob klassischoder modern, da haben Sie nichts zu melden!

  2. 8.

    Wenn die Internet Seite für die Tanzszene so wichtig u erfolgreich ist, sollte sie sich selbst finanzieren! Werden sich ja wohl 1000 Traumtänzer finden lassen die einmal im Jahr, €80,- zahlen ….wenn die Seite sooo wichtig u erfolgreich ist.
    VIEL ERFOLG,glaubt an euch, das klappt schon…
    Bedenkt:wer sich auf den Staat verläßt, ist verlassen…jeder schmiedet sein Glück selbst!!!

  3. 7.

    "also müssen alle Bereiche ihren Beitrag leisten" Erzählen Sie das mal den Eltern von verrottenden Schulen und ausfallendem Unterricht, den einstürzenden Brücken, der Schulspeisung, dem 29€ Ticket und all den sozialen Projekten, den Flüchtlingen... dass Sie lieber Tanzen angucken wollen. Viel Spaß.

  4. 6.

    Tanzen sollte ein Hobby sein, das nicht von der Gemeinschaft (zwangs)finanziert werden muss. Wenn gekürzt wird, dann tanzen eben ein paar weniger. Andere zu verpflichten seine eigene Selbstverwirklichung zu finanzieren... darauf komme ich nicht klar. Macht bei anderen ja auch niemand. Es gibt genug Posten in der Wirtschaft, wo man dringend Mitarbeiter sucht. Ein Unding, dass heute jeder nur noch macht was er will. Sich dann aber aufregen, dass Pakete und Briefe zu spät kommen, Handwerker zu teuer sind falls man denn einen bekommt, Züge ausfallen, Unterricht ausfällt, Kitaplätze fehlen usw. der Staat sollte seine Probleme nicht auch noch finanziell fördern. Staat, wach endlich mal auf aus deinem Everybody’s Darling Wählerstimmenfang Alptraum.

  5. 5.

    Also ich finde das gibt es Wichtigeres: zum Beispiel den Zustand der Schulen. 78.000 Euro möchte ich als Steuerzahler nicht für so eine Website verwendet sehen.

  6. 4.

    Auf der Webseite tanzforumberlin.de kann man schauen was dort präsentiert wird für 78.000 Euro, etwa monatlich 10 kurze Video Clips, Impressionen von Theater Tanzaufführungen. Diese Clips die der Steuerzahler finanziert schauen evt maximal 1000 Personen und sind nicht Public Domain, der Nutzen für die Allgemeinheit daher quasi völlig überflüssig. Auch wenn man dieses Projekt aufgrund der Dokumentation fördern möchte sollte in Zukunft darauf geachtet werden:

    Inhalte unter der Public Domain CC0 Lizenz veröffentlichen, damit der Steuerzahler einen Mehrwert erhält
    Inhalte auf einer großen Webseite wie Berlin.de veröffentlich um zu zeigen das dies ein entsprechendes Projekt ist
    Förderung für die Produktion mit maximal 20.000 Euro jährlich, was Kosten und ein Gehalt deckt, Arbeitszeit entspricht etwa 30 Stunden pro Woche
    Anstatt einer kleinen Gruppe ein üppiges Honorar zu spenden, das Geld besser auf mehr Personen streuen,

  7. 3.

    Wenn man die Tanzscene fördern möchte soll man Berliner Clubs fördern, nicht 14 Jahre 78.000 Euro für einen Webseiten Auftritt. Mir völlig unverständlich warum sowas auf Kosten der Steuerzahler zu exorbitanten Preisen über 14 Jahre gefördert wurde. Für mich ein klarer Fall von Steuerverschwendung und mich interessiert wer das im Senat entschieden hat!

  8. 2.

    Seit 2011, jährlich 78.000 Euro für eine Webseite? Ich kann nicht nachvollziehen warum eine Webseite so viel kosten soll, klingt für mich als wäre diese Entscheidungüberfällig! Da hat sich ein Webdesigner dumm und dämmlich verdient.

  9. 1.

    Es muss gespart werden, denn Berlin hat nicht ausreichend Geld - also müssen alle Bereiche ihren Beitrag leisten.

    Wenn Frau Kolde nun meint: "Bei der Tanzszene definitiv gar nicht" und gleichzeitig den Einsatz privater Geldmittel als "Nicht denkbar" ausschließt, lässt das schon tief blicken!

    Warum sollte der Steuerzahler für jede noch so kleine Nische aufkommen?

    Wenn die "Künstler" aus der Tanzszene einer festen Arbeit mit regelmäßigen, steuerpflichtigen Einnahmen nachgehen würden, können sie in ihrer Freizeit gerne weitertanzen. So wie auch tausende anderer Bürger ihren Lieblingsbeschäftigungen in Vereinen während der Freizeit nachgehen.

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