Bündnis will Reform von Notversorgung - "Der Rettungsdienst steht vor dem Zusammenbruch"

Mo 12.12.22 | 13:05 Uhr
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Archivbild: Einsatzkräfte und Rettungswagen der Feuerwehr im Einsatz (Quelle: dpa/Paul Zinken)
Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 12.12.2022 | N. Siegmund/R. Unruh | Bild: dpa/Paul Zinken

Immer mehr Einsätze und nicht ausreichend Personal. Das neu gegründete Bündnis Pro Rettungsdienst will die Notversorgung reformieren. Denn das System stehe kurz vor dem Kollaps. Die Folgen waren auch bei dem tödlichen Busunfall in Berlin spürbar.

Das neu gegründete Bündnis Pro Rettungsdienst fordert eine grundlegende Reform der Notfallversorgung außerhalb der Krankenhäuser. "Der Rettungsdienst steht vor dem Zusammenbruch", sagte Frank Flake vom Vorstand des Deutschen Berufsverbands Rettungsdienst am Montag in Berlin. Zentrales Problem sei die gestiegene Einsatzzahl, vor allem für Bagatellerkrankungen oder -verletzungen, sagte Flake.

Eine der Ursachen dafür sei, dass in den vergangenen Jahren die ambulante Versorgung nachgelassen habe. Die Strategie, immer mehr Rettungswagen in Dienst zu stellen, sei am Ende, es gebe kein Personal mehr, sagte Flake.

Es sei nötig, Patientenströme zentral zu steuern, forderte Oliver Hölters von der Mitarbeiterseite der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbands. Nach den Vorstellungen des Bündnisses könnten die Rettungsleitstellen sowohl Notrufe als auch Hilfeersuchen an den Ärztlichen Bereitschaftsdienst entgegennehmen und jeweils geeignete Hilfe entsenden.

Eine nie dagewesene Berufsflucht

Die Arbeitsbedingungen im Rettungsdienst hätten sich in der jüngsten Zeit derart verschlechtert, dass es "eine nie dagewesene Berufsflucht" gebe, sagte auch Vorstand Flake vom Deutschen Berufsverbands Rettungsdienst. Er forderte, den Rettungsdienst als Teil der Gesundheitsversorgung in das Sozialgesetzbuch aufzunehmen.

Dem Bündnis Pro Rettungsdienst gehört die Björn Steiger Stiftung, die Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften der Notärzte Deutschlands, die Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft, die Deutsche Gesellschaft für Rettungswissenschaften, der Deutsche Berufsverband Rettungsdienst und die Mitarbeiterseite der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbands an.

"Die Notfallrettung in Deutschland ist gefährdet - der Rettungsdienst muss grundlegend reformiert werden", erklärte das Bündnis schon vor dem Treffen in Berlin.

Rettungswagen für verunglückte 15-Jährige brauchte 20 Minuten

Ein tödlicher Busunfall in Berlin, bei dem am Samstag im Stadtteil Lankwitz eine 15-jährige Fußgängerin bei einem schweren Busunfall getötet worden war, hatte am Wochenende ein Schlaglicht auf die Lage der Rettungsdienste geworfen. Als erster Wagen sei ein Notarzt neun Minuten nach dem Notruf vor Ort gewesen, die ersten beiden Rettungswagen erst nach 20 Minuten, so die Feuerwehr.

Am Sonntag protestierten einige Dutzend Feuerwehrleute vor dem Roten Rathaus für bessere Arbeitsbedingungen. Die Berliner Feuerwehr habe mit stetig steigenden Einsatzzahlen, Personalmangel und einer wachsenden Belastung jedes einzelnen Kollegen zu kämpfen, sagte der Vorsitzende der Initiative "BerlinBrennt", Erik Herbote. Folge sei eine Erhöhung des Krankenstandes, was das Problem verschärfe. Betroffen sei vor allem der Rettungsdienst, der andauernd im Ausnahmezustand sei. Mehr als 300 Mal hat allein die Berliner Feuerwehr dieses Jahr offiziell den Ausnahmezustand ausgerufen, weil zu viele Notrufe auf zu wenige Rettungswagen trafen.

Wenn es keine Rettungsmittel gibt, werden mitunter Feuerwehrleute samt Löschfahrzeugen zur Notfallrettung geschickt. Das kann wiederum Auswirkungen auf Löscheinsätze haben.

Sendung: rbb24 Inforadio, 12.12.2022, 12:00 Uhr


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34 Kommentare

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  1. 34.

    Erklären Sie doch mal, was Sie mit „genügend Geld für Scheinwerferlichtpolitik z.B.: keine U-Bahnverlängerung zum BER“ meinen.

  2. 33.

    Der Ketzer:
    "Rettungsdienstsanierung geht vor Fahrradstraßen. Was geht eigetnlich in den Köpfen der verantwortlichen Senatsbüttel vor, sich ständig auf Fahrradstraßen und Verbotsphantasien von KFZ in der Stadt zu konzentrieren, während die wirklichen Probleme erfolgreich verdrängt werden, bis einiges, was wirklich "Prio 1" hat, am Boden liegt und kaputtgeht?"

    Es geht hier nicht um ein Entweder-Oder, sondern um ein Sowohl-Als-Auch! Deshalb ist es unsachlich und falsch, beides gegeneinander auszuspielen!

  3. 32.

    Jeder findet einen Hausarzt. Vielleicht nicht um die Ecke, aber es gibt genug Praxen, die neue Patienten aufnehmen.

    Gleiches gilt für Fachärzte. Etwas weiter fahren oder auch mal unbeliebte Zeiten nehmen. Das es funktioniert, sehe ich in meiner Praxis

    Es gibt auch genug Intensivbetten. In Deutschland gibt es zuviele Krankenhausbetten. Wenn alle ambulant möglichen Eingriffe auch ambulant durchgeführt werden würden, gäbe es auch mehr freies Personal.

  4. 31.

    Ja, das stimmt, man sollte bei den Bagatellfällen sofort die 10,00 Euro kassieren, dann hören hoffentlich die unnötigen Notrufe auf. Die Mitarbeiter der Feuerwehr können einem nur leid tun.

  5. 30.

    Genau das wollte ich auch gerade Schreiben ! Sehr guter Beitrag ! Scheinbar sind in unserer Stadt Radwege am wichtigsten.

  6. 29.

    Es wird auch langfristig keine vernünftige Lösung geben.

    Vielleicht wäre die Beteiligung der Patienten an allen Behandlungskosten eine Möglichkeit?

    Letztlich wird nur eine Reform der Krankenversicherung die Lösung sein.

    Deutlich mehr Selbstbeteiligung, Abbau der Bequemlichkeit der Patienten, Leistungsausschlüsse und Abschaffung der kostenlosen Mitgliedschaften

    Aber das will ja niemand hören... funktioniert nur in anderen europäischen Staaten ganz gut

  7. 28.

    Vor lauter Rot-Grün-Bashing übersehen hier zahlreiche Kommentaroren: es ist eine bundesweite Initiative. Sprich es ist ein Problem in ganz Deutschland.

  8. 27.

    Die Pflegeheime auch, die Kitas auch ... Danke CDUSPD .

  9. 26.

    Wir niedergelassene Ärzte können keinen 24/7 Bereitschaftsdienst anbieten.

    Die 116117 ist nur als Überbrückung zu den Öffnungszeiten des Hausarztes gedacht. Diesen sollte eh jeder haben.

    Vielleicht sollten sich viele Patienten auf die Hausapotheke besinnen. Vieles kann man selbst behandeln. Mit einer Erkältung muss man nicht zum Arzt

  10. 25.

    Seit mehr als 2 Jahrzehnten wird diese Stadt politisch vor die Wand gefahren und das so gut wie in allen Ressourcen. Aber Ihr alle habt diese Regierung gewählt und/oder es zugelassen, dass Berlin als Land ein Sozialfall geworden ist. Viele im Gesundheitsdienst k0ndigen und gehen in die Leiharbeit, weil dort besser bezahlt wird. Rettungssanitäter werden aggressiv angegangen von der sogenannten normalen Bevölkerung, da hätte ich auch keine Lust mehr zu arbeiten in diesem Beruf.
    Alles hausgemacht.

  11. 24.

    Immer mehr Menschen werden zu Hause gepflegt ... Auch in den aller-höchsten Pflegegraden ... Durchaus auch von ebenfalls schon recht betagten Angehörigen ... Bestenfalls dem Partner … Also braucht man auch dort mehr (dringende) ärztliche Hilfe oder Rat bei (nächtlich) auftretenden Krankheitssymptomen, oder dem Unvermögen zu einem Arztbesuch … Die massive Ausweitung der 116117 (für diese Fälle) müsste doch auch ein Teil der Lösung sein, oder, lieber Rettungsdienst ? ... Ihr müsstet das am besten beurteilen können.

  12. 23.

    Ich weiß ja, dass Berlinern es manchmal schwer fällt, über den Tellerrand zu schauen. Aber in diesem Falle würde es Ihnen bei der Einsicht helfen: es ist ÜBERALL das selbe, nicht nur in Berlin.

  13. 22.

    Au weia! Glauben Sie ernsthaft unter einer anderen Koalition würde sich etwas ändern? Die CDU als Entflechter der Mafiösen Strukturen im Gesundheitswesen, oder wie?

  14. 21.

    So ist dass, wenn man nichts mehr steuert. Die Stadt schont mit der im Eiltempo zunehmenden Bevölkerungszahl heillos überfordert. Alle wollen nach Berlin, aber die Infrastruktur kann mit dem Wachtstumstempo nicht Schritt halten. Gleichzeitig wird der RTW wegen Bagatellen wie Nasenbluten gerufen. Wozu sich in die eigeninitiativ Notaufnahme begeben, wenn der Arzt bequem im Sanka vorfährt, während 3 Straßen weiter einer mit Herzinfarkt dahin siecht. Bei Bagatelleinsätzen muss der Verursacher zahlen

  15. 20.

    Das Thema wird seit mehreren Jahren immer wieder neu aufgegriffen u. effektiv positiv ist bisher nichts seitens der Politik herausgekommen. Laut N*V waren von den 104 besetzten RTW in Berlin, gerade 2 (!) zu dem Zeitpunkt des Unfalls mit den beiden Teenagern frei. Da ist es kein Wunder mit dem Eintreffen am Einsatzort nach 20 Minuten. Aber insgesamt gibt es im Gesundheitswesen zu wenig Personal in allen Bereichen seit Jahren, wo trotz Corona u.v.a.m. weiter gespart und Personal abgebaut wird.

  16. 19.

    Das grundlegende Problem dürfte vorrangig in den zentralen Leitstellen bei der telef. Aufnahme zu finden sein.
    Wer nichts von Krankheiten versteht und zumindest in diesem Sektor einiges an Lebenserfahrung vorweisen kann, hat dort nichts zu suchen. Von dort aus muss zwingend abgewogen und werden. Zudem sollte Der- oder Diejenige auch die deutsche Sprache in Wort und Schrift beherrschen.
    Bei meinem letzten Anruf wegen eines Herzinfarktes bei meinem Vater hatte ich einen anderen Eindruck.

  17. 18.

    Da gehe ich völlig konform mit dieser Meinung. Ich bin fast 30 Jahre ärztlichen Bereitschaftsdienst gefahren. Diese sogenannten Bagatell-einsätze haben immer mehr zugenommen. Es gab mal paar Jahre die 10 Euro Praxisgebühr, auch für die ärztlichen HB. Die Anzahl der angeforderten HB nahm damals deutlich ab!!!!

  18. 17.

    Braucht man sich doch in Berlin nicht wundern, wenn gewisse Leute denken, die 112 wäre die Servicenummer vom Allgemeinarzt, unter GRÜN/ROT wird sich nichts ändern eher sogar noch verschlimmern.

  19. 16.

    Ich hoffe mal, das jeder weiß was das heißt: Das neu gegründete Bündnis Pro Rettungsdienst will die Notversorgung reformieren. Dies ist ein Satz, der irgendetwas weit in der Zukunft aussagt, was noch lange nicht geschehen ist. Ein Arbeitskreis mit entscheidungswilligen und entscheidungsfreudigen Menschen ist schonmal gegründet worden. Berlin...du schaffst das.

  20. 15.

    Aber dafür millionenteure Radwege und Missoirs. Man muß halt Prioritäten setzen...

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