Bei Ausgang in Berlin entkommen - Entflohener Sexualstraftäter auf Hochsitz bei Nauen gefasst
Zwei Wochen lang wurde nach einem entflohenen Sexualstraftäter aus Brandenburg gesucht, der während eines Berlin-Aufenthalts aus der Sicherungsverwahrung entkommen war. Nun hat die Polizei den 64-Jährigen bei Nauen gefasst.
Ein aus der Sicherungsverwahrung entflohener Sexualstraftäter ist gefasst. Wie die Brandenburger Polizei am Dienstag mitteilte, sei der 64-Jährige um 15:50 Uhr "im Bereich Nauen" festgenommen worden. Ein Bürgerhinweis habe zu der Festnahme geführt. Der Entflohene sei nach der Festnahme in die Justizvollzugsanstalt Brandenburg an der Havel gebracht worden.
Der Mann war wegen Totschlags und Sexualstraftaten zu einer hohen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Er kam nach seiner Haftzeit 2017 in die Sicherungsverwahrung nach Brandenburg an der Havel.
Am 15. Februar bekam er Ausgang und war in Begleitung zweier Justiz-Bediensteter in Berlin. Im Europa-Center in der Nähe der Gedächtniskirche konnte er bei einem Toilettengang entkommen.
Mann entkräftet auf Hochsitz entdeckt
Die Polizei entdeckte den Geflüchteten auf einem Hochsitz an einem Feld nördlich der Stadt Nauen. Das teilte die Polizeidirektion West auf Nachfrage mit. Er sei entkräftet gewesen und daher in einem Rettungswagen zunächst untersucht worden.
Kontakt zu Angehörigen hatte der Mann, der früher in Nauen lebte, nach ersten Erkenntnissen der Polizei nicht. Die weiteren Befragungen sollen nun Aufschluss darüber geben, was er während seiner Flucht unternommen und zu wem er möglicherweise Kontakt aufgenommen hatte.
Fahndung auf das Gebiet um Nauen konzentriert
Nach dem Mann war laut Polizei bundesweit gefahndet worden. Daran beteiligt waren neben den Kriminalpolizisten und weiteren Polizeibeamten der Polizeidirektion West auch Zielfahnder, Beamte des Landeskriminalamtes, Angehörige der Spezialeinheiten, Polizeidrohnen und Polizeihubschrauber sowie Fährtenhunde.
Die Ermittlungsmaßnahmen seien dann auf das Gebiet rund um Nauen (Havelland) konzentriert worden. Auch durch Bürgerhinweise sei schnell die Spur des Mannes aufgenommen worden, so die Polizei. "In diesem Bereich wurde dann durch weitere Maßnahmen der Fahndungsdruck auf den Entwichenen systematisch erhöht, so dass es letztlich durch einen gezielten Einsatz nach einem Bürgerhinweis zur Festnahme kam."
Insgesamt seien mehr als 150 Hinweise auf den Entflohenen bei der Polizei eingegangen, sagte die Pressesprecherin der Polizeidirektion West, Kerstin Schröder, laut einer Mitteilung.
BVB/Freie Wähler beantragen Akteneinsicht
Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU) reagierte erleichtert. Sie dankte den Einsatzkräften und der Bevölkerung für ihre Unterstützung.
Auch die Landtagsfraktion BVB/Freie Wähler zeigte sich laut einer Mitteilung vom Abend "erfreut und erleichtert". Sie forderte aber, die Aufklärung des Vorfalls müsse fortgesetzt werden. "So muss insbesondere geklärt werden, wie es zur Entscheidung zum Shoppingausflug ins Berliner Europacenter und die Umstände der Flucht gekommen ist und wer die Verantwortung für die anschließende 50-stündige Verzögerung bei der Fahndung trägt." Die Fraktion habe dazu Akteneinsicht beantragt, zudem werde der Vorgang im Rechtsausschuss thematisiert.
Justizministerin Hoffmann verteidigt begleiteten Ausflug
Die Flucht aus der Sicherungsverwahrung hatte in der vergangenen Woche bereits den Brandenburger Landtag beschäftigt. Die Fraktion BVB/Freie Wähler hatte eine entsprechende Anfrage eingereicht.
Brandenburgs Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU) hatte den begleiteten Ausflug des Straftäters nach Berlin verteidigt. "Wir haben die Pflicht, nicht nur durch das Gesetz, sondern auch durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die Sicherungsverwahrten auf ein Leben in Freiheit vorzubereiten", sagte Hoffmann in der vergangenen Woche im Landtag. Die Ministerin verwies auf ein Gutachten von April 2022, in dem der Mann der Sicherungsverwahrung nicht als so hochgefährlich eingestuft werde, dass er flüchte und schwere Straftaten begehe. Er sei therapiert worden.
Derzeit 13 Sicherungsverwahrte in Brandenburg
Die Sicherungsverwahrung soll die Bevölkerung vor besonders gefährlichen Tätern schützen, die ihre Strafe bereits abgesessen haben. Voraussetzung für die Anordnung ist, dass psychiatrische Gutachter die Täter jährlich prüfen und weiter als gefährlich einstufen. Anspruch auf Ausgang haben sie aber.
In Brandenburg sind laut Ministerium derzeit 13 Sicherungsverwahrte untergebracht, der nun Gefasste eingerechnet. Sie leben in einer eigenen Einrichtung auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt in Brandenburg an der Havel. Der 2014 bezogene Neubau war Folge eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 2011. Danach musste sich die langfristige Unterbringung von gefährlichen Straftätern stärker von einer Gefängnishaft unterscheiden. Gewalt- und Sexualstraftäter sollen in Sicherungsverwahrung auch intensiver betreut werden.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 28.02.2023, 19:30 Uhr