Online-Lieferdienste | Dark Stores in der Kritik - "Es klappert und scheppert und ist eine Zumutung"

Mi 24.05.23 | 07:35 Uhr | Von Stefan Oberwalleney
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Flink 5 Dark Store Bundesallee, Bild: rbb|24/Stefan Oberwalleney
Flink 5 Dark Store Bundesallee | Bild: rbb|24

Mit Fahrrädern liefern sie in Minutenschnelle Bestellungen an die Haustür. Doch die Lager der Online-Lieferdienste, die sogenannten Dark Stores, führen immer wieder zu Ärger bei Anwohner:innen, die sich vom Lärm massiv gestört fühlen. Von Stefan Oberwalleney

  • Anwohner beschweren sich über Lärm von Warenlagern der Lieferdienste
  • Amsterdam verbietet sogenannte Dark Stores in Wohngebieten
  • Berlin-Charlottenburger Stadtrat sagt: Solche Liefereinrichtungen gehören nicht in Wohngebiete

Hildegard* wohnt in der Katzbachstraße in Berlin-Kreuzberg, genau gegenüber vom Viktoriapark. Im Erdgeschoss des großen Wohnhauses befanden sich einst zwei kleine Geschäfte und eine Eckkneipe. Die stand jahrelang leer, bis sich der Lieferdienst Flink eingemietet hat und die beiden angrenzenden Geschäfte gleich mit übernahm.

Jetzt ist hier ein sogenannter Dark Store entstanden - kein richtiges Geschäft, sondern ein Lager hinter Milchglasscheiben, von dem aus die Fahrradkuriere Lebensmittel und allerlei andere Waren in Windeseile zu den Onlinekund:innen bringen.

Für Hildegard bedeutet das: Ihre Nacht ist um 4:30 Uhr zu Ende. Dann nämlich erhält der "Dark Store" Nachschub. Lieferwagen halten vor dem Haus und Paletten werden über den Gehweg geschoben. "Furchtbar" stöhnt Hildegard, "es klappert und scheppert und ist eine Zumutung für alle Menschen, die hier wohnen". Tagsüber ständen dann die Fahrräder der Kuriere auf dem Gehweg, klagt sie, und "die Reparaturen werden selbstverständlich auf dem Bürgersteig erledigt. Hier vor der Tür".

Die Mieter:innen im Hauses hätten auch schon den Kontakt zum Manager des "Dark Stores" gesucht, ohne Erfolg. Auf rbb-Nachfrage verweist der Lieferdienst Flink auf die positive Entwicklung, was Nachbarschaftskonflikte anbelangt. "Während es zu Beginn unseres Geschäftes in Berlin gelegentliche Probleme mit Nachbarn in einigen Filialen gab, konnten diese über die letzten zwei Jahre kontinuierlich gelöst werden. Flink ist noch ein junges Unternehmen, aber wir wollen einen aktiven Part in der Nachbarschaft übernehmen und uns dauerhaft verbessern."

Für Hildegard klingt das wenig überzeugend. Auf ihre Beschwerden gehe niemand ein, sagt sie desillusioniert.

Eine Verbesserung im Auftreten der Lieferdienste registriert allerdings Oliver Schruoffeneger (Grüne). Er ist Bezirksstadtrat in Charlottenburg-Wilmersdorf und für Ordnung, Umwelt, Straßen und Grünflächen zuständig. "Das war in den Anfängen ganz fürchterlich", sagt er über die Lieferdienste und äußert zu den "Dark Stores" eine klare Meinung: "Es werden immer mehr, insbesondere dann, wenn neue Firmen auf den Markt drängen. Sie sind mitten in den Wohngebieten. Das heißt: Wir holen uns morgens den ganzen Verkehr, den Lieferverkehr rein in die Wohngebiete und viele haben auch keine eigenen Betriebsflächen draußen. Dann stehen vor dem Laden zig Fahrräder, blockieren den Gehweg und man nutzt den öffentlichen Raum als Ladefläche. Solche Liefereinrichtungen gehören nicht in die Wohngebiete", so Schruoffeneger.

Flink 3 Fahrradkurier, Bild: rbb|24/Stefan Oberwalleney
Schnell geliefert: Fahrradkurier bringt Bestellungen direkt nach Hause | Bild: rbb|24

Konfliktpotenzial auch in anderen europäischen Städten

Online-Lieferserviceangebote einerseits und Wohnqualität in den Kiezen andererseits bergen auch in anderen Städten seit geraumer Zeit Konfliktpotenzial. Aus Wien berichtet die Zeitung "Der Standard" in einem Artikel vom Februar 2022 [derstandard.at] über Beschwerden von Anwohner:innen und Lärmbelästigung durch große Lkws bei der Anlieferung der Lager. Hier laufe der Betrieb 24 Stunden am Tag, und in der Nacht komme es zu Lärmbelästigungen durch Fahrer, die sich vor den Stores laut unterhielten. Die Spannungen zwischen Anwohner:innen und Lieferdienstmitarbeitenden hätten ein Ausmaß angenommen, "die nur knapp nicht in Handgreiflichkeiten münden".

Auch in Amsterdam beschweren sich Bürger der Stadt immer wieder über Lärm und zugestellte Gehwege. Deshalb hat die Stadt im Mai beschlossen, dass Online-Lieferdienste ihre Warenlager nicht länger in Wohngebieten betreiben dürfen. Die Depots müssen nun in Gewerbegebiete verlegt werden.

In Frankreich wollen die zuständigen Behörden die ungehinderte Ausbreitung von Dark Stores dadurch verhindern, dass sie eine neue Kategorisierung einführen. Dadurch soll den Städten die Möglichkeit geben werden, gegen Dark Stores vorzugehen, die sich einfach niedergelassen haben, ohne den geltenden lokalen Bebauungsplan einzuhalten.

Regulation bisher kaum möglich

Ein Regulationsinstrument vermisst auch Stadtrat Oliver Schruoffeneger in Berlin schmerzlich, wie er sagt. "Wir haben im Moment wenig Instrumente", die Ansiedlung von Dark Stores zu verhindern oder "das überhaupt steuern zu können", sagt er. Das liege am Bau- und Straßenrecht der Stadt Berlin.

Online bestellen und innerhalb kürzester Zeit die benötigten Lebensmittel geliefert zu bekommen, dieses Angebot stößt nach wie vor auf große Nachfrage. Es habe ja auch etwas, räumt der Bezirksstadtrat ein. Es brauche aber neue Lösungen. Eine Ausquartierung nach Vorbild Amsterdams sei in Berlin nicht der richtige Weg, sagt Schruoffeneger. Vielmehr sollten die Stores an zentralen Hauptverkehrsachsen liegen.

Stores konsolidieren und an zentrale Orte verlagern

"Ich glaube, wir müssen dahin kommen, dass es zentrale Orte gibt, die White Label sind, also wo alle Firmen drauf sind - gemeinsam, sodass wir nicht die ganzen Straßen mit einem Store nach dem anderen zukleistern", argumentiert der Stadtrat.

Auf dem Parkplatz am Ende der Kantstraße, gegenüber dem ICC sei so ein Ort geplant. "Von dort aus kann man dann bis hinten runter zur Joachimsthaler Straße alle Neben- und Seitenstraßen der Kantstraße wunderbar in unter zehn Minuten erreichen", so Schruoffeneger. "Es ist kein Gewerbegebiet, aber es ist halt in der Schnittstelle der Hauptverkehrsachsen."

Hildegard aus der Katzbachstraße hätte den Dark Store in ihrem Haus am liebsten irgendwo an die S-Bahn verbannt, wo es doch genügend Flächen gebe, sagt sie. Das aber ist derzeit nicht absehbar und deshalb dreht sie mit dem Hund noch schnell eine Runde im Viktoriapark. Denn der nächste Morgen ist nicht weit und ab 4:30 Uhr ist an Schlaf für sie nicht mehr zu denken.

* Name von der Redaktion geändert

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Sendung: rbb|24, 23.05.2023, 21:45 Uhr

Beitrag von Stefan Oberwalleney

58 Kommentare

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  1. 58.

    Na dann lass doch mal hören was du mit deiner eingesparten Lebenszeit so Sinnvolles anstellst.

  2. 57.

    Ja, zum Glück gibt es auch noch Supermärkte in Wohngebieten, diese werden aber erst ab 19h beliefert!

  3. 56.

    Nicht direkt auf Sie, Arne, bezogen. Passt aber generell zu vielen Kommentaren hier. Macht sich jemand Gedanken, wie die Fahrer bezahlt werden und welches Arbeitspensum sie haben. Ich habe davon ein Bild, da ich leider in der Branche gearbeitet habe, Schichten eingeteilt und Zeiten geprüft habe. Weiterhin auch sämtliche SLA, die einzuhalten waren. Ein kleines Beispiel, das öffentlich publiziert wurde und somit kein Geheimnis darstellt:
    Gorillas hat monatlich 50 Millionen Euro in seine Dark Stores gepumpt, damit diese aufrecht erhalten werden können. Profitabel sind solche Unternehmen in den seltensten Fällen. Klar, man kann sagen, dass ist nicht mein Problem, mir wird alles geliefert was ich bestelle. Aber diese Einstellung hilft weder bei gerechter Bezahlung, Umweltschutz etc., wenn man nur auf sich schaut und die Probleme auf andere abwälzt oder sie nicht sehe möchte.

  4. 55.

    Für Menschen wie mich, mit erheblichen mobilen Einschränkungen, sind diese Lieferdienste ein Segen. Also, nicht jeder, der liefern lässt ist "faul"... Die jeweiligen Fahrer bekommen auf jeden Fall immer ein gutes Trinkgeld von mir. Hier sollte man doch die Löhne mal kräftig anheben.

  5. 54.

    Es gibt noch etwas, das bei Ihnen vermutlich kalte Verachtung hervorrufen wird: Ich pflege sogar, mir Speisen und Getränke zuzubereiten, mich selbst zu waschen und mir eigenhändig den Hintern abzuputzen.

    Woran Sie sicher eindeutig erkennen werden, dass ich über keinerlei Selbstachtung verfüge und mein Leben mit sinnlosem Zeug vertändele, derweil Sie lieber Leute dafür beschäftigen, minderwertige Tätigkeiten auszuüben - sicher gegen ordentliche Bezahlung, denn Ihr offenbar bereits sehr gut entwickeltes Selbstwertgefühl werden Sie ja nicht dadurch weiter zu steigern versuchen, dass Sie diese Menschen für ein mickriges Entgelt schuften lassen.

  6. 53.

    4.30 ist ihre Nacht zu Ende? Der ersten MA starten um 6.30 Uhr - ich wohne auch neben einem Geschäft und habe keinerlei Probleme. Die Nachtruhe ist um 6.00 sowieso vorbei.

  7. 52.

    ....eigentlich sollten Lieferdienste nur für ältere Menschen, Behinderte und Kranke Menschen da sein (und selbst die schaffen es meist noch einzukaufen) und nicht für welche, die sich nicht die Zeit nehmen sich um ihren ureigensten Kram zu kümmern....oder so karrieregeil sind das sie es nicht mehr schaffen ihren Hintern zu erheben um mit der Masse in den näxten Laden zu gehen.....schräge Welt.....

  8. 51.

    Glauben Sie ernsthaft, der Großhändler würde sich von einem Popelbetrieb seine Lieferzeiten vorschreiben lassen? Ganz sicher nicht.


    Die Räder im gleichen Raum wie die Lebensmittel? Sie haben eine eigenartige Vorstellung von Hygiene.

    Und nun seid mal nicht so streng mit den Leuten, die zu faul sind, selbst einkaufen zu gehen. Die können meistens nicht kochen, lieben keine frischen Waren (ist ja auch bei Fertigfraß, Chips und Cola egal) und haben sich ihr Übergewicht schwer erarbeitet.

  9. 50.

    Mehrere Betroffene können sich aber auch um das Lieferfahrzeug auf die Straße kleben. Oder einfach nur einen Sitzstreik um das Fahrzeug initiieren. Kameramann nicht vergessen. Wirkt garantiert besser als eine Anzeige.

  10. 49.

    Man muss eben Prioritäten setzen: Döner für acht Euro, Wegbier aus dem Späti für zwei, hier einen Kaffee im Pappbecher, dort einen Muffin, auch mal ein Sandwich oder "Streetfood", das alles nicht ausnahmsweise, sondern regelmäßig - schauen Sie sich mal die ganzen Fastfoodläden und -stände an, nicht nur in Touristengegenden. All diese Einrichtungen scheinen gut zu leben, offenbar ernähren sich weite Teile der Berliner durch sie.

    Und jammern dann herum, dass sie die Miete kaum noch aufbringen oder die Stromrechnung nicht mehr zahlen können. Wobei man natürlich von gewissen Medien noch unterstützt wird, die lieber aufgeregt über das soziale Elend berichten statt auch mal darüber, dass manche Leute einfach nicht mit ihrem Geld umgehen können, also an ihren Problemen auch selbst schuld sind.

  11. 48.

    Liefern ist das nicht mehr.
    Dann fahren wir alle schön selber raus aus der Innenstadt kaufen da ein....
    Naja

  12. 47.

    Liefern lassen, liefern lassen, liefern lassen...
    Bloß keinen Schritt mehr selber laufen.
    Bewegung ist ja so ungesund...
    Bloß keine Kommunikation, schön zu Hause bleiben und das Leben hinter dem Ofen verbringen.
    Ach, was dind wir heute wieder herrlich dekadent...

  13. 46.

    Wenn einkaufen und saubermach3n so schlimm ist,bitte.

    Ich finde selber einkaufen,meinen Grobmüll zur BSR schaffen und outzen nicht verplempern.
    Dafür arbeite ich weniger ,reicht auch aus!

  14. 45.

    FLINK in Rummelsburg hat alles drinne.

    Da war früher ein Norma und als der rausging war lange leer.

    Die fahren bis rein durch die breite Tür mit den Bikes.

    Perfekt,

  15. 44.

    Kann halt nicht jeder im Kiez wohnen,ist scho klar,oder.
    Die Katzbachstrasse war schon immer Verkehrsstrasse,nur die Anwwohner wollen das schon lange nicht mehr.

    Können die ja dort wegziehen ,wenn Stadt ihnen nicht passt.

    Alles haben wollen und Ruhe dazu geht halt nicht.

  16. 43.

    Ja, ich glaube das Menschen wie Stadtrat Oliver Schruoffeneger hier nur Themen suchen. Weniger Regulierung und weniger Staatseingriffe sollten die Regel sein. Der Staat mischt sich insgesamt zu sehr ein! Politisch ist weniger mehr.

  17. 42.

    Was soll's ,das ist das was von der Grünen doch so propagiert worden
    .Lkw s und Autos raus aus der Stadt,
    Anlieferungen werden mit dem Rad erledigt und Zwischenlager sind da natürlich nötig.
    Das jetzt ist nur der Anfang,wenn dann erst die Handwerker mit ihren Rädern kommen,ihr Material holen und für eine Fuhre den ganzen Tag,anstatt ne Stunde brauchen,dann wird's lustig und teuer.oder sie kommen garnicht, weil es nicht lohnt.

  18. 41.

    Das ist eine sehr gute Entwicklung in anderen Ländern, diesen Wildwuchs zu unterbinden. Arroganz und Dreistigkeit, die diese Unternehmungen gegenüber ihren Nachbarn zeigen, scheinen auch bei den Kunden zu bestehen. Wohnungsmieter sollen wegziehen, weil von den Stores ungeeignete Räumlichkeiten rücksichtslos genutzt werden? Geht's noch? Aber was soll man erwarten: Faulheit und Ignoranz auf der einen Seite und Geldgeilheit auf der anderen - das ergänzt sich offenbar sehr gut.

  19. 40.

    Sorry aber das ist doch einfach nur gelogen. Rewe liefert tagsüber, meist nachmittags die Lebensmittel an flink aus. Kann sein, dass früh morgens Backwaren geliefert werden, aber in den Hubs ist niemand vor 7h, zumindest ist das 2023 so, was davor war kann ich nicht sicher sagen. In dem meisten Fällen stehe die bikes selbst auch in den Hubs, in wenigen Ausnahmefällen wird noch nach passenden Alternativen gesucht, weil da der Standort das nicht hergibt. Ansonsten unterscheidet flink jetzt nichts von einem Supermarkt oder ähnlichem die meisten vorher die Läden gemietet hatten.

  20. 39.

    Lieferdienste sind oftmals gleich teuer und wenn mann Mindestbestellmenge einhält, entfallen die Liefergebühren bei einem großen Supermarkt mit 4 Buchstaben, der sein Sortiment auch online per App anbietet.

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