Sanierungsstau an Berliner Hochschulen - Es tropft und bröckelt an mehreren Berliner Unis
Schon wieder ein Wasserschaden an der TU: Erst musste ein Mathe-Gebäude geschlossen werden, nun lief Wasser in Chemie-Räume. Die Uni ist mit baulichen Problemen kein Einzelfall. Auch an anderen fehlt Geld zum Sanieren. Von Yasser Speck
Das Chemie-Gebäude der Technischen Universität (TU) in Berlin ist seit knapp 140 Jahren in Benutzung und seit den 1990ern nicht mehr saniert worden. Als am 19. Juni ein marodes Wasserrohr bricht, sorgt dies für einen enormen Wasserschaden. 19 Räume müssen gesperrt werden, ein Seminarraum wird komplett zerstört. Die Decke des Raums kann die Wassermenge nicht tragen und bricht ein.
Zwei Wasserschäden in nur wenigen Tagen
Es ist der zweite große Bauschaden innerhalb weniger Tage: Schon am 15. Juni meldet die TU, dass das gesamte Mathematik-Gebäude geschlossen werden muss. "Mitte April 2023 wurde mutwillig ein massiver Wasserschaden herbeigeführt", schreibt die TU in einer Pressemitteilung. Es sei zwar Vandalismus, aber die Schließung hätte verhindert werden können, sagt TU-Sprecherin Steffi Terp. "Wäre dieses Haus saniert worden, wäre der Schaden nicht so groß, wie er momentan ist."
"Unter den Studierenden hat sich schon Galgenhumor breitgemacht", sagt Gabriel Tiedje, Student an der TU und hochschulpolitischer Referent vom Asta. Sie würden darüber scherzen, welches Gebäude als nächstes einstürzt. "Unter den Studierenden wissen wir, dass hier irgendwas nicht ganz richtig ist", sagt Tiedje. Zum Beispiel würde es in manchen Hörsälen des Architektur-Gebäudes unangenehm riechen, weil die Lüftung kaputt sei. "Das darf es an einer Uni mit Exzellenzstatus nicht geben", stellt Tiedje fest.
Die Schäden stehen exemplarisch für die marode Bausubstanz an vielen Berliner Universitäten. "Seit der Wende wurde viel zu wenig Geld in die Infrastruktur der Berliner Universitäten gesteckt", klagt Lars Oeverdieck, Kanzler der TU. "Das macht sich irgendwann bemerkbar." An vielen Berliner Universitäten und Hochschulen würden sich die Sanierungsvorhaben stauen.
Ein Beispiel: Die TU würde das Mathe-Gebäude gerne von Grund auf sanieren. Das Sanierungsvorhaben meldet die Universität im Investitionsplan des Landes Berlin immer wieder an. Bislang ohne Erfolg. "Das machen wir seit sechs Jahren und hoffen, dass wir es endlich bekommen", sagt Oeverdieck.
Mehrere Milliarden Euro nötig
Die Schuld am maroden Zustand seiner Hochschule sieht Asta-Vertreter Gabriel Tiedje bei der Politik. "Das Land Berlin muss endlich mal in die Pötte kommen und die Gelder, die notwendig sind, in die Hand nehmen." Je länger der Senat mit den Sanierungen warte, desto teurer werde es, so der Student.
Dieser Forderung schließt sich auch der Kanzler der TU, Lars Oeverdieck, an. "Die Wissenschaftssenatorin muss jetzt beim Finanzsenator dafür kämpfen, dass die Hochschulen mehr Geld bekommen, um dem Sanierungsstau entgegenzuwirken." Allein die TU brauche 2,3 Milliarden Euro, um ihre Gebäude zu sanieren. Alle staatlichen Hochschulen Berlins würden zusammen über acht Milliarden Euro benötigen, um die geplanten Sanierungen durchzuführen, sagt Oeverdieck.
Auch an der Humboldt-Universität (HU) kommen Sanierungen nicht voran. So ist beispielsweise ein Gebäude an der Invalidenstraße 110 gesperrt. "Das Gebäude ist schadstoffbelastet und muss dringend saniert werden", erklärt Niels Helle-Meyer, Vizepräsident Haushalt der Humboldt-Universität. Die HU würde die Arbeiten auch gerne durchführen lassen - doch es fehlt das Geld vom Senat.
Als Vizepräsident Haushalt weiß Niels Helle-Meyer; wie viel Geld die HU benötigt, um den Sanierungsstau zu beheben. "In den nächsten zehn bis 15 Jahren braucht es ungefähr eine Milliarde Euro", sagt er. Allein das Gebäude an der Invalidenstraße würde rund 100 Millionen Euro kosten. "Wir brauchen neue Finanzierungsformen", fordert Helle-Meyer. Es würde alles zu lange dauern. "Die Situation an den Berliner Unis und Hochschulen ist kritisch."
Die Senatorin für Wissenschaft, Ina Czyborra (SPD), hat sich am Dienstag den Wasserschaden in der Technischen Uni angeschaut. "Diese Bilder geben uns zu denken, wie wir als Senat die Hochschulen durchsanieren können, damit solche Havarien nicht so oft vorkommen", räumt sie ein. Dennoch könnten die Gelder in Zeiten der Schuldenbremse nicht einfach so zur Verfügung gestellt werden. "Das sind Riesensummen. Das können wir nur schaffen, wenn Bund und Länder eine gemeinsame Anstrengung machen."
Lehrveranstaltungen müssen verlegt werden
Inzwischen werden die Lehrveranstaltungen der TU, die sonst im Mathe-Gebäude oder in den Räumen des Chemie-Gebäudes stattgefunden hätten, anderswo abgehalten. "Wir gucken, dass wir die Studierenden und Lehrveranstaltungen jetzt verteilt bekommen", sagt Oeverdieck von der TU. "Aktuell klappt das den Umständen entsprechend ganz gut." Der Student Gabriel Tiedje macht sich allerdings Sorgen um die Auswirkungen der Raumsperrungen. "Ich gehe davon aus", sagt er, "dass man auch im Wintersemester Schwierigkeiten haben wird, eine saubere Raumplanung zu haben."
Sendung: rbb|24 Abendschau, 20.06.2023, 19:30 Uhr.