Weihnachtszug der S-Bahn - Ein Advents-Oldtimer rollt durch Berlin

Mo 27.11.23 | 12:10 Uhr | Von Marvin Wenzel
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Der Weihnachtszug der Berliner S-Bahn im November 2023. (Bild rbb/ Marvin Wenzel)
Bild: rbb/Marvin Wenzel

Nach 15 Jahren Pause ist eine Berliner Weihnachtstradition wieder zum Leben erweckt: Der historische Weihnachtszug der S-Bahn fährt wieder durch die Stadt. Eine adventliche Rundfahrt in der Holzklasse. Von Marvin Wenzel

So sehr wie heute hat sich Lokführer Walied Schön schon lange nicht mehr auf eine Fahrt gefreut. Er steht am Gleis 5 des Bahnhofs Charlottenburg vor dem vordersten Waggon einer S-Bahn. Er sagt: "Das ist ein echter Oldtimer!" Ein Oldtimer, der im Jahr 1928 gebaut wurde und von vorne bis hinten geschmückt ist. Den fast hundert Jahre alten Zug zieren Tannenzweige und golden funkelndes Lametta. Schön betritt den Fahrerstand. Eine bunte Zeichnung eines Weihnachtsmanns schmückt die Frontscheibe. Darüber: ein blaues Schild mit der weißen Aufschrift "Weihnachtszug 2023".

"Unsere geliebte Tradition ist endlich zurück", sagt Schön. "Ich bin so stolz und nervös gleichzeitig." Schön ist umgeben von runden analogen Anzeigen und schwarzen Knöpfen. Ein Schaffner brüllt am Gleis: "Zurückbleiben, bitte!" Ein Team von weiteren ehrenamtlichen Zugbegleitern schließt alle Türen des Zuges mit der Hand. Der Lokführer schiebt einen silbernen Hebel nach vorne - und schon rollt der historische Weihnachtszug in Richtung Westkreuz. Der Boden wackelt, alle Ecken des Wagens quietschen.

Historische Oldtimer-Züge aus den Zwanziger- und Dreißigerjahren

15 Jahre lang pausierte die Tradition, die seit den Fünfzigerjahren besteht. Der Verein "Historische S-Bahn" sammelte mit seinen 240 Mitgliedern genügend Spenden, um zwei Oldtimer-Züge aus den Jahren 1928 und 1938 wieder fit für das Berliner S-Bahn-Netz zu machen. 2009 wurde die Tradition eingestellt. Die S-Bahn finanzierte die Aktion bis dahin und geriet damals in eine Krise. Viele S-Bahnen fuhren über Monate lang unpünktlich, Züge fielen aus und waren überfüllt. Das Unternehmen zog ein Drittel seiner Bahnen aus dem Verkehr. Für eine weihnachtliche Aktion mit historischen Zügen war kein Geld mehr übrig.

Der Verein "Historische S-Bahn" übernahm und brauchte zehn Jahre, um die beiden Züge wieder instand zu setzen. Walied Schön ist auch stellvertretender Vorsitzender des Vereins und sagt: "Obwohl es die Aktion 15 Jahre lang nicht gab, konnten wir jährlich 20- bis 30.000 Euro dank Spendern sammeln."

Dafür sei er dankbar. Mit einem "Erlebnis für Herz und Seele" wolle er sich zusammen mit seinem Verein für die Großzügigkeit bedanken. Das Konzept vom Weihnachtszug ist simpel: Der Oldtimer-Zug dreht eine Runde durch die Stadt, dabei sorgen adventliche Musik und Dekoration für eine gemütliche Stimmung. Schön sagt: "Die Aktion ist nicht nur für Familien interessant, sie ist auch für Eisenbahn-Fans ein absolutes Highlight."

Weihnachts-S-Bahn 2023. Fahrgäste im Waggon mit Schaffner (Bild: rbb)Weihnachts-S-Bahn 2023. Fahrgäste im Waggon mit Schaffner (Bild: rbb)

Menschen, Musik, Emotionen

Der Weihnachtszug ist ein Hingucker. Wenn er langsam in den Bahnhöfen einfährt, schauen die Menschen auf dem Bahnsteig kurz verwirrt auf und zücken dann zum Großteil sofort ihre Smartphones. Auf jedem Fenster sind weiße Schneeflocken-Sticker aufgeklebt und selbstgemalte Bilder von Schneemännern und Rentieren zu sehen.

Im Zug gibt es zwei Bereiche: In der "3. Klasse, Nichtraucher" sitzen Gäste auf rustikalen Holzbänken. Aus blechern klingenden Lautsprechern ertönen weihnachtliche Melodien von Frank Sinatra. Gäste tauschen ihr Eisenbahn-Wissen aus. Ein Mann in beiger Weste, Anzughose, weißem Hemd, öffnet ein Fenster und schiebt es einen halben Meter runter. Er grinst und sagt: "Früher konnte man während der Fahrt noch aus dem Zug springen. An den Fenstern und Türen sind Schilder befestigt mit der roten Aufschrift: 'Nicht öffnen während der Fahrt! L e b e n s g e f a h r !'"

In der 2. Klasse machen es sich die Gäste auf hellbraunen Plüschpolstern bequem. Ihre Kleidung hängt in fein gewebten Gepäcknetzen und die Wände sind mit Mahagoni-Holz verkleidet. Es riecht nach altem Leder. Auf einem der Sitze turnt der neunjährige Milo. Er sagt: "Der Zug ist so schön bemalt und alt." Hört man sich bei den anderen Gästen um, was ihnen besonders gut gefällt, ist die häufigste Antwort: "Die Geräusche." Jedes Mal, wenn der Zug beschleunigt, klirren die Fenster und Sitzbänke. Der Motor der historischen S-Bahn wird so für die Gäste nicht nur hör-, sondern auch spürbar.

"Bei Eisenbahn geht es um Emotionen"

Eine Reihe dahinter sitzt Thomas Krüger. Er ist Pianist und Komponist und sagt: "Es geht bei Eisenbahnen um Emotionen und Erinnerungen." Viele der Gäste seien früher mit den alten Zügen zur Schule oder Arbeit gefahren. Er selbst begeistere sich für die alte Technik. Die Motoren, das eckige Design der Waggons, die vielen Anzeigen, die früher "vier- bis fünfmal so groß waren wie heute". Auf dem letzten Geburtstag der S-Bahn habe er ein Klavierkonzert gespielt.

Die Premierenfahrt feiert der Verein exklusiv mit Spendern und Ehrengästen. Schaffner, Lokführer, Familien und Eisenbahnliebhaber. Viele tragen historische dunkelblaue Uniformen der Deutschen Reichsbahn.

Am kommenden Samstag können dann alle interessierten Berlinerinnen und Berliner mitfahren. Der Zug fährt an allen vier Adventswochenenden, insgesamt sieben Mal. Eine Fahrkarte kostet zwischen 21 und 28 Euro, für Kinder und Jugendliche sind es sieben Euro.

Der Schaffner des Weihnachtszugs der Berliner S-Bahn im November 2023. (Quelle: rbb/Marvin Wenzel)Der ehrenamtlichen Schaffner des Berliner Weihnachtszugs Mark Wicher.

Zukunft: Ungewiss!

Start- und Zielbahnhof ist Grünau. Die Fahrt geht über den Südring nach Charlottenburg und zurück. "Es wird eine kleine Bewirtung mit Getränken und Leckereien geben", sagt Lokführer Walied Schön. Für Glühwein und Lebkuchen sei gesorgt, eine Toilette gäbe es an Board aber nicht. Und in den Waggons dürfe unter keinen Umständen geraucht werden. Auch wenn die historischen Schilder das genaue Gegenteil behaupten.

Im nächsten Jahr wird die S-Bahn 100 Jahre alt. Lokführer Schön hofft, dass es zu diesem runden Geburtstag auch einen Weihnachtszug geben wird. Er sagt: "Die Zukunft der Aktion ist ungewiss." Der Zug müsse mit moderner Sicherheitstechnik ausgestattet werden und das sei "tierisch teuer". Er gibt sich aber optimistisch. "Der Tag heute zeigt, dass sich die Anstrengungen lohnen: Es macht wahnsinnig Spaß, mit dem historischen Zug zu fahren und die Gäste glücklich zu machen." Bei der nächsten Fahrt soll sogar ein Weihnachtsmann mit an Board sein. Vielleicht hat Schön ja dann einen Wunsch frei.

Der Schaffner des Weihnachtszugs der Berliner S-Bahn im November 2023. (Quelle: rbb/Marvin Wenzel)

Sendung: rbb24 Abendschau, 26.11.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Marvin Wenzel

28 Kommentare

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  1. 28.

    Irre ich mich oder zeigt das eine Foto außen einen Stadtbahner und das andere einen Rundkopf?! Dann haben die zwei verschiedene Zugtypen gekoppelt.

  2. 27.

    Schön nostalgisch. Toll

  3. 26.

    Tolle ehrenamtliche Sache!!! Hut ab und viel Erfolg!!
    Und danke, dass es noch Menschen gibt, die sich in ihrer Freizeit engagieren.
    Und für alle Nörgler, an diesen Zugfahrten verdient kein Mensch Geld.
    Dankbarkeit ist angebracht.
    Frohes Fest

  4. 25.

    Ernsthaft jetzt? Haben Sie auch bei der Eröffnung der Weihnachtsmärkte letztes Wochenende so gewettert?
    Oder hat die „Namensänderung“ zu „Wintermärkten“ Ihren Unmut besänftigt?

  5. 23.

    Warum ein "Weihnachtszug" am Totensonntag zum ersten Mal fährt, muss man nicht verstehen. Pietätlos!

  6. 22.

    "und schon rollt der historische Weihnachtszug in Richtung Westkreuz. "

    Nein, ganz sicher nicht. Von Charlottenburg über den Südring (und in Gegenrichtung) geht es über die Halenseekurve, da ist nichts mit "Richtung Westkreuz".

  7. 20.

    wünsche ein schönes Weihnachtsfest 2023 .Wünsche gute Fahrt in die Weihnachtstage schön gruß Roberto

  8. 19.

    Also da bekomme ich ja selbst ich wieder Lust auf Öffis! Nicht wegen der Weihnachtsdeko - die ist für Kinder wahrscheinlich aber toll -, sondern aus nostalgischen Gründen. Ich kenn die Version mit Schaffner und Holzbänken noch und eigentlich fand ich an den Zügen alles besser als an den modernen
    Man konnte noch die Fenster aufmachen (die Türen nebenbei gesagt auch, also während der Fahrt, ok, das vielleicht eine Verbesserung heutzutage), die Holzbänke waren optisch viel schöner und gefühlt auch hygienischer, zudem mag ich "hart" beiim Sitzen und LIegen und das mit dem Schaffner war auch besser. Der hatte einen Job, die Reisenden fühlten sich sicherer.
    Back to the roots!

  9. 18.

    Eigentlich ist das ganze mit Weihnachtsmann hauptsächlich Kinderbespassung, Erwachsene sind nur geduldete Begleitung, sodass eigentlich Kinder mehr bezahlen sollen (Ironie aus ;-))

  10. 17.

    OMG! Ist das toll! Neulich habe ich schon die "alten" Sbahnen der BR 485 verabschiedet *schnief* die ich dereinst noch ausgeliefert habe und nun kommen die wirklich "Alten" aufs Gleis! In denen man mit offenen Fenstern (und Türen) ist Strandbad Wannsee fuhr, Kiefernharzduft und Urlaubsfeeling gratis! Schade, dass es nicht mehr Karten ;-) (klar, begrenzter Platz) oder mehr Fahrten gibt! Ich habe neulich schon dafür plädiert, die alten Damen der BR 485 sollten auf der Strecke Teltow nach Stahnsdorf Friedhof fahren, da braucht es keine moderne Zugbeeinflussungstechnik :-) Hauptsache, es fährt überhaupt wieder eine Bahn. Das wäre mein Traum - ich würde einfach nur fahren, hin und her :-) und ich habe jetzt schon das Geräusch beim Beschleunigen des Zuges ihm Kopf... hach!

    Ich wünsche ganz viel Erfolg und viele Einnahmen/Spenden!

  11. 16.

    "Ebenso gilt der ermäßigte Preis nur bis 7 Jahre."
    Ah sorry... Ermäßigung gilt bis 13 Jahre. Aber trotzdem noch Kinder...

  12. 15.

    Die Preise gehen schon in Ordnung, denn die Alternative wäre, die Vereinsmitglieder und Spender subventionieren die Fahrten, was ja nun überhaupt nicht geht. Bitte nicht vergessen: Vereine verdienen nicht an ihren angebotenen Leistungen. Und Familien mit mehreren Kindern oder Kindergruppen sollten diese tolle Möglichkeit nutzen können, ohne, das Weihnachtsfest aus Kostengründen auf eine S-Bahn-Fahrt verlegen zu müssen.

  13. 14.

    >"Warum zahlen Kinder schon wieder (!) weniger?"
    Weil die Eltern ja mitmüssen und Kinder im Allgemeinen nicht selber so viel Geld haben für eine volle Fahrkarte. Ebenso gilt der ermäßigte Preis nur bis 7 Jahre. Hinzu kommt noch die Mischkalkulation, dass der teurere Erwachsenenpreis einen Teil des ermäßigten Kinderpreises mitträgt. Es ist Weihnachten! Und wer bekommt an Weihnachten die Geschenke? Die Kinder! Also bitte mal die Weihnachtskirche im Dorf lassen.

  14. 13.

    Eine tolle Sache. Schade nur, dass immer alles verkitscht wird. Überall die hässlichen Aufkleber an den Fenstern und Musik im Zug. Für viele wäre an dieser Stelle weniger mehr. Gerade solch einen Nostalgiezug müsste man pur erleben. Mir geht es jedenfalls so. Da will man das Knarren und das Knarzen hören und den Klang des Zuges auf den Schienen.

  15. 12.

    Die Türen dieser Baureihen schließen mit Druckluft aus Speichern; das Geräusch der anlaufenden Kompressoren ist mir noch in guter Erinnerung und auch das Ablassen nach ca. 2 Minuten. Mein Vater hat früher, wenn der Waggon leer war, im Sommer meist die Türen aufgemacht, um frische Luft reinzulassen.

  16. 11.

    Warum zahlen Kinder schon wieder (!) weniger? Sie benötigen einen Platz. Das ist ja schon fast überall so...mit den Vergünstigungen, die nicht richtig wertgeschätzt, geschweige denn gedankt werden. Dann kann man gleich kostendeckende Preise verlangen.

  17. 10.

    Mindestens 21,00 € für eine einfache Fahrt scheinen mir doch recht teuer, lediglich der Fahrpreis für Kinder (7,00 €) ist halbwegs erträglich.

  18. 9.

    „ Wie kann/darf der Weihnachtszug fahren, hat er doch moderne Signal/Sicherheitstechnik?“
    Nein, hat er nicht. Er kann darum auch nur auf Strecken mit alter Sicherungstechnik eingesetzt werden, konkret von Grünau über den Südring nach Charlottenburg.

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