Kritik an Bezirken - Krankenhäuser bleiben auf Behandlungskosten für Obdachlose sitzen

Di 05.12.23 | 10:44 Uhr
  6
Die Zahnarzthelferin Heike Vitting kümmert sich am 06.09.2016 im Gesundheitszentrum für Obdachlose in Berlin um einen Patienten. (Quelle: dpa/Paul Zinken)
Bild: dpa/Paul Zinken

Der Geschäftsführer der Berliner Krankenhausgesellschaft, Marc Schreiner, wirft den Berliner Bezirken vor, ihrer Pflicht zur Kostenübernahme bei der Behandlung obdachloser Menschen in vielen Fällen nicht nachzukommen.

Das sagte Schreiner am Montag im Gesundheitsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses. So entstünden den Krankenhäusern Kosten in Höhe von mindestens zehn Millionen Euro jährlich.

Wenn Rettungsstellen Menschen ohne Krankenversicherung behandeln, können sie laut Sozialgesetz eine Rechnung dafür beim Sozialhilfeträger stellen, also bei den Berliner Bezirken. Eine aktuelle Umfrage der Berliner Krankenhausgesellschaft zeige laut Schreiner jedoch, dass 86 Prozent dieser Anträge von den Bezirken abgelehnt werden. In 30 Prozent der Fälle bleibe eine Reaktion gänzlich aus. Das hatten insbesondere Krankenhäuser in Tempelhof-Schöneberg und Mitte bemängelt. "Für uns als Krankenhäuser ist der bürokratische Aufwand so hoch, dass es für viele schlichtweg fruchtlos ist und damit unsinnig, Anträge auf Kostenrückerstattung zu stellen. Und das, weil die Bezirke schlichtweg nicht reagieren", so Schreiner.

Patienten oft ohne Deutschkenntnisse

Grund für die Ablehnung seien oft hohe Nachweisanforderungen, die Krankenhäuser nicht erbringen könnten. So müssten die Rettungsstellen nachweisen, dass ihre Patienten nicht in der Lage seien, die Kosten selbst zu übernehmen. "Wir haben aber keine Ermittlungsbefugnis", so Schreiner. Die Patienten hätten zudem oft keine Deutschkenntnisse, keine Dokumente und eben oftmals keinen festen Wohnsitz.

Würden die Krankenhäuser dennoch Anträge auf Kostenübernahme stellen, seien die Reaktionszeiten der Bezirke "unerträglich lang", teils bis zu einem Jahr, sagte Schreiner. In Folge könne auch eine Anschlussversorgung oft nicht organisiert werden.

Schreiner schlug eine Konferenz mit den Bezirken, der Gesundheits- und Sozialverwaltung sowie den Bezirksbürgermeistern vor, um eine bessere Verwaltungspraxis zu entwickeln. Mindestens 60 oder 70 Prozent der Behandlungskosten sollten pauschal von den Bezirken übernommen werden, so Schreiner.

Der Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft kritisierte darüber hinaus ein "munteres Zuständigkeitspingpong" zwischen der Gesundheits-und Sozialverwaltung. Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD) wies diesen Vorwurf zurück, die Zusammenarbeit der Verwaltungen sei besser als ihr Ruf. Es hake eher bei den personellen oder finanziellen Ressourcen. Die Senatorin gestand jedoch ein, "dass wir ein wirklich komplexes System haben. Die Dysfunktionalitäten in diesem System sind sehr deutlich geworden."

Sendung: rbb24 Inforadio, 5.12.2023, 6:35 Uhr

6 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 6.

    Wie kann ich die Aussage interpretieren "... dass 86 Prozent dieser Anträge von den Bezirken abgelehnt werden. In 30 Prozent der Fälle bleibe eine Reaktion gänzlich aus." Worauf beziehen sich dann die 30 Prozent?

  2. 5.

    Tja - da wurde jahrelang auf RRG gewettert und nun festgestellt, dass mit der CDU in der Regierung auch nichts besser wird. Woran das wohl liegen mag?

  3. 4.

    Interessanter Weise ist dieses Behörden Pingpong gegenüber Bürgern und Bürgerinnen widerrechtlich! Das Allgemeine Zuständigkeitsgesetz Berlin (AZG) besagt im §3 Absatz 4:

    (4) Senatsverwaltungen, Bezirksämter, Sonderbehörden und nichtrechtsfähige Anstalten unterrichten sich gegenseitig von allen wichtigen Ereignissen, Entwicklungen und Vorhaben, die auch für die anderen zur Erfüllung ihrer Aufgaben von Bedeutung sind (Informationspflicht). Sind mehrere Verwaltungsstellen zuständig, so wirken sie zügig und erfolggerichtet zusammen. Die federführende Verwaltungsstelle holt die Mitentscheidungen der anderen regelmäßig in einem Zuge ein, also in gemeinsamem Gespräch und nicht schriftlich nacheinander.


  4. 3.

    ...und wieder lese ich betroffen den Begriff "Dysfunktionalität". Will man nicht oder kann man nicht. Kläglich das Versagen.

  5. 2.

    Die CDU hat im Wahlkampf so getönt, dass Berlin "wieder funktionieren soll". Was ist passiert? Nichts. Es gibt z.B. weiterhin keine zeitnahen Termine bei den Bürgerämtern.

    Diesen Zuständigkeitspingpong gibt es seit Jahrzehnten in Berlin. "Ich bin nicht zuständig, wenden Sie sich da und dorthin". Das hat keine Stadtregierung bisher geändert. Bloß nichts machen, kostet ja Geld. Ich fürchte, daran wird sich nichts ändern, trotz aller Beteuerungen der jeweiligen Politiker.
    Irgendwelche Ausreden, warum das gerade jetzt nicht geändert werden kann, finden sich immer.

    Es ist zum Heulen. Nur fällt mir auch nicht viel ein, wie man die jeweilig Regierenden zum Umdenken bewegen kann.

  6. 1.

    Völlig unerheblich welche Partei in Berlin den Regierenden stellt , das Behördenpingpong bleibt. Jeder meint seine Arbeit sei die wichtigste.
    Haben wir schon immer so gemacht, da könnte ja jeder kommen usw.
    Ich fürchte , dies wir ewig so bleiben. Nicht nur in Berlin.

Nächster Artikel